thumb

Sowohl Open-Source-Angebote als auch ERP als Dienste aus der Cloud bieten kleineren Unternehmen immer mehr Varianten für die Steuerung ihrer Geschäftsprozesse.

Gerade kleine und mittelgrosse Unternehmen (KMU) stehen bei der Einführung oder bei der Neuevaluation einer ERP-Lösung (Enterprise Resource Planning) vor einem Dilemma: Einerseits verfügen sie nicht über die personellen und finanziellen Mittel wie Grossfirmen – andererseits aber haben sie punkto Funktionsvielfalt und -tiefe mehr oder weniger dieselben Ansprüche wie diese. Zudem erwarten sie von einem ERP-System, dass es flexibel genug ist, um an ihre spezifischen Bedürfnisse angepasst werden zu können. Dies allerdings war schon immer die Crux bei allen ERP-Lösungen, die doch gerade als „betriebswirtschaftliche Standardsoftware“ per definitionem nicht massgeschneidert sondern eben standardisiert ist und – primär aus Kostengründen – auch sein soll.

Sowohl Kosten- als auch Flexibilitäts-seitig zeichnen sich gegenwärtig zwei Trends ab, die diesem beinahe schon klassischen ERP-Dilemma für KMU entgegenwirken können. Erstens reifen Open-Source-Lösungen mehr und mehr zu vollwertigen Paketen, die in ihrem Funktionsumfang einer herkömmlichen kommerziellen ERP-Software in nichts mehr nachstehen. Und zweitens wird das Angebot an Cloud-Computing-basierten Saas-ERP-Diensten (Software as a Service) immer breiter.

Open Source als Alternative

Dass quelloffene ERP-Software immer stärker als valable Alternative zu den herkömmlichen Standardpaketen wahrgenommen wird, zeigen nicht nur diverse Umfragen im Dach-Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz), sondern wird auch belegt durch ein Projekt des Bundes zur Förderung des Java-basierten Open-Source-Systems Openbravo. Die Mittel dafür sind zwar bescheiden, aber wie der „Schweizer KMU Techblog“ zu recht vermerkt, geht es in erster Linie darum, alle möglichen Optionen zu prüfen. Selbstverständlich sind auch euphorische Blog-Einträge seitens der Open-Source-“Community“ mit Vorsicht zu geniessen, handelt es sich dabei doch in erster Linie um interessengebundene Stimmen von IT-Beratern. Nicht von der Hand zu weisen ist jedoch die Tatsache, dass die Lizenzgebühren, die für Openbravo Quickstart und SMB oder für die Openbravo Enterprise Edition entrichtet werden müssen, weit unter denjenigen von SAP Core R/3 oder Oracle/Peoplesoft liegen.

Doch beim Einsatz einer Open-Source-ERP-Lösung geht es keineswegs nur – oder in erster Linie – um tiefere Lizenzkosten. Gemäss einer kürzlich durchgeführten Umfrage des deutschen NEG (Netzwerk Elektronischer Geschäftsverkehr) schätzen die KMU vor allem die höhere Flexibilität, die sich aufgrund der Offenheit des Quellcodes ergibt, sehr hoch ein. Zweifellos ist auch die Konfiguration eines Open-Source-ERP-Systems eine komplexe Angelegenheit – mit Betonung auf „auch“, denn dasselbe gilt für die spezifische Anpassung eines handelsüblichen ERP-Pakets. Und in den meisten Fällen kann bei Open-Source-Lösungen der direkte Programmier-Anteil drastisch vermindert werden, weil die Systeme über eine hohe Parametrisierung und eine sehr flexible Architektur verfügen. Dass bei der Implementierung und der Konfiguration von quelloffenen ERP-Systemen jederzeit unvorhergesehene Ausgaben und versteckte Kosten entstehen können, versteht sich von selbst. Bekanntlich werden praktisch alle IT-Projekte von dieser Seuche befallen. Dem ist auch im Open-Source-Feld nur mit einer sehr sorgfältigen Evaluation der eigenen Geschäftsbedürfnisse und des Beraters/Implementierers/Supporters sowie mit klaren vertraglichen Leistungsvorgaben beizukommen. Dasselbe gilt aber auch für Projekte mit herkömmlicher kommerzieller Software.

