Stefano Camuso, Managing Director von T-Systems Schweiz (Bild: zVg)

T-Systems International, die Grosskundensparte der Deutschen Telekom, hat zu Beginn dieses Jahres ein neues Geschäftsmodell eingeführt, um ihre Rolle als Digitaldienstleister in Europa weiter voranzutreiben. Entsprechend stellt sich auch die T-Systems Schweiz neu auf. Was dies für die Schweiz konkret bedeutet und welches die grössten strategischen Herausforderungen sind, erläutert Stefano Camuso, der seit nunmehr eineinhalb Jahren die Führungsspitze von T-Systems Schweiz bekleidet, im Interview mit ICTkommunikation.

Interview: Karlheinz Pichler

ICTkommunikation: Seit bald eineinhalb Jahren sind Sie Managing Director von T-Systems in der Schweiz. Was konnten Sie in dieser Zeit bewegen?

Stefano Camuso: Bewegen ist das richtige Wort. Was mich seit der Übernahme der Verantwortung für die T-Systems in der Schweiz umtreibt, ist: Wie können wir noch agiler und schneller werden. Wie rücken wir näher an den Kunden und experimentieren mit ihm, stellen sein Geschäftsmodell und seine Prozesse auf den Prüfstand und helfen ihm, den nächsten Schritt in die Digitalisierung zu machen. Dafür haben wir vor allem an unserer eigenen Transformation und unserem eigenen Mindset gearbeitet: Wir sehen uns als Digitalisierungsdienstleister, der sowohl für die IT-Abteilung als auch die Fachbereiche Ansprechpartner ist. Denn wir verstehen das klassische IT-Geschäft, sind gleichzeitig in allen wichtigen Innovationsbereichen von Cloud, Big Data, Blockchain oder KI ganz vorne mit dabei und beraten auch auf Ebene Business-Integration. So entwickeln wir gemeinsam mit unseren Kunden innovative Lösungen, die wir dann auch sicher und effizient betreiben können.

ICTkommunikation: T-Systems hat zu Beginn dieses Jahres eine Neuorientierung verkündet. Konkret ein neues Geschäftsmodell und die Ausrichtung nach neuen Wachstumsfeldern. Was bedeutet dies für T-Systems Schweiz?

Stefano Camuso: Wir gehen mit einem Portfolio-orientierten Geschäftsmodell an den Markt. In der Schweiz konzentrieren wir uns auf vier Wachstumsfelder: Cloud & Infrastruktur, Digital Lösungen, Security und Konnektivität. Damit sind wir breit genug aufgestellt, um alle Anforderungen abzudecken, die Unternehmen heute und morgen an uns stellen. Gleichzeitig bündeln wir Kompetenzen in Geschäftseinheiten, um massgeschneiderte Lösungen ganzheitlich und Ende-zu-Ende anbieten zu können. Um die Agilität unserer Organisation darüber hinaus noch weiter zu erhöhen, haben wir bereits in den letzten Monaten agile Teams aus Mitarbeitenden der verschiedensten Bereiche gebildet und für eine übergreifende Zusammenarbeit auch unsere Tochtergesellschaften Detecon (Beratung) und T-Systems Multimedia Solutions einbezogen. Gemeinsam mit unseren Kunden, in Ko-Innovation, erarbeiten wir Machbarkeitsanalysen, „Proof of Concepts“, und liefern nach dem Motto „succeed or fail fast“ innerhalb überschaubarer Zeit- und Kostenhorizonte pragmatische Lösungen.

ICTkommunikation: Wie schaffen Sie es, T-Systems so umzubauen, dass Sie für die kommenden Umsatztreiber auch die richtige Mannschaft an Bord haben?

