Marc Ender, Manager Solutions Engineering, Netapp

Die auf Cloud- und Daten-orientierte Software ausgerichtete Netapp führt Systeme, Software und Cloud-Services im Portfolio, mit denen Unternehmen ihre Applikationen vom Datacenter bis in die Cloud betreiben können, ohne Unterschied, ob die Applikationen in der Cloud entwickelt oder in die Cloud verschoben werden, oder ob Unternehmen ihre eigenen Cloud-ähnlichen Umgebungen lokal aufbauen. Im Gespräch mit ICTkommunikation verrät Marc Ender, Manager Solutions Engineering, Netapp, wie sich die geschäftlichen Bedingungen im Zuge der Corona-Krise verändert haben, was Netapp konkret unter dem Konzept "Data Fabric" versteht und wohin sich die Entwicklungen im Data- und Storage-Bereich mittelfristig entwickeln.

Interview: Karlheinz Pichler

ICTkommunikation: Die obligatorische Frage zu Beginn: Was für Auswirkungen hat die Corona-Krise bislang auf das Business von Netapp in der Schweiz und wie sind Ihre Unternehmenskunden davon betroffen?

Marc Ender: Remote Working war für uns als Firma grundsätzlich nichts Neues. Wir waren deshalb für den Lockdown weitgehend gerüstet und konnten unsere Arbeit trotz der Corona-Pandemie annähernd wie gewohnt fortführen. Wesentlich stärker betroffen von den einschneidenden Massnahmen waren hingegen unsere Kunden: Sie mussten wir dazu motivieren, zusätzliche Investitionen zu tätigen, um mit der Situation zurechtzukommen. Das war nicht immer leicht, denn von heute auf morgen alle Arbeitsplätze ins Homeoffice zu verlegen, ist keine einfache Aufgabe. Im Grunde sind es heute längere Entscheidungszeiten und Extrarunden in den Kundenprojekten, die das Geschäft nun beeinflussen.

ICTkommunikation: Einen neuerlichen kompletten Lockdown versucht man möglichst zu vermeiden. Was für Themen stehen in den kommenden Wochen und Monaten bei Ihnen ganz oben auf der Prioritätenliste? Und wie gestaltet sich in Anbetracht der Lage die Zusammenarbeit mit Ihren Partnern?

Marc Ender: Die Lage ist natürlich alles andere als entspannt. Unsere Sales-, Presales- und Postsales-Mitarbeiter dürfen zwar auf Kundenbesuch, doch alles erfolgt unter strengen hygienischen Sicherheitsmassnahmen. Dasselbe gilt für die Partner. Die „neue“ Zusammenarbeit erfordert ungleich mehr Abstimmung, Calls und virtuelle Meetings als früher, doch sie läuft inzwischen problemlos. Im Vordergrund der meisten Kundentreffen stehen derzeit Themen wie Cloud, Sicherheit und Datenmobilität. Die Erfahrung mit der Pandemie und dem Lockdown hat dabei ganz deutliche Spuren hinterlassen: Wo wir mit der Cloud früher oft noch auf Widerstand stiessen, erreichen uns heute mehr und mehr direkte Anfragen für Datenmanagementlösungen mit Hybrid-Cloud-Architekturen.

ICTkommunikation: Mit welchem Zeithorizont rechnen sie, bis wieder "alles beim Alten" ist?

Marc Ender: Das ist schwierig zu sagen, ich masse mir da als Laie kein Urteil zu. Es zeichnet sich aber doch ab, dass es länger dauern könnte, als zunächst erhofft. Die Frage lautet vielleicht sogar: Wird alles überhaupt jemals wieder, wie es mal war?

ICTkommunikation: In Bezug auf das Handling von Unternehmensdaten spricht Netapp immer wieder von der „Data Fabric“. Was für Bereiche subsumieren sie denn alles unter diesen Begriff?

