Nevenzellen als Vorbild für Maschinelles Lernen (Symbolbild: Pixabay/Chen)

Das menschliche Gehirn lernt, indem sich Nervenzellen verbinden. Vernetzung ist aber auch eine Grundbedingung für digitales Maschinelles Lernen, das Anwendungen in der Künstlichen Intelligenz (KI) erst möglich macht. Während das Gehirn hierfür nicht mehr als etwa 100 Watt verbraucht, ist für das Maschinelle Lernen ein Energieeinsatz im Megawatt-Bereich erforderlich. Dieser enorme Aufwand stellt selbst KI-Weltmarktführer immer mehr vor massive Schwierigkeiten und ist eines der grössten Hemmnisse für Maschinelles Lernen. An der Universität Trier wollen Informatiker nun eine selbst entwickelte Software für Maschinelles Lernen in der Praxis optimieren.

Der Lösungsansatz für ein effektives und energiesparendes Maschinelles Lernen, an dem der Informatik-Professor Benjamin Weyers an der Universität Trier arbeitet, besteht in der Orientierung am biologischen Vorbild der Nervenzellen. Deren Vernetzung in künstliche, so genannte Spiking Neural Networks (SNN), zu übertragen und für Maschinelles Lernens verfügbar zu machen, ist jedoch technisch aufwändig, fehleranfällig und kompliziert.

Als Experte für Human-Computer Interaction erforscht Weyers seit Jahren, wie Mensch und Computer interagieren. Er war beispielsweise an dem mit knapp 1,2 Milliarden Euro ausgestatteten europäischen Human Brain Project (HBP) beteiligt, in dem das menschliche Gehirn analysiert und in Modellen und Simulationen nachgebildet wurde. Auf dieser wissenschaftlichen Arbeit aufbauend, geht es in dem neuen Projekt "Entwicklungsumgebung für Machine Learning mit SNNs (N-Desktop)" darum, Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften für die Konstruktion von digitalen Netzen heranzuziehen und nutzbar zu machen. Neuronale Netze werden inzwischen in einer Vielzahl von Anwendungsbereichen von der Spracherkennung bis zur Wettervorhersage eingesetzt.

Im Rahmen ihrer vorangegangenen Arbeit haben Benjamin Weyers und sein Team bereits eine ambitionierte Innovationsleistung erbracht und eine digitale Benutzeroberfläche entwickelt, die Neuroinformatik-Tools und KI-Software vereint. "Wir wollen der KI-Community nun eine neue Methodik zur Verfügung stellen und Wege bereiten, neuromorphe Hardware nutzen zu können. Dabei werden Modelle des biologischen Hirn-Nervensystems für verschiedene Zwecke auf einem Rechner abgebildet", erklärt Benjamin Weyers das Ziel. Für den Einsatz dieser Software unter Realbedingungen seien aber noch umfangreiche Erweiterungen und Optimierungen erforderlich, die insbesondere den Bedarf der Anwender intensiver berücksichtigen und die Bandbreite der Einsatzmöglichkeiten vergrössern würden, so der Professor.

Die Software soll potenziellen Anwendern wie Unternehmen und Interessengruppen zugänglich gemacht und ihnen die Möglichkeit geboten werden, den kompletten Arbeitsvorgang der Entwicklung, Optimierung und Analyse von SNNs für Maschinelles Lernen zu erproben. Im Lauf dieses Prozesses werde angestrebt, die Software auf einer einfach zu bedienenden Oberfläche anzubieten, ihre Funktionen zu erweitern und sie besser an die Arbeitsorganisation in Unternehmen anzupassen. Dazu sollen die Nutzer mit ihrem Feedback an die Software-Entwickler beitragen.

"Die Potenziale der Software sind unbestritten. Jetzt geht es darum, sie optimal auszugestalten", verspricht sich Weyers von dem Transfer seiner Forschung und Entwicklung in die Praxis, dass neuronale Netze für maschinelles Lernen künftig intuitiver, schneller und energieeffizienter erstellt und optimiert werden könnten. Damit würden Innovationsprozesse in der KI beschleunigt und Ergebnisse erreichbar, die bislang noch in weiter Ferne erscheinen.