Stefano Camuso: Viele T-Systems-Mitarbeitende sind schon sehr lange bei uns. Das spricht für uns als Arbeitgeber. Wir schaffen es auch immer wieder, ausgewiesene Experten aus der Branche zu uns an Bord zu holen. In der Lehrlingsausbildung und dazugehörigen Young Professionals Programm sind wir top. Vor allem im Umsatztreiber „Digital Solutions“ haben wir uns eine Organisationsform gegeben, in der die Kompetenzen dreier bis anhin separater am Markt agierender Organisationen gebündelt sind. Indem wir das Beratungsgeschäft der Detecon, das digitale Know-how der T-Systems Multimedia Solutions und die digital ausgerichteten Bereiche der T-Systems System Integration zusammenführen, sind wir einer der wenigen Digitaldienstleister, die Beratung, Implementierung und Betrieb digitaler Lösungen aus einer Hand anbieten können. Das verspricht spannende Co-Creation-Projekte für Consultants, Applikationsentwickler, Projektmanager und jeden, der Freude hat an innovativen Kundenprojekten. Wir bieten diesen Spezialisten eine „Spielwiese“, auf der sie sich mit mehr als 4'800 Experten weltweit und rund 80 in der Schweiz austauschen und messen können.

ICTkommunikation: Welche Themen brennen den Anwenderunternehmen aus Ihrer Sicht aktuell am meisten auf den Fingern?

Stefano Camuso: Neben der Digitalisierung, die wir mit unseren Digital Solutions adressieren, ist es im Bereich Cloud & Infrastruktur vor allem das Thema Multi-Cloud. Viele Unternehmen haben für verschiedene Anwendungen bereits mannigfaltige Cloud-Lösungen im Einsatz und müssen diese nun integrieren und managen. Dafür bieten wir Lösungen, indem wir als Single Point of Contact für den Kunden agieren und die Cloud-Services für ihn betreiben. Wir beobachten einen verstärkten Trend hin zur Public Cloud, wie wir sie mit unserer Open Telekom Cloud anbieten. In diesem Zusammenhang, aber auch generell im Zuge der Digitalisierung wächst die Bedeutung von Cyber Security und Datenschutz. Daher haben wir diesem Thema auch einen eigenen Geschäftsbereich gewidmet. Im Bereich SAP ist es vor allem der Übergang zu SAP S4/Hana, der die Unternehmen beschäftigt. Wer sich fit für Innovation machen will, sollte die Migration auf die neue Plattform nicht auf die lange Bank schieben. Die Evaluation, das Design und die Implementation sind dermassen komplex, dass kaum ein Unternehmen dies allein bewältigen kann. Wir haben bereits Praxiserfahrung und einschlägige Referenzen. Unsere SAP-zertifizierter Experten beherrschen auch die Methodiken für das Prozess-Reengineering, das mit dem Umstieg zwingend einher gehen sollte, damit das Potenzial von SAP Hana überhaupt erschlossen werden kann. Neben all diesen drängenden Zukunftsthemen bleibt natürlich auch unser klassisches Outsourcing-Geschäft sehr relevant für uns.

ICTkommunikation: Wie verändern sich denn das IT-Outsourcing und das IT-Dienstleistungsgeschäft mit der fortschreitenden Digitalisierung? Wo sehen Sie für sich und T-Systems in diesem Kontext die grössten Herausforderungen?

Stefano Camuso: Unsere Kunden wollen zunehmend einen Outsourcing-Partner, der sie im klassischen IT-Betrieb unterstützt, aber auch gleichzeitig in die Digitalisierung begleiten kann. Und auch das Outsourcing selbst verändert sich: Es werden zwar noch immer die grossen Outsourcing-Deals ausgeschrieben, wie gerade erst bei V-ZUG, den wir gewinnen konnten. Doch daneben gibt es viele kleinere Auslagerungsprojekte, in denen nur Teilbereiche der IT an einen Dienstleister übergeben werden. Die Kosten waren schon immer ein grosses Thema. Wir bauen unser Nearshore-Angebot aus und gehen viel mehr in die Automatisierung und Standardisierung, um wettbewerbsfähig zu sein. Auch die Cloud verschafft Kostenvorteile, neben der Flexibilisierung und Innovationskraft, die ihr Einsatz bietet. Geschwindigkeit und Komplexität sind die grössten Herausforderungen. Wir müssen uns selbst ständig neu erfinden und schneller als die Konkurrenz transformieren, unser Ökosystem an Partnern ausbauen, innovativ im Digitalgeschäft sein und quasi nebenher die zunehmend komplexeren Lösungen unserer Kunden zuverlässig, kosteneffizient und sicher betreiben.