Marc Ender: Die Data Fabric ist kein Produkt oder Service, den man direkt kaufen kann. Sie ist vielmehr eine strategische Ausrichtung unseres Portfolios, die Verknüpfung einzelner Produkte und Lösungen. Die Data Fabric entsteht letztlich beim Kunden als das Ergebnis der auf den Kunden zugeschnittenen Lösung, die sich aus On-Premises- und Privat- und Public-Cloud-Teilen zusammensetzt. Das Ziel einer Data Fabric ist grenzenlose Datenmobilität: die richtigen Daten verfügbar zu machen am richtigen Ort und zur richtigen Zeit. Netapp-Lösungen ermöglichen es, Unternehmensdaten einfach von A nach B zu verschieben – vom eigenen Rechenzentrum irgendwo in die Cloud und zurück; egal, ob strukturierte oder unstrukturierte Daten, virtuelle Server oder Desktops, Backup- oder Archive. Überall finden dabei dieselben Prozesse Verwendung.

DAS ZIEL EINER DATA
FABRIC IST GRENZENLOSE
DATENMOBILITÄT!
(Marc Ender)

ICTkommunikation: Mit dem Entscheid eines Unternehmens für die Cloud ändert sich nicht nur der Bezug von IT, sondern es verändern sich auch die organisatorischen Abläufe und die Kontrolle über die Unternehmensdaten. Gibt es ein Rezept, wie IT-Entscheider diese neuen Konstellationen strategisch unter einen Hut bringen können?

Marc Ender: Ein einfaches und allgemeingültiges Rezept gibt es meiner Ansicht nach nicht. Jede Firma hat ihren eigenen Umgang mit diesem Thema: Manche sind sehr unbedarft unterwegs und setzen auf simple Abläufe, andere wiederum verstecken sich fast schon hinter ihren Prozessen – und dazwischen existiert ein breites Spektrum. Wichtig ist, dass das Unternehmen auch über alle Grenzen einer hybriden Cloud-Architektur hinweg die volle Kontrolle über seine Daten behält. So kann es bestimmen, wie und wo die Daten gespeichert und wie sie beispielsweise vor Ransomware geschützt werden sollen.

ICTkommunikation: Wie können Daten und Workloads über mehrere Clouds hinweg verwaltet werden? Stichwort etwa Multi-Cloud?

Marc Ender: Dazu wird eine Software benötigt, die die verschiedenen Cloud-Systeme via APIs verbindet, darauf eine virtuelle Speicher-Infrastruktur als Appliance aufsetzt und verwaltet sowie alle Replikationsflüsse steuert und überwacht. Dies ist die Aufgabe von Netapp Cloud Manager, dessen Dashboard die Multi-Cloud grafisch abbildet und so eine Komplettübersicht über die gesamte Speicherarchitektur bietet. Die virtuelle Storage-Appliance erlaubt es uns, auf allen Teilsystemen der Speicherarchitektur – sowohl in der Public Cloud als auch auf On-Premises-Systemen – dasselbe Filesystem zu verwenden. Somit können Applikationen direkt auf alle Daten zugreifen und sie migrieren.

ICTkommunikation: Wie spielen Datenmanagement und Datenschutz zusammen?

Marc Ender: Datenmanagement und Datenschutz stehen grundsätzlich in einer sehr engen Beziehung zueinander. Der Schutz von Unternehmensdaten steht im Fokus des Datenmanagements. Das hat einen ganz einfachen Grund: Wenn Daten an verschiedenen Orten gespeichert werden sollen, müssen sie auch je nach Anforderungen des Kunden geschützt werden können. Dies gilt ganz besonders bei einer Migration der Daten in die Cloud: Hier muss der Schutz an oberster Stelle stehen.

ICTkommunikation: Arbeitet Netapp mit allen Hyperscalern zusammen (AWS, IBM, Google, Microsoft)? Bzw. zu welchen Hyperscalern ist die Zusammenarbeit besonders eng?

Marc Ender: Grundsätzlich kooperiert Netapp mit den drei grossen Hyperscalern AWS, Google Cloud und Microsoft auf gleicher Stufe. Wir wollen schliesslich unsere Lösungen in allen Cloud-Angeboten strategisch positionieren und behandeln deshalb alle Anbieter gleich. Der Umstand, dass für die diesjährige Insight – unsere jährliche Kundenveranstaltung – die CEOs aller von ihnen genannten Anbieter für einen Auftritt auf der virtuellen Bühne gewonnen werden konnten, verdeutlicht dieses Engagement. In Asien steht zusätzlich auch Alibaba im Fokus der Marktbearbeitung.

ICTkommunikation: Wie erfolgt bei Netapp das Zusammenspiel bei hybriden Multi-Cloud-Infrastrukturen mit den Partnern und Resellern?

