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Der automatisierte Verkehr fasziniert und irritiert. Die Meinungen gehen auseinander, auf den Plätzen, auf den Podien, in den Medien. Ich bin überzeugt, dass das autonome Auto nichts in den Innenstädten verloren hat. Zu viele Dinge, Lebewesen und Ereignisse, die es zu beurteilen hat, zu viele Situationen, in denen Kommunikation gefragt ist, ein Handzeichen, ein Blickkontakt. Der hoch- und vollautomatische bzw. autonome PKW gehört auf die Autobahn. Dort trägt er dazu bei, die Zahl der Unfälle zu reduzieren. Und gerät kaum in Situationen, in denen er moralische Urteile fällen und z.B. zwischen menschlichen Opfern entscheiden müsste.

Gastbeitrag von Oliver Bendel, Professor für Wirtschaftsinformatik und für Informations- und Maschinenethik an der Hochschule für Wirtschaft FHNW

Es gibt zwei Tricks, mit denen automatisiertes Fahren gleichwohl innerorts stattfinden kann. Man reduziert das Tempo erheblich. Und man zwingt das Fahrzeug in bestimmte Bahnen. Beide Tricks eignen sich nur bedingt für PKWs. Wenn man sich mit 10 km/h durch Berlin bewegt, kommt man vielleicht nie an. Autonome Autos könnten spezielle Spuren benutzen, zudem eigene Tunnels und Brücken. Dafür müsste man freilich die Städte umbauen, sie an die Maschinen anpassen, sie diesen unterordnen. Das haben wir leider schon einmal gemacht. Bis wir die Fussgängerzonen entdeckt und den Menschen insgesamt wieder mehr Raum gegeben haben.

Beide Tricks werden auf einen Kleinbus angewandt, der in Sion im Wallis seine Runden dreht, das Smartshuttle von Postauto Schweiz. Es ist grundsätzlich langsam unterwegs, ganz langsam im gemischten Betrieb, zusammen mit Fussgängern und Fahrradfahrern. Auf einem virtuellen Gleis. So ist es berechenbar. Es ist auch sichtbar, durch die Signalfarbe der Post (ein dritter Trick). Und das alles in einem Städtchen, wobei es auch durch Zürich-Altstetten rollen könnte (und tatsächlich probieren die VBZ dort, auf einem Areal der Werkstätte, das Self-e-Shuttle aus).

Für Touristen ist das Smartshuttle das ideale Fortbewegungsmittel. Es stört sie nicht, dass sie damit gemächlich unterwegs sind, im Gegenteil. Innen ist es freundlich und modern gestaltet. Man fühlt sich sicher in ihm, ob man steht oder sitzt. Anders als ein Tesla oder Mercedes muss es nicht intelligent sein. Es genügt, wenn es seine Laserstrahlen auf die Umgebung abfeuert und so ein Modell der Aussenwelt erstellt, um zu stoppen, sobald es ein Hindernis erkennt. Und sich ansonsten an die verfügbaren Karten und festgelegten Strecken hält.

Ich durfte einst auf einer Teststrecke bei Bern mit dem Smartshuttle fahren. Das Projekt wird von Postauto zielstrebig und unaufgeregt vorangetrieben. Man hat die Praxis im Wallis und will diese übertragen und ausweiten. Wir haben darüber gesprochen, wie man den Kleinbus kommunizieren lassen könnte. Nicht bloss im Innenraum – das kriegen schon andere hin –, sondern auch im Aussenbereich, über Hupen und Scheinwerfer hinaus. Man könnte das Display an der Front verwenden, Smileys, Emojis und andere Zeichen einblenden. Aber die Gesetzeslage ist diesbezüglich nicht einfach.

Was ist mit den Landstrassen? Die einen halten sie für autonome Autos kaum beherrschbar, wegen der Kreuzungen, der Kurven, der möglichen Geschwindigkeit, der uneinheitlichen und sich verändernden Bebauung und Bepflanzung am Rand, wegen der kreuzenden Tiere. Die anderen halten sie für bezwingbar, irgendwo zwischen Autobahnen und Innenstädten gelegen.

Die Tiere sind mein grosses Thema innerhalb der Maschinenethik. Ich konzipiere Systeme, die Regeln einhalten, die moralisch begründet sind. Zum einen Chatbots (wir haben gute und böse geschaffen). Zum anderen eben tierfreundliche Maschinen. Meine Autos, die auf dem Papier existieren, bremsen auch für Tiere. Nicht nur für grosse, das kann ein Tesla oder Mercedes bereits, sondern auch für kleine, für Kröten und Igel. Auf Landstrassen und Autobahnen. Aber nur, wenn keine Menschen gefährdet werden. Davon, dass man das Auto für diese "moralisiert", halte ich nichts. Rentner oder Kind? Das ist keine Frage für ein Auto.
Hoch- und vollautomatisiertes bzw. autonomes Fahren ist die Zukunft. Doch nicht in jeder Weise und nicht an jedem Ort. Für Tourismusregionen bietet es sich an. Smarte Shuttles werden sich dort unaufhaltsam verbreiten.

Zum Autor
Prof. Dr. Oliver Bendel lehrt und forscht an der Hochschule für Wirtschaft FHNW, mit den Schwerpunkten Wissensmanagement, Wirtschaftsethik, Informationsethik und Maschinenethik. Zuletzt sind von ihm "Die Moral in der Maschine" (Heise Medien) und "300 Keywords Informationsethik" (Springer Gabler) erschienen. Weitere Informationen über www.oliverbendel.net, www.informationsethik.net und www.maschinenethik.net.

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Oliver Bendel, Professor für Wirtschaftsinformatik und für Informations- und Maschinenethik an der Hochschule für Wirtschaft FHNW (Bild: zVg)