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E-Government hat sich nicht zuletzt durch verschiedene Initiativen in den vergangenen Jahren etabliert. Kaum eine öffentliche Verwaltung bietet heute keine Dienste über das Internet an. Doch die mehrheitlich technologie-getriebene Umsetzung muss sich nun den verbundenen soziokulturellen Entwicklungen stellen. Damit steht eine Neuausrichtung und Überarbeitung des E-Government an.

Gastbeitrag von Prof. Dr. Stephanie Teufel, Direktorin, IIMT – International Institute of Management in Technology, Universität Fribourg

„E-Government umfasst den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) für die Bereitstellung öffentlicher Leistungen sowie zur Unterstützung und Gestaltung der Prozesse innerhalb der Behörden sowie zwischen Behörden und ihren Zielgruppen“ [1], soweit die Definition gemäss E-Government Strategie Schweiz. Entsprechend wurde von öffentlichen Verwaltungen in den vergangenen Jahren Informations- und Kommunikationstechnologie eingesetzt, um Prozesse zu optimieren und gewisse Leistungen elektronisch anzubieten. Im Rahmen des Swing-Projektes am IIMT wurde unter anderem gezeigt, dass 78 Prozent der Schweizer Behörden seit mehr als 10 Jahren einen Internetauftritt haben und, dass in 85 Prozent der Behördenwebsites die Möglichkeit besteht, Dienstleistungen über die Homepage abzurufen [2].

Parallel dazu sind zwei Entwicklungen technologischer und demographischer Natur zu beobachten: Einerseits wurden mit dem Web 2.0 technologische Rahmenbedingungen geschaffen, denen sich die öffentlichen Verwaltungen nicht gänzlich verschliessen können. Insbesondere der Bereich der Social Media / Soziale Netzwerke sind hier von Bedeutung. Andererseits tritt die sogenannte Generation Y (Digital Natives) ins Erwerbsleben ein [3]. Eine Generation, die nicht nur mit digitaler Technologie aufgewachsen ist und diese zu nutzen weiss, sondern die sich durch den daraus ergebenden Möglichkeiten der ständigen Informationsverfügbarkeit und Informationsbereitstellung auch gesellschaftspolitisch nach Veränderungen strebt. Transparenz, Partizipation und Mobilität sind dabei die Leitgedanken. Diese müssen berücksichtigt werden, wenn heute viele öffentliche Verwaltungen vor der Aufgabe stehen, ihr „E-Government – Angebot der ersten Version“ zu überarbeiten und den sich verändernden Gegebenheiten anzupassen. Dabei bilden konzeptuelle Betrachtungen, wie sie in Abbildung 1 dargestellt sind, die Basis der Neuausrichtung. Entscheidend für diese Neuausrichtung ist die Erkenntnis, dass es nicht mehr nur um technische Weiterentwicklungen geht, sondern insbesondere auch um strukturelle und kulturelle Veränderungen.

Change of Paradigm
Die moderne ICT mit ihren vielfältigen Kommunikationssystemen forciert einen Paradigmenwechsel von einer To-You- zu einer With-You-Beziehung zwischen den Stakeholdern einer Organisation [4]. Dies gilt im behördlichen Umfeld genauso wie in der Wirtschaft.

User’s Perspective
Eine der bedeutendsten Auswirkungen von Social Media Applikationen ist weniger die Anzahl der „Freunde“ als die Einstellung der Nutzer: Statt aktiv nach Information zu suchen wird erwartet, dass die Information den Nutzer findet.

My Services
Zukünftig müssen öffentliche Verwaltungen durch individualisierte Dienste einen Mehrwert für jeden Einzelnen schaffen. Die Basis hierzu bilden Konzepte und Entwicklungen wie Bürgerkonto oder/und SuisseID.

Admin-to-go
Die öffentliche Verwaltung für die Hosentasche, d