Symbolbild: UTSA.EDU

Nach den Trialog-Marathon-Verhandlungen haben sich das Europäisches Parlament, der Rat der Europäischen Union und die Europäische Kommission in der Nacht auf Samstag auf einen politischen Kompromiss zum EU AI Act geeinigt. Der endgültige formale Beschluss erfolgt im kommenden Jahr. Der Geschäftsführer des deutschen Digitalverbandes Bitkom Bernhard Rohleder nimmt im nachfolgenden Gastkommentar zum Verhandlungsergebnis Stellung.

Gastkommentar von Bernhard Rohleder, Geschäftsführer Bitkom

Die Einigung zum AI Act ist ein politischer Schaufenster-Erfolg zu Lasten von Wirtschaft und Gesellschaft. Der erzielte Kompromiss schiesst insbesondere bei der Regulierung generativer KI über das Ziel hinaus und greift tief in die Technologie ein. Die EU bindet damit den Unternehmen einen regulatorischen Klotz ans Bein. Das Risiko ist gross, dass europäische Unternehmen durch nicht praxistaugliche Vorhaben der rasanten technologischen Entwicklung künftig nicht folgen können. So wurde unnötigerweise vom bislang angestrebten anwendungsbezogenen und risikobasierten Ansatz abgewichen. Die sogenannten General Purpose AI Models werden als Technologie an sich reguliert, unabhängig von der konkreten Anwendung. Zwar soll dabei das bewährte und grundsätzlich begrüssenswerte Instrument der verpflichtenden Selbstregulierung durch sogenannte Codes of Practice genutzt werden. Allerdings sind diese nur für einen geringen Teil der gesamten Anforderungen vorgesehen, der grösste Teil wird starr im Gesetz selbst fixiert. So besteht die Gefahr, dass dieses besonders wichtige KI-Feld durch Vorgaben eingeschränkt wird, die sich nicht an neue technologische Entwicklungen anpassen lassen. Wie schwierig solche notwendigen Änderungen werden dürften, haben bereits die Verhandlungen zum AI Act selbst gezeigt.

Bei diesem zentralen und hoch umstrittenen Thema wurde nun zwar auf dem Papier ein grundsätzlicher Kompromiss gefunden. Die grosse Herausforderung wird sein, die nächtliche Einigung als nächstes in praxistaugliche Regeln zu überführen, die eine Grundlage für den verantwortungsvollen Umgang mit KI schafft. Die Gefahr, dass wir Anwendung und Entwicklung von KI aus Europa verhindern, statt zu ermöglichen, besteht nach wir vor.

Die Erfahrungen mit der Datenschutz-Grundverordnung zeigen zudem, dass es nicht ausreicht, richtige Ziele auf Papier festzuhalten. Die Herausforderung ist, in der Praxis eine echte Balance zwischen Risikomanagement und Förderung von Innovation herzustellen. Europa hat die Chance, eine Vorreiterrolle bei der ethischen und verantwortungsvollen Entwicklung von KI einzunehmen. Aber dies erfordert auch eine unbürokratische und gut strukturierte Umsetzung des Rechtsakts. Dazu muss schon jetzt ein zielgerichteter Dialog zwischen allen Beteiligten begonnen werden. Unternehmen brauchen zügig Rechtssicherheit und praxisnahe Unterstützung bei der Umsetzung des AI Act.



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