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Der Gotthard-Basistunnel ist nicht nur ein Zeugnis höchster Ingenieurskunst, sondern auch eines der ersten grossen Projekte, in dem modernste IoT-Technologie für eine völlig neue Bereitstellung wesentlicher Services sorgt. In dem Tunnel, der zu den anspruchsvollsten Betriebsumgebungen der Welt gehört, wird über ein Netz von IoT-Geräten rund um die Uhr die Sicherheit der Passagiere und Fahrzeuge sichergestellt.

Gastbeitrag von Laurent Moureu, General Manager bei ALE Switzerland

Der Gotthard-Basistunnel wird jeden Tag rund 9.000 Passagiere mit einer Geschwindigkeit von 250 Kilometern in der Stunde durch die Alpen transportieren. Ausserdem werden täglich bis zu 260 Güterzüge den Tunnel passieren, die wesentlich länger und schwerer sind als bisher.

Einschliesslich der Zugangsstollen und Quertunnel sind etwa 152 Kilometer Tunnel zu vernetzen. Dabei muss die Konnektivität in dem gesamten Bereich durch extrem zuverlässige IP-Netzwerke hergestellt werden. Denn selbst die kleinste Unterbrechung des Netzwerks durch ineffizienten Datentransfer oder Engpässe kann zu Verspätungen führen und im schlimmsten Fall sogar die Sicherheit der Arbeiter und Passagiere gefährden.

Ein grosser Teil der Technologie ist automatisiert. Das bedeutet, dass ein äusserst stabiles und zuverlässiges Datennetzwerk nötig ist, um wichtige Betriebsdaten in den Tunnel und aus dem Tunnel zu übertragen. Eine IoT-Umgebung ist auf funktionierende Echtzeit-Kommunikation zwischen den IP-Geräten – den "Dingen“ im Internet of Things – angewiesen, um sekundenaktuelle Betriebsdaten zu erfassen und den Betreibern damit die Informationen zu geben, die sie brauchen, um den reibungslosen, sicheren Betrieb aller Systeme im Tunnel zu gewährleisten.

Vorsicht an den Türen

Die Türen sind ein gutes Beispiel. Wenn eine der Türen zu den Servicebereichen oder Zugangsstollen nicht ordnungsgemäss geschlossen wird, entsteht bei der Durchfahrt eines Hochgeschwindigkeitszugs ein Druck, der die Systeme im Tunnel erheblich beschädigen kann. An das IoT angeschlossene Geräte im Tunnel überwachen 24 Stunden am Tag alle Türen und senden automatisch einen Alarm an das Kontrollzentrum, wenn eine Tür nicht sicher geschlossen ist, obwohl sie es sein sollte.

Hinzu kommen unzählige Sensoren, Überwachungskameras, Anlagen für die Belüftung und Entwässerung sowie die Kommunikations- und Kontrollsysteme im gesamten Bereich denkt, die alle Echtzeitdaten senden oder empfangen, und für die Konnektivität rund um die Uhr zentral ist.

Die Punkte verbinden

Es ist Aufgabe des Datennetzwerks – besser: der Datennetzwerke, denn in den beiden parallelen Tunneln sind separate Netzwerke installiert –, alle diese IP-basierten Endpunkte des IoT zusammenzubringen und die Daten in die Kontrollzentren des Tunnels zu übertragen. Das Netz muss belastbar genug sein, um zu allen Zeiten, bei allen Temperaturen und in allen Umgebungen zu funktionieren. Das heisst natürlich, dass auch die Daten-Switches widerstandsfähiger sein müssen als üblich. Sie müssen auch unter ungünstigsten Bedingungen einen ununterbrochenen Datenverkehr und eine absolut fehlerfrei Kommunikation sicherstellen.

Unter einem Schweizer Berg ist es nicht gemütlich

Die Grösse des Tunnelkomplexes und die Abgeschiedenheit einiger Servicebereiche führen dazu, dass viele der eingesetzten Netzwerkkomponenten über lange Zeiträume mitten im Tunnel funktionieren müssen – fernab von sicheren Datenzentren mit kontrollierten Umgebungsbedingungen. Es geht aber nicht nur um den Standort. In Teilen des Tunnels können Temperaturen von bis zu 40 Grad Celsius und eine Luftfeuchtigkeit von 70 Prozent auftreten – wesentlich mehr, als Daten-Switches üblicherweise aushalten müssen.

Ausserdem gibt es noch den Staub. Schon in normalen Unternehmensumgebungen können Staub und andere Partikel in der Luft irgendwann zu Problemen führen. In einem Eisenbahntunnel kann insbesondere der Metallstaub, der von den Bremsen der Züge freigesetzt wird, erheblichen Schaden an den Netzwerkkomponenten anrichten. Dazu kommen elektromagnetische Interferenzen und Vibrationen, die beim ganz normalen Betrieb entstehen. Zusammen ergibt das eine Umgebung, in der Standard-Switches eine erheblich verkürzte Lebensdauer hätten und mechanische Probleme verursachen könnten.

Im Gotthard-Basistunnel haben wir es daher mit einem verstärkten Netzwerk zu tun. Das bedeutet, dass Switches, Access Points und Router zum Einsatz kommen, die standardmässig integrierte Sicherheit, dynamisches Tuning der Netzwerkleistung für die Bereitstellung von Echtzeit-Applikationen und zuverlässige IP-Breitband-Konnektivität bieten. Anders gesagt: Das Netzwerk wird mit Hardware-Komponenten gebaut, die speziell für den industriellen Einsatz entwickelt wurden.

Die Konzeption und Implementierung des Datennetzwerks übernahmen die Spezialisten von Alpiq Intec. Sie setzten aus mehr als 450 Alcatel-Lucent Omniswitch 6855 den Backbone des Datennetzes im Tunnel zusammen. Ein geringer Bedarf an präventiver Wartung und Instandsetzung ist ganz wichtig, wenn man ein Netzwerk bis zu 2,3 Kilometer unter einem Berg installiert. Die eingesetzten Switches sind deshalb mit Konvektionskühlung ausgestattet, die keine Lüfter nutzt, sondern Wärmeableiter. Das minimiert die Gefahr, dass Metallteilchen in das Gerät eindringen und die internen elektrischen Komponenten beschädigen. Die dadurch erreichte Widerstandsfähigkeit des Netzwerkes ist Voraussetzung dafür, dass IoT-Technologie in einer so exponierten Lage eingesetzt werden kann.

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Technische Eindrücke vom Gotthard-Baisistunnel (Fotos: ALE)