Marc Ender: Wir sehen unsere Partner und Reseller als die ausführenden Instanzen für die Lösungen, die wir für die Kunden entwickeln. Während wir die Technologiegrundlage für die Multi-Cloud-Infrastrukturen liefern, stehen im Fokus der Partner komplettierende Themen wie Netzwerk und Sicherheit. Zudem bringt aber jeder Partner auch eigene Cloud-Kompetenzen in die Diskussion um die richtige Kundenlösung mit. So erbringen sie dem Endkunden einen Mehrwert auf Basis von Netapp-Technologie. Zudem haben die Partner oft eine direktere Einsicht in die Ausgangsalge und Bedürfnisse des Kunden.

ICTkommunikation: Wie hat sich eigentlich die Nachfrage nach HCI, also hyperkonvergenten Infrastrukturen in den letzten Monaten entwickelt - vor allem mit Blick auf die Schweiz?

Marc Ender: In den Monaten vor der Corona hatte sich die Nachfrage eingependelt, die Pandemie hat jedoch Cloud-Themen allgemein einen starken Boost verliehen. Mit der wachsenden Zahl von Cloud-Projekten und der Beliebtheit von Container-Plattformen ist auch die Nachfrage nach hyperkonvergierten Infrastrukturen gestiegen. HCI-Plattformen lassen sich auch bestens mit speziellen Angeboten der Hyperscaler verbinden wie etwa Google Anthos. Dabei handelt es sich um ein Framework von Google, mit dem Cloud-Services auch on-premises angeboten werden können. Wir registrieren grosses Interesse für solche Lösungen bei den Kunden.

"DIE PANDEMIE HAT
CLOUD-THEMEN ALLGEMEIN EINEN
STARKEN BOOST VERLIEHEN!"
(Marc Ender)

ICTkommunikation: Was bringen HCI-Lösungen den Anwenderunternehmen konkret? Warum schaffen sie sie an?

Marc Ender: HCI-Plattformen werden meist für den Einsatz von virtuellen Desktop- und Serverinfrastrukturen beschafft. Daher ist die Nachfrage in der aktuellen Situation besonders hoch: Es handelt sich schliesslich um eine Kernkomponente, um Angestellten die Möglichkeit für Home-Office bieten zu können. Abnehmer finden sich deshalb zurzeit vor allem unter mittelständischen Unternehmen, Stadtverwaltungen und Schulen. Aber auch grössere Unternehmen, etwa Pharmaunternehmen, setzen HCI-Plattformen ein. Sie verwenden sie oft im Rahmen einer weltweiten Ausstattung von Filialen mit neuer IT-Infrastruktur.

ICTkommunikation: Das israelische Unternehmen Ctera ist auf eine hybride Speicher-Technologie fokussiert, die lokale und Cloud-Angebote kombiniert. Dieser Ansatz wurde nun auch durch eine Alternative für NAS-Umgebungen ergänzt, mit der Unternehmen auf einer Full-Flash-Basis lokal und in der Cloud arbeiten können. Ctera erklärt NAS damit für veraltet und greift damit Netapp direkt an. Wie kommentieren und kontern Sie dieses Postulat?

Marc Ender: Da muss ich widersprechen: Wir sehen in Ctera keine Konkurrenz. Im Gegenteil: Wir haben sogar eine Technologiepartnerschaft mit Ctera geschlossen, um in enger Zusammenarbeit eine Cloud-Storage-Lösung für interne IT-as-a-Service- und externe Cloud-Services-Anbieter auf den Markt zu bringen. Die Lösung verbindet Cteras Cloud-Storage-Services-Plattform mit Netapps Objektspeichertechnologie und ermöglicht es den Diensteanbietern, schnell und einfach eine Vielfalt von Storage-as-a-Service-Angebote zu lancieren.

ZUR PERSON
Marc Ender leitet das Solutions Engineering Team und verantwortet das Cloud Solution Business bei Netapp Schweiz. Seit 2004 arbeitet er für diverse Grosskunden in allen Sparten und berät diese rund um die Themen Data Management und zukunftsweisende Hybrid Cloud Solutions. Darüber hinaus ist Marc Ender aktiv in Fachgremien im Bereichen Public Cloud.

Marc Ender, Manager Solutions Engineering, Netapp (Bild: zVg)
Marc Ender, Manager Solutions Engineering, Netapp (Bild: zVg)