thumb

Beim Crowdfinancing geben viele kleine Investoren Geld, daraus wird ein grösserer Kredit und das Geld fliesst direkt zum Kreditnehmer, ohne Bank dazwischen. Im Sommer hat der Bundesrat neue Fintech-Regeln verabschiedet, die dieses System begünstigen. Über das Potential der "Schwarmfinanzierung" und ob die neue Regel tatsächlich Verbesserungen für Unternehmen bringen, diskutierte am Freitagabend im Zürcher Volkshaus unter dem Titel "Was sich die Bank nicht traut, macht die Crowd!" ein Podium, zu dem Fair Trade Pionierin Gebana geladen hatte. Dabei ging es auch um die Frage, ob viele Kleine die besseren Investoren im Bereich Nachhaltigkeit seien.

Die Gebana begann bereits vor Jahren mit Crowdfinancing. Damals sprangen während der Finanzkrise plötzlich institutionelle Geldgeber ab und hinterliessen eine Finanzierungslücke. Durch Darlehen von Privatpersonen konnte diese damals geschlossen werden, als jedoch klar wurde, dass die engen Regeln des Bankengesetzes dies gar nicht zuliessen, musste die Gebana viele Darlehen zurückzahlen: "Erlaubt waren nur 20 Kleininvestoren, wir hatten 500“, erklärt Adrian Wiedmer, Geschäftsleiter der Gebana.

Diesen Sommer nun hat der Bundesrat diesen Teil des Bankengesetzes angepasst, um der wachsenden Fintech-Branche mehr Spielraum zu geben. Seit dem 1. August gelten Publikumseinlagen bis zu einem Betrag von einer Million Franken nicht mehr als gewerbsmässig und sind folglich bewilligungsfrei möglich. Doch was bringt diese Lockerung des Bankengesetzes den Firmen wirklich? Wiedmer sagt: "Die Obergrenze von einer Million ist zu tief. Wir zum Beispiel haben dieses Potential bereits ausgeschöpft.“ Dies sieht auch Stefan Benkert, CEO und Co-Founder der 2015 gegründeten Crowdlending Plattform Creditgate24, so: „Viele Firmen brauchen mehr, die Grenze von einer Million ist aus der Luft gegriffen.“ Der deutsche Crowdfinance Experte Ralf Beck, Wirtschaftsprofessor an der Fachhochschule Dortmund, fasst es allgemeiner indem er sagt: „Ein Teil der Regulierung im Finanzbereich ist einfach überflüssig. Vieles dient nicht dem Schutz der Anleger, es sind Gesetze, die von Juristen gemacht werden und dem Schutz der Banken dienen."

Neben der gesetzlichen Einschränkung erlebt Crowdfinancing derzeit zumindest in der Schweiz auch eine Einschränkung bezüglich des Volumens. „Crowdfinancing steckt in den Kinderschuhen, zumindest in der Schweiz“, erklärt Benkert: „Das Volumen von Investoren ist noch klein.“ Für ihn gibt es dennoch einen entscheidenden Vorteil: „Das Geld fliesst direkter vom Geber zum Empfänger, das heisst auch, es bleibt weniger auf diversen Zwischenstationen hängen.“

Für Christoph Inauen, Mitgründer und Co-CEO des 2015 entstandenen Schokolade Startups Chobachoba, das sich ebenfalls über eine Crowd finanziert, sieht zudem in der Gewinnung von potentiellen zukünftigen Kunden einen weiteren grossen Vorteil: „Das grösste Potential von Crowdfinancing sehen wir darin, dass es ein tolles Tool zur Erschaffung einer ‚Community‘ ist. Viele der Unterstützer von unserer ersten Crowdfunding Kampagne 2015 sind heute noch Kunden“, erklärt Inauen.

Im kleinen Volumen sieht Christian Speckhardt von der Geschäftsleitung des Nachhaltigkeitsfonds Responsability jedoch gerade im Nachhaltigkeitsbereich das Problem: „Studien von UN und FAO reden heute von Finanzierungslücken von 83 Milliarden Dollar pro Jahr für den Bereich Landwirtschaft in Entwicklungsländern. Wer soll diese Lücke schliessen?“ Crowdfinancing sei sicher ein guter Ansatz, ohne die Banken ginge es aber rein vom Volumen her nicht auf.

Auch die Gebana nimmt die Dienste von nachhaltigen Investmentfonds wie Responsability in Anspruch. Wiedmer erläutert: „Für gewisse Bereiche, wo wir schnell grössere Mengen an Geld brauchen, zum Beispiel für die Vorfinanzierung von Ernten, sind solche Geldgeber wichtig.“ Der Preis für solche Dienstleistungen im risikobehafteten Landwirtschaftssektor sei allerdings hoch. Dieses Risiko ist es auch, dass ein Darlehen von einer klassischen Bank an ein Unternehmen wie Gebana, das in die Landwirtschaft in den schwierigsten Ecken der Welt investiert, unmöglich macht: „Da, wo wir arbeiten, braucht es längerfristige Perspektive und Mut“, betont Wiedmer. Den von Rendite getriebenen Banken fehle die langfristige Perspektive. Dabei wissen Speckhardt und Wiedmer aus Erfahrung, wie sie unterstreichen, dass Investitionen in Entwicklungsländern zwar risikoreich seien, aber durchaus auch rentabel sein könnten.

Im Bereich Risiko zeigt sich die Crowd ergo als bessere Investorin als die Banken. Ralf Beck weiss: "Rendite ist heute längst nicht mehr der einzige Grund, eine Investition zu tätigen. Immer mehr Menschen wollen, dass mit ihrem Geld etwas Sinnvolles gemacht wird. Und sie können mit Risiken umgehen und ihre Entscheidungen treffen, wenn sie entsprechend informiert werden." Deshalb plädiert Wiedmer dafür, dass der Regulator den Fokus auf transparente Kommunikation legen sollte statt mit willkürlichen Grenzen das nachhaltige Wirtschaften zu behindern: „Wir müssen von der Idee wegkommen, dass wir ein Leben ohne Risiko führen. Wer etwas bewirken will geht langfristige Risiken ein. Einzelpersonen haben das begriffen, Finanzinstitute jedoch sind gefangen im kurzfristigen Renditetunnelblick“. Wenn hier kein Umdenken stattfinde, bestehe die Gefahr, dass immer weniger Geld dahin fliesst, wo es am dringendsten benötigt werde und am meisten Wirkung entfalte. In der Folge würden schwache Entwicklung im Süden und Migrationsströme unsere sicher geglaubten Renditen wegfressen, egal wie sicher sie uns schienen. Crowdfinancing könnte Gegensteuer geben – aber dafür müsste der Trend den Kinderschuhen entwachsen und an Volumen gewinnen.

Die verschiedenen Formen von Crowdfinancing

Ralf Beck, Professor an der Fachhochschule Dortmund und Crowdfinance-Experte, erklärt die Unterschiede zwischen den verschiedenen Modellen: "Im klassischen Crowdfunding erhält man für sein Geld eine Belohnung. Ursprünglich wurde über Crowdfunding vor allem Produktlancierungen von Startups finanziert, indem der Kunde zahlte, bevor das Produkt produziert wurde. Inzwischen gibt es davon viele Varianten. Beim Crowdlending hingegen werden Kredite gesprochen, man hält als Geber nach der vereinbarten Laufzeit das Geld zurück. Crowdinvesting bezeichnet Investitionen ins Eigenkapital von Unternehmen. Crowdinvesting gilt als Geldanlage, Chancen und Risiko sind hoch und der Bereich ist stark reguliert."



Der Online-Stellenmarkt für ICT Professionals