ICTkommunikation: Welche Branchen verändern sich derzeit am stärksten und schnellsten?

Stefano Camuso: Jede Branche muss sich mit der Digitalisierung und dem Wandel ihrer Geschäftsmodelle auseinandersetzen, der von digitalen Technologien ausgeht. In der Industrie ist das Internet der Dinge das grösste Thema; wir waren letztes Jahr das erste Mal erfolgreich auf der Sindex und haben innovative IoT-Lösungen, unter anderem eine industrielle Blockchain-Anwendung und PLM-Lösungen aus der Cloud, präsentiert. Logistik und Mobilität sind zwei weitere Bereiche, in denen wir langjährige Erfahrungen haben und mit unseren Kunden mit Technologien wie Blockchain, Cloud, Big Data, intermodale Mobilität, Connected Car und ähnlichem experimentieren. Smart Home, Smart Factory, Smart City: dieselben Technologien entfalten ihre Wirkung in unterschiedlichen Branchen, aber letztendlich geht es immer darum, zu vernetzen, Daten zu erheben, auszuwerten, Muster zu erkennen und smarte Entscheidungen, effizientere Prozesse und neue Geschäftsmodelle zu ermöglichen.

ICTkommunikation: In welchen Bereichen haben Sie aktuell den grössten Bedarf an Fachpersonal und wie kommen Sie generell an die nötigen Fachkräfte heran, was ja im Moment nicht so einfach scheint?

Stefano Camuso: Den grössten Bedarf haben wir im Moment im Engineering und Consulting. Java und SAP sind sehr gefragt. T-Systems und seine Tochterfirmen beschäftigen derzeit in der Schweiz ca. 200 Experten in der Beratung und Systemintegration, im Outsourcing sind es knapp 450. Was wir bieten können, sind spannende und zukunftsweisende Projekte in einem internationalen Verbund, in dem wir Teil der rund 200'000 Mitarbeitenden zählenden Deutschen Telekom sind. Unser Unternehmen investiert gut 700 Mio. Euro in Innovation jedes Jahr und ist – auch wenn das in der Schweiz nicht so wahrgenommen wird – immer unter den Pionieren. Wir haben uns als erstes Unternehmen einen Code of Conduct für den Umgang mit Künstliche Intelligenz gegeben, wir legen sehr viel Wert auf Workforce Transformation, so dass es sogar eine solche HR-Funktion in der Schweiz gibt, wir sind vernetzt mit Universitäten und Hochschulen in der Schweiz und wir sind als Arbeitgeber attraktiv. Wer Wandel als Chance begreift und etwas bewegen will, ist bei uns richtig.

ZUR PERSON:
Stefano Camuso steht seit dem 1. Mai 2017 als Managing Director an der Spitze von T-Systems Schweiz. Bevor der gebürtige Schweizer zu T-Systems Schweiz wechselte, arbeitete er bei Avaya, zuletzt in der Position des Regional Sales Leader. Camuso blickt auf eine langjährige Karriere in der ICT-Branche zurück, wovon er über 10 Jahre für EMC tätig war. 2012 übernahm er als Managing Director die Leitung der Schweizerischen Landesgesellschaft von EMC.

Der T-Systems-Schweiz-Chef studierte Business Administration in Bern und erlangte den EMBA an der Universität Fribourg. Seine Laufbahn begann der Vater zweier Kinder vor über 20 Jahren als IT-Projektmanager bei mehreren Unternehmen wie beispielsweise Digital Equipment und Softlab.

Stefano Camuso, Managing Director T-Systems Schweiz (Bild: zVg)
Stefano Camuso, Managing Director T-Systems Schweiz (Bild: zVg)