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Weniger bekannte Unternehmen tun sich überaus schwer, sich für potenzielle und vor allem gute Arbeitnehmer attraktiv darzustellen. Weiterhelfen könnte hier das sogenannte Employer Branding.

Gastbeitrag von Dominik Rainer, Team Leader Permanent, und Patricia Harmann, Senior Consultant Permanent bei Hays (Schweiz) AG

Talentierte und qualifizierte Fachkräfte sind in der IT-Branche besonders knapp. Eine Besserung ist nicht in Sicht: Die Anzahl der Informatiker, die in der Schweiz ausgebildet werden, steigt kaum, während der Bedarf der Unternehmen stetig zunimmt. Quereinsteiger und Arbeitnehmer aus dem Ausland füllen die Lücken. Doch während Unternehmen wie Google keine Mühe haben, Talente für sich zu gewinnen, sind von weniger bekannten Firmen spezifische Anstrengungen gefragt. So hat das Marketing heute längst nicht mehr nur zum Ziel, potenzielle Kunden anzusprechen – immer öfter geht es dabei um potenzielle Arbeitnehmer. Aktionen in diesem Bereich werden mit dem Begriff Employer Branding umschrieben: die gezielte Steuerung der Art und Weise, wie ein Unternehmen am Arbeitsmarkt wahrgenommen wird.

Das Hauptziel des Employer Branding ist simpel: im Buhlen um die besten Arbeitskräfte die Konkurrenz abzuschütteln. Die aktive Markenbildung erhöht aber auch die Effizienz des Rekrutierungsprozesses und kann helfen, die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen und ihre Leistungsbereitschaft zu steigern. Nach den USA und Grossbritannien haben auch die Unternehmen des deutschsprachigen Raums den Wert des Employer Branding erkannt und stellen immer häufiger eigens für diese Aufgabe Mitarbeiter ein.

Warum wollen alle zu Google?

Seit vielen Jahren führt Google die Liste der beliebtesten Arbeitgeber an – und zwar nicht nur unter IT-Spezialisten und Ingenieuren, sondern sogar unter Wirtschaftsstudenten, wie eine Umfrage des Berliner Forschungsinstituts Trendence kürzlich gezeigt hat. Als Google im Januar 2011 ehrgeizige Wachstumspläne bekanntgab, trafen innerhalb einer Woche weltweit über 75 000 Bewerbungen ein. Von solchen Zuständen können andere Firmen nur träumen. Was aber macht Google als Arbeitgeber so beliebt?

Es sind eine ganze Reihe von Gründen. Der Konzern verlässt sich nicht darauf, als einflussreich, innovativ, erfolgreich und cool wahrgenommen zu werden, vielmehr bemüht er sich trotz seiner komfortablen Lage enorm um sein Image als Arbeitgeber. Neben attraktiven Sozialleistungen und zahlreichen Zuschüssen und Vergünstigungen streicht Google die Gemeinschaft heraus: Die Mitarbeiter sind beinahe eine Familie und finden im Büro fast alles, was sie im Leben brauchen. Die extravaganten Räume in Zürich bieten beispielsweise Flipperkästen und Tischfussball, Wii-Konsolen, Hängematten und einen Massageraum. Abends, nach getaner Arbeit, sieht man die Angestellten gemeinsam ein Bier trinken; mehrmals im Jahr werden Partys oder Grillabende veranstaltet. Die Arbeitstage mögen lang sein, können aber flexibel gestaltet werden.

Die jungen Leute, die sich bei Google bewerben, schätzen zudem das internationale Umfeld. Und dass Google sich die Besten der Besten auswählen kann, hat wiederum positive Auswirkungen: Man hat es bei Google mit hervorragend qualifizierten Kollegen zu tun, von denen man selbst etwas lernen kann.

Bekannte Namen ziehen Bewerber an

Die Markenbekanntheit eines Unternehmens ist bei der Rekrutierung von grossem Wert – solange die Marke positiv besetzt ist: Den grossen Banken etwa hat die Aufmerksamkeit auf dem Höhepunkt der Finanzkrise mehr geschadet als genützt. Zum einen hofft mancher Kandidat zu Recht, dass ihm der Name einer grossen Firma im Lebenslauf bei der späteren Karriere helfen wird. Zum anderen werden globale Konzerne in aller Regel auch mit hohen Löhnen, überdurchschnittlichen Sozialleistungen und guten Aufstiegschancen in Verbindung gebracht.

Auch innovative, weitverbreitete Produkte, wie etwa IBM sie anbietet, ziehen Bewerber an; oder eine aussergewöhnliche Persönlichkeit wie Steve Jobs, die einem Unternehmen anders als austauschbare Manager eine Identität verleiht. Eine grosse Bedeutung hat schliesslich der Standort des Unternehmens: In Zürich finden sich leichter Bewerber als in abgelegenen Regionen. Auch Beratungshäuser, die oft Reisebereitschaft voraussetzen, haben es schwerer.

Was kann ein unbekanntes mittelständisches Unternehmen tun?

