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Das Gewicht und der Einfluss der europäischen IT-Industrie befindet sich weiter im Sinkflug. Der Anteil des Umsatzes, den die 100 weltweit grössten Firmen in der IT- und Telekommunikationsbranche (IKT) erzielen und auf europäischen Untrnehmen entfällt, ist mittlerweile unter die 10-Prozent-Marke gesunken.

Dies belegt eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung A.T. Kearney, die der Financial Times Deutschland (FTD) exklusiv vorliegt. Dies habe Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft, heisst es im Bericht. Das Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahrzehnte in den USA sei wenigstes zum Teil auf die frühe Einbindung der neusten Computer- und Kommunikationstechnologien zurückzuführen. "IKT war immer ein Turbo, um neue Jobs zu schaffen", sagt Jan Stenger, Leiter der Hightechindustrie in Mitteleuropa bei A.T. Kearney gegenüber der FTD. Deshalb brauche Europa mehr IT-Firmen, die im weltweiten Wettbewerb bestehen können.

Aktuell haben demnach nur 15 der weltweit 100 größten IT-Firmen ihren Sitz in Europa. Im Geschäft für Privatverbraucher können europäische Unternehmen kaum noch mit der Konkurrenz aus Asien mithalten. Der Elektronikhersteller Philips hat jüngst seine Fernsehsparte nach Taiwan verkauft, Nokia wird von Konkurrenten wie Samsung und HTC bedrängt und Loewe, einer der letzten deutschen Fernsehgerätebauer, steckt in der Restrukturierung, schreibt die FTD. Dies bleibe nicht ohne Folgen: A.T. Kearney geht davon aus, dass der europäische Beitrag zum weltweiten IT-Umsatz, der sich 2011 auf 2800 Mrd. Dollar belief, von 24 Prozent auf 23 Prozent im Jahr 2015 sinkt. "Dass der Anteil des europäischen IT-Markts schrumpft, hat damit zu tun, dass der Konsumentenmarkt eine immer grössere Rolle spielt", sagt Dieter Kempf, Präsident des deutschen Branchenverbands Bitkom, der FTD. "Im Firmenkundengeschäft sind wir nach wie vor gut dabei." Allerdings nur dank grosser Namen wie SAP oder Siemens, die weltweit tätig sind.

Der seit Jahren beklagte Fachkräftemangel in der IT-Industrie und hohe Lohnkosten sind laut A.T. Kearney nur ein Faktor für den Rückgang. Die europäischen Firmen investieren laut einer Untersuchung der Europäischen Kommission auch weniger in Forschung und Entwicklung als ihre Konkurrenten in Asien und den USA. Vor allem aber seien europäische Startups, die es zu Weltruhm bringen, rar - oder werden an US-Konzerne verkauft wie der Internettelefonanbieter Skype oder der Softwarehersteller Autonomy. "Das wesentliche Problem ist, dass Innovationen nicht schneller in marktfähige Produkte umgesetzt werden", sagt der Bitkom-Präsident gegenüber der FTD. "Es ist lukrativer, eine gute Idee zu verkaufen, als sie selbst gross zu machen." "Das hat mit Kapital zu tun, aber auch mit Mentalität", sagt Kempf.