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Nachdem Grossbritannien den russischen Geheimdienst (GRU) der Cyberspionage bezichtigt hat, hagelt es von zahlreichen anderen Staaten ebenfalls heftige Kritik gegen die Russen. Europäische Staaten, die USA und Kanada, sowie Australien und die Nato stellten sich gegen die "leichtsinnigen" Hackerangriffe des russischen Geheimdienstes – Vorwürfe, die Moskau kategorisch zurückweist.

Zunächst erneuerte am Donnerstag die britische Regierung ihre Vorwürfe und berief sich dabei auf eine Bewertung ihres Nationalen Cybersicherheitszentrums. GRU sei etwa mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in die Hackerattacke „Badrabbit“ und den Angriff auf die Welt-Anti-Doping-Behörde (WADA) 2017, auf die US-Demokraten 2016 und den Diebstahl von E-Mails eines TV-Senders in Grossbritannien 2015 involviert. Diese Aktivitäten seien „leichtsinnig und wahllos“, so der britische Außenminister Jeremy Hunt.

Starke Vorwürfe kamen am Donnerstag auch aus Den Haag: Die niederländischen Sicherheitsbehörden verhinderten nach eigenen Angaben einen Angriff russischer Hacker auf die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW). Der Angriff sei im April von russischen Agenten geplant gewesen, teilte Verteidigungsministerin Ank Bijleveld in Den Haag mit. Vier russische Staatsangehörige mit Spionageausrüstung wurden dem militärischen Abwehrdienst zufolge am 13. April in einem Hotel in der Nähe der OPCW festgenommen und nach Russland ausgewiesen. Laut Bijleveld gelang es ihnen nicht, in die OPCW-Systeme einzudringen. Die niederländischen Behörden hätten Laptops und Handys der Spione beschlagnahmt und untersucht, erklärte Bijleveld. Daraus sei deutlich geworden, dass auch Hackerattacken in der Schweiz und auf die strafrechtliche Untersuchung zum Abschuss des Passagierfluges MH17 geplant waren. Im Kofferraum des Autos fanden die Behörden Spezialgeräte für Hackerangriffe. Der niederländische militärische Geheimdienst machte nun die Fotos und Namen aller vier Männer bekannt. Bijleveld forderte Russland zur Einstellung seiner Cyberaktivitäten auf. Sie zielten darauf ab, westliche Demokratien zu „untergraben“. Die unabhängige OPCW untersuchte zum Zeitpunkt der Ausweisung unter anderem Vorwürfe von Chemiewaffeneinsätzen im syrischen Bürgerkrieg und das für den Anschlag auf Skripal in Grossbritannien verwendete Gift.

Neben Grossbritannien und den Niederlanden werfen auch die USA Russland schwerwiegende Cyberattacken vor. Das US-Justizministerium verkündete am Donnerstag in Washington eine Anklage gegen sieben Agenten des russischen Militärgeheimdienstes GRU. Ihnen wird unter anderem vorgeworfen, sie hätten Informationen internationaler Anti-Doping-Behörden gehackt, vertrauliche Daten gestohlen und diese als Teil einer Desinformationskampagne veröffentlicht – um das Vorgehen der Behörden gegen russische Athletinnen und Athleten wegen Dopingvorwürfen zu unterlaufen. US-Justizminister Jeff Sessions erklärte, staatlich gesteuerte Hackeraktionen und Desinformationskampagnen seien eine ernste Bedrohung für die US-Gesellschaft und die Sicherheit des Landes.

In die Offensive ging auch Kanada: Zu russischen Zielen gehöre eben auch die in Montreal ansässige WADA, erklärte das Aussenministerium in Ottawa. Die kanadische Regierung sei ebenfalls überzeugt, dass der russische Militärgeheimdienst GRU für Attacken verantwortlich sei.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg forderte Moskau auf, „sein rücksichtsloses Verhalten zu stoppen“. Die Nato-Verbündeten unterstützten das Vorgehen, „Russland wegen seiner unverhohlenen Versuche, internationales Recht und Institutionen zu untergraben, blosszustellen“. Die USA sicherten zudem der Nato zu, ihre Fähigkeiten im Kampf gegen Cyberangriffe zu teilen.

Auch die EU verurteilte Russlands Vorgehen und will sich beim EU-Gipfel Mitte Oktober mit dem Thema Cybersicherheit befassen. EU-Ratspräsident Donald Tusk kündigte an, das Thema auf die Tagesordnung zu setzen. Tusk verglich Russland mit der Sowjetunion. „Der sowjetische Geist ist noch immer am Leben“, sagte er. Das habe auch die Nervengiftattacke in Salisbury gezeigt. Tusk, EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini sprachen in einer gemeinsamen Erklärung von einer „feindlichen Cyberoperation“ des GRU auf die OPCW.

Russland weist wie immer jede Schuld an den Cyberangriffen zurück. Eine Sprecherin des Aussenministeriums in Moskau sprach von einem „teuflischen Cocktail an Anschuldigungen“. London habe keine echten Beweise für die Anschuldigungen präsentiert. Die Fantasie der britischen Behörden kenne keine Grenzen mehr. „Hier wird einfach alles vermischt: GRU, Cyperspione und Kremlhacker."