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Handybauer weltweit müssen sich vor Nokia in Acht nehmen: Der angeschlagene Pionier verkauft sein traditionsreiches Mobiltelefongeschäft an Microsoft, hat aber seinen weltweit einzigartigen Patentschatz vor dem Zugriff der Amerikaner bewahrt. Der könnte nun zu Geld gemacht werden, indem Nokia den ehemaligen Rivalen Lizenzgebühren für die Nutzung seiner Erfindungen abknöpft. Vor allem Hersteller, die Googles Betriebssystem Android auf ihren Handys installieren, müssen sich auf Post aus Finnland einstellen. Ein Schritt, der Microsoft in die Strategie passt.

Microsoft legt für die Handysparte 3,8 Milliarden Euro auf den Tisch, und weitere 1,65 Milliarden Euro zahlen die Amerikaner, um die Patente von Nokia für zehn Jahre lang zu nutzen. "Das beinhaltet das Recht, die Erfindungen zu verwenden", sagte Microsoft-Chefjustiziar Brad Smith. "Das heißt nicht, dass die Patente den Besitzer wechseln." Die Lizenzvereinbarung könne unbegrenzt verlängert werden.

Technologie-Patente sind für Handyhersteller von zentraler Bedeutung: Der eigene Technikvorsprung lässt sich damit absichern und Rivalen müssen einen Obolus zahlen, wenn sie die Patente ebenfalls nutzen. In der Branche herrschte lange Zeit eine unausgesprochene Übereinkunft, sich nicht gegenseitig zu verklagen. Die Logik dahinter war, dass eine Klage auch eine Gegenklage provozieren könnte, die schlimmstenfalls die eigenen Fabriken lahmlegen könnte. Das Auftauchen von Patentverwaltern ohne Handyproduktion und die Klagefreude von Apple brachten die alte Ordnung zum Einsturz. Nokia hält als Technik-Pionier etwa 10.000 Patente.

Nokia habe viele seiner Patente bisher nicht breit lizensiert, sondern sein Handy-Geschäft damit vor Wettbewebern geschützt, erklärte Nokia in einer E-Mail. "Wenn wir nach der Transaktion mit Microsoft kein eigenes Handy-Geschäft mehr haben, könnten wir anfangen, einige der Patente zu lizensieren", fügte der Sprecher an.

Die Entscheidung von Microsoft, für die Nokia-Patente lediglich Gebühren zu zahlen anstatt sie kaufen, hat einen strategischen Hintergrund: Microsoft kassiert bereits von rund 20 Handybauern, die Android einsetzen, selbst Lizenzgebühren. Möglich ist das, da der US-Konzern im Laufe der Jahre eine umfangreiche Patentbibliothek aufgebaut hat. Microsoft geht dabei unnachgiebig vor, um die Kosten für Android-Telefone in die Höhe zu schrauben. Der US-Konzern versucht gleichzeitig, mit Windows Phone seine eigene Plattform im Handymarkt zu verankern. Bislang bliebt der Erfolg aus.

Im Krieg gegen Google könnte Microsoft nun Unterstützung erhalten: Die in die Eigenständigkeit entlassene Nokia-Patenttochter könnte selbst Geld für die Verwendung ihres geistigen Eigentums bei Handyherstellern eintreiben. Auch der Schritt dürfte vor allem Android treffen, da die Software mittlerweile auf vier von fünf verkauften Telefonen aufgespielt ist. "Es würde mich überhaupt nicht überraschen, wenn Nokia in den nächsten Monaten klagt", sagte ein hochrangiger Manager aus der Patentbranche, der mit beiden Unternehmen gearbeitet hat. Falls Microsoft die Nutzungsrechte direkt gekauft hätte, wäre der Doppel-Angriff auf Android zu auffällig gewesen, sagte er.

Der Markt für wichtige Handypatente boomt: Google kaufte den Handy-Vorreiter Motorola Mobility für 12,5 Milliarden Dollar hauptsächlich, um an den Patentschatz zu gelangen. "Da Nokia das Geschäft verkauft, aber die Patente behält, wird hinter den Kulissen etwas vorbereitet, um Werte zu Geld zu machen", sagte Michael Pierantozzi, Partner bei der auf Patente spezialisierten US-Unternehmensberatung Lumen SV. Nokia könnte auch darüber nachdenken, die Patente als Paket zu verkaufen, um einen Preis in der Größenordnung des Google-Motorola-Deals zu erhalten. Microsoft sei wohl nicht bereit gewesen, so viel zu zahlen, mutmaßt Pierantozzi.

Nicht nur Hersteller kommen dabei ins Visier: Der Patentverwalter IPCom nahm durch einen Vergleich mit der Deutschen Telekom einen niedrigen bis mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Betrag ein. Das sagten zwei mit der Sache vertraute Personen im Juli zu Reuters. Die Münchner Firma hatte zuvor rund 20 Gerichtsprozesse gegen den Bonner Konzern geführt. IPCom hat sich über Jahre mit wichtigen Mobilfunk-Patenten eingedeckt, ohne selbst ein operatives Geschäft zu treiben. Stattdessen verlangt das Unternehmen von Netzbetreibern und Handy-Herstellern Lizenzgebühren für die Nutzung seiner Technologien. Falls das nicht klappt, wird häufig geklagt. Das Geschäftsmodell ist umstritten: Die US-Regierung versucht, dem Treiben von sogenannten "Patent-Trollen" mit neuen Gesetzen Einhalt zu gebieten.