Was aber, wenn ein Unternehmen keinen dieser Vorzüge aufweist? Kommt man mit einem Kandidaten erst einmal ins Gespräch, kann auch ein vordergründig eher langweiliges Unternehmen plötzlich attraktiv werden. Der „Universum Professional Survey 2011“ des internationalen Employer-Branding-Spezialisten Universum brachte nämlich zum Vorschein: Work-Life-Balance und die intellektuelle Herausforderung sind mit 56 und 52 Prozent der Nennungen mit grossem Abstand die wichtigsten Ziele im Berufsleben der Schweizer.

Zunächst gilt es sich bewusst zu machen, welche Leistungen und Werte das Unternehmen als Arbeitgeber auszeichnen und bestenfalls von der Konkurrenz unterscheiden. Von zentraler Bedeutung ist, dass diese Werte im Unternehmen tatsächlich vorhanden sind und gelebt werden – etwa flexible Arbeitszeitmodelle, grosse Freiräume und Eigenverantwortung oder Weiterbildungsmöglichkeiten. Es bringt nichts, sich alle möglichen Versprechen auf die Fahne zu schreiben, damit für jeden etwas dabei ist.

Für die konkrete Umsetzung des Employer Branding nimmt der Arbeitgeber sinnvollerweise die Perspektive des potenziellen Bewerbers ein: Was erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass er sein Dossier einschickt? Was schreckt ihn eher ab?

Zu den allgemeinen Massnahmen gehört die Werbung. Sie kann, muss sich aber nicht direkt auf die Rekrutierung beziehen. Wichtig ist allerdings, dass man bedenkt, wie man von den potenziellen Kandidaten gesehen werden möchte: Die Werbung trägt entscheidend dazu bei, ob ein Unternehmen als fortschrittlich oder altmodisch, attraktiv oder langweilig wahrgenommen wird.

Neben der Werbung ist das wichtigste Instrument eine optisch ansprechende, moderne und informative Website – denn diese wird der potenzielle Kandidat in jedem Fall besuchen. Ein veraltetes Design verspricht keinen guten ersten Eindruck. Eine weitere nützliche Plattform sind Messen, seien es Fachmessen wie die Cebit oder eigentliche Rekrutierungsmessen oder Absolventenkongresse an Universitäten. Die IT-Abteilung der ETH Zürich veranstaltet beispielsweise Kontaktpartys, an denen sich Firmenvertreter in einem verhältnismässig zwanglosen Rahmen mit Studenten und Absolventen treffen können. Gerade kleineren Unternehmen, deren Inhaber vielleicht sogar selbst an der ETH studiert hat, bietet sich hier eine hervorragende Gelegenheit, mit Kandidaten ins Gespräch zu kommen.

Je transparenter, desto fairer

Wenn man nicht mit qualitativ hochwertigen Spontanbewerbungen rechnen kann, ist im Normalfall das Stelleninserat der erste Kontakt zwischen Unternehmen und potenziellem Kandidaten. Oberstes Gebot sind hier eine aussagekräftige Überschrift und möglichst konkrete Inhalte. Statt etwa „Teamfähigkeit“ zu fordern, darf hier durchaus stehen: „Sie arbeiten in einem Viererteam.“ Bei der Aufzählung der Anforderungen hingegen hält man sich besser etwas zurück und beschränkt sich auf die Punkte, die wirklich unverzichtbar sind. Schliesslich will auch das Medium richtig gewählt werden: Im IT-Bereich sind die Stellenanzeiger von Printzeitungen nicht zu empfehlen.

Die Karriereseite der eigenen Unternehmenswebsite bietet im Idealfall mehr als die Publikation freier Positionen. Kandidaten freuen sich über Informationen zum Bewerbungsprozess oder mögliche Karrierewege sowie die Kontaktdaten eines kompetenten Ansprechpartners. Auch Rahmenbedingungen und Leistungen wie zusätzliche Urlaubstage, die Übernahme von Pensionskassenbeiträgen oder sogar die Gehaltsstruktur können – allenfalls auf Anfrage – offengelegt werden. Denn je transparenter ein Unternehmen kommuniziert, umso fairer und glaubwürdiger wird es wahrgenommen.

Der Bewerbungsprozess

Auch der eigentliche Auswahlprozess bietet jedem Unternehmen eine weitere Chance, sich als zuverlässig und sympathisch zu präsentieren. Jedem Bewerber sollte der Empfang der Unterlagen bestätigt und mitgeteilt werden, wann er mit einer Rückmeldung rechnen kann – eine Frist, die selbstverständlich eingehalten wird. Für Fragen aller Art muss ein kompetenter Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Spätestens beim Zweitgespräch sollten die Kandidaten das Team kennenlernen; denkbar sind auch ein Teamessen oder ein Schnuppertag.

Findet sich der Wunschkandidat, gilt es sich um ihn zu kümmern: indem man einen persönlichen Kontakt zu ihm aufbaut, ihm beispielsweise die Handynummer des direkten Vorgesetzten angibt, ihm bei der Entscheidung so viel Zeit einräumt, wie er benötigt, oder bei Bewerbern aus dem Ausland die Reisekosten übernimmt und für den Fall eines Umzugs in die Schweiz Unterstützung anbietet.

Und kommt der Vertrag mit dem Wunschkandidaten zustande, hat sich der Aufwand des Employer Branding gelohnt. Denn der Wettbewerb gerade im IT-Bereich findet heute zu einem grossen Teil auf dem Arbeitsmarkt statt.

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Bild: Fotolia