ERP aus der Cloud

Neben dem wachsenden Interesse seitens der KMU an Open-Source-Lösungen ist der zweite starke Trend, der die altbekannte ERP-Landschaft ziemlich umgestalten wird, ein „wolkiger“. Cloud Computing ist – zumindest als Thema – heute buchstäblich allgegenwärtig. Keine ICT-Konferenz, ob virtuell oder real, verabsäumt es, das Kostensenkungs- und Flexibilitätspotenzial der Datenverarbeitung in und aus der Wolke prominent herauszustreichen. Und die Ankündigungen seitens der Cloud-Anbieter sind mittlerweile beinahe unüberschaubar. Doch nicht nur auf der Anbieterseite häufen sich die Ankündigungen und Bekenntnisse zu den diversen Infrastruktur-, Plattform- und Anwendungs-Diensten aus der Wolke. So wurde unlängst an einer Veranstaltung im Genfer Cern die Open Data Center Alliance ins Leben gerufen, eine Vereinigung von Anwenderunternehmen aus allen wichtigen Wirtschaftszweigen. Von Beginn weg umfasst sie 70 Mitglieder, darunter Schwergewichte wie die Deutsche Bank, Shell und UBS. Das Ziel der Allianz: Cloud Computing soll für Anwenderunternehmen sicherer aber auch einfacher werden. Als technischer Berater der Gruppe fungiert der Chip-Riese Intel, der aber betont, bei den Entscheidungen der Allianz keine federführende Rolle übernehmen zu wollen.

Alle diese Beispiele zeigen eines: Cloud Computing ist nicht mehr das, was gemeinhin und mit einem eher negativen Unterton „Hype“ genannt wird. Mit Sicherheit gerade deshalb nicht mehr, weil die Sache in den vergangenen Jahren dermassen gehypt wurde, dass sie sozusagen positiv aus dem Ruder gelaufen ist. Anders formuliert: Cloud Computing hat sich als Konzept verselbständigt und zwingt dadurch sowohl Anbieter als auch Anwenderfirmen dazu, in jedem Fall daran weiter zu arbeiten. So ähnlich sehen es auch die Analysten des Marktforschungsunternehmens Gartner, wenn sie für 2010 einen weltweiten Umsatz mit Cloud Computing von 68 Milliarden Dollar veranschlagen. Das entspricht einer Steigerung von 16 Prozent gegenüber 2009. Und für 2014 prognostizieren die Auguren von Gartner einen Umsatz mit ICT-Dienstleistungen aus der Wolke von sage und schreibe 148,8 Milliarden Dollar.

Von diesem immer opulenteren Kuchen wollen sich auch die bekannten kommerziellen ERP-Anbieter ein gutes Stück abschneiden – und sie müssen das auch, wollen sie nicht in drei, vier oder fünf Jahren, wenn die Wolke sich real global aufgebaut hat, das Nachsehen haben. So startet der deutsche ERP-Riese SAP im Januar 2011 endlich auch in der Schweiz sein reines Saas-ERP-Angebot Business Bydesign. Und der Deutschschweizer Platzhirsch Abacus bietet seit Januar 2010 mit Abacus vi (Version Internet) eine hybride Variante seiner Geschäftssoftware-Suite an, die entweder als Saas-Dienst oder als in-House-Installation genutzt werden kann. Ohne Zweifel steht ERP aus der Cloud erst am Anfang. Doch angesichts des Tempos, mit dem sich die Business-orientierte Wolke erweitert, dürfte sich diesbezüglich schon im kommenden Jahr einiges tun. Zwar haben die meisten Unternehmen – und allen voran KMU – noch ziemlich starke Bedenken bezüglich der Überantwortung von sensiblen geschäftskritischen Daten an die Wolke. Allerdings belegen zahlreiche Untersuchungen, dass Geschäftsdaten in der Cloud nicht unbedingt unsicherer sind als auf dem hauseigenen, ungenügend bewachten KMU-Server. Und sollte in wohl gar nicht ferner Zukunft eine zuverlässige Open-Source-ERP-Lösung aus der Cloud erhältlich sein, geht das Rennen um die Geschäfts(prozess)-Software der nächsten Generation erst recht los.

*Beat Hochuli ist freischaffender ICT-Journalist und lebt in Kota Kinabalu, Malaysia.