Symbolbild: Pixabay/ Geralt

Um dem gravierenden weiblichen Fachkräftemangel im MINT-Bereich entgegenzuwirken, hat die OST (Ostschweizer Fachhochschule) ein neues Forschungsprojekt entwickelt und implementiert entsprechende Massnahmen in den MINT-Unternehmen Bühler, Inficon, Linde Kryotechnik, Liip und Ruag, um mehr Frauen für MINT-Berufe zu gewinnen und langfristig zu binden.

Trotz bester Karrierechancen entscheiden sich laut Mitteilung der OST noch immer nur rund 20 Prozent der Frauen für eine Ausbildung im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik). In den letzten zehn Jahren habe sich trotz vieler Förderprogramme kaum etwas daran geändert. Und die Schweiz gehöre weiterhin zu den OECD-Ländern mit dem tiefsten Frauenanteil in MINT-Berufen. Dazu komme, dass Frauen MINT-Berufe häufig wieder verlassen.

Das neue Forschungsprojekt des Instituts für Gender und Diversity (IGD) der OST erforscht die gegenwärtige Situation der Frauen in der MINT-Branche. Zusammen mit den betroffenen Frauen und MINT-Unternehmen werde untersucht, wie attraktivere Arbeitsplätze in der MINT-Branche unter Einbindung des New Work-Gedankens geschaffen werden könnten, wird in einer Aussendung dazu betont. Ziel sei es, die Erkenntnisse bis 2025 in fünf Partnerunternehmen durch gezielte Massnahmen in die Praxis umzusetzen. Das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) unterstützt demnach das Projekt mit Finanzhilfen.

"Gemeinsam mit unseren Projektpartner/innen wollen wir die Möglichkeiten und die veränderte, offenere Haltung gegenüber einer neuen Arbeitsgestaltung nutzen, um dem weiblichen Fachkräftemangel in der MINT-Branche zu begegnen und neue Lösungsansätze zu schaffen", erläutert dazu Prof. Alexandra Cloots, Institutsleiterin des IGD. "New Work" bezeichne die Transformation der Arbeit mit dem Ziel, dass diese sinnstiftend, frei, selbstbestimmt und sozialkompetent im Sinne der Organisation stattfinden könne. Zentral sei somit die Ausgestaltung der Arbeit und Entwicklung neuer Arbeitsformen. In vielen Unternehmen der MINT-Branche bestehe Handlungsbedarf, Arbeitsplätze für weibliche Fachkräfte attraktiver zu gestalten, um innovations- und wettbewerbsfähig zu bleiben. Ansonsten gehe der MINT-Branche viel Potenzial verloren. Bernhard Andreaus, Geschäftsführer der Inficon, sieht die Teilnahme an dem Projekt als eine Investition in die Zukunft: "Inficon gestaltet mit, widmet sich den technischen Köpfen von morgen und fördert den technologischen Fortschritt. Wir legen besondere Betonung auf die Förderung von Frauen, die ihr Potenzial im technologischen Fortschritt entfalten möchten."

Ziel des Forschungsprojekts sei es, den Arbeitsrahmen basierend auf den Bedürfnissen der weiblichen MINT-Fachkräfte zu gestalten. Die Partnerunternehmen des Projekts erhalten demnach spezifisch entwickelte Massnahmen, die begleitet durch das Projektteam erarbeitet und in den Unternehmen umgesetzt werden sollen. Zu den beteiligten Unternehmen gehören laut Info bisher Bühler, Inficom, Liip, Linde Kryotechnik und die Ruag. "Mithilfe der empirischen Erkenntnisse des Forschungsprojekts werden wir zusätzliche Instrumente ausarbeiten und implementieren, die uns langfristig den Gewinn von mehr weiblichen Fachpersonen für unser Unternehmen ermöglichen", zeigt Debora Saracino, Employer Branding Specialist bei der Ruag, auf. Die Umsetzung in den Unternehmen soll gewährleisten, dass die Massnahmen nachhaltig und über das Projektende hinweg in den Unternehmen verankert würden. Dieses Ziel strebe auch Beatrice Bütler, Head of Human Resources der Linde Kryotechnik, an: "Wir möchten auch in Zukunft für weibliche Fachkräfte ein attraktiver Arbeitgeber bleiben," so die HR-Managerin.

In Workshops sollen die Unternehmen zudem vom gegenseitigen Austausch profitieren können. "Wir hoffen, einen Informationsaustausch darüber führen zu können, auf welche Massnahmen andere Unternehmen in diesem Bereich setzen und was wir von ihnen lernen können, um einen höheren Anteil an weiblichen Fachkräften anzuziehen und zu halten", betont denn auch Sebastian Kubik, Head of Engagement, Diversity & Inclusion, bei Bühler.

Um dieses Projektziel zu erreichen, führen Alexandra Cloots und Sara Juen des IGD schweizweit eine quantitative Online-Umfrage mit weiblichen Lernenden, Studentinnen und Berufseinsteigerinnen in MINT-Berufen durch. Ziel sei es, die Bedürfnisse und Erwartungen von Frauen, die zukünftig in MINT-Fachbereichen arbeiten, zu erheben. Ergänzend würden Interviews mit Mitarbeiterinnen der beteiligten Unternehmen und mit Berufsaussteigerinnen geführt. Anhand der Sicht der erfahrenen Arbeitnehmerinnen könne dann festgestellt werden, welche Veränderungen in den Unternehmen notwendig seien, damit Frauen langfristig in MINT-Berufen bleiben wollen. Die Bedürfnisse der Berufseinsteigerinnen, der erfahrenen Arbeitnehmerinnen und Berufsaussteigerinnen sollen in einer Analyse verglichen werden.

Von der Theorie in die Praxis

Die Ergebnisse dieser Analyse sollen mit dem Status quo der beteiligten Unternehmen verglichen werden. Indem untersucht werde, welche Bedürfnisse und Erwartungen die Unternehmen bereits erfüllen und welche nicht, würden Empfehlungen und Massnahmen für und mit den Unternehmen ausgearbeitet und implementiert werden, heisst es. Dadurch sollen attraktivere Arbeitsplätze für weibliche Fachkräfte geschaffen werden. Darauf ziele auch Denis Haramincic, Business Development der Liip, ab: "Wir sind zuversichtlich, mit dieser Forschungsarbeit neue oder andere Möglichkeiten zu eruieren, mit denen wir unsere Rahmenbedingungen weiter optimieren können."

Darüber hinaus soll ein Empfehlungskatalog mit den Kooperationspartner/innen des Projekts erstellt werden. Dieser Katalog soll publiziert werden und MINT-Unternehmen, die nicht am Projekt beteiligt sind, bei der Herausforderung des weiblichen Fachkräftemangels unterstützen. Die folgenden Kooperationspartner/innen fungieren als Sounding Board und unterstützen das Projekt kommunikativ: rockt!, CCDI – Center for Diversity & Inclusion der Universität St.Gallen, Swissmem, SVIN – Schweizerische Vereinigung der Ingenieurinnen, SATW, Swiss TecLadies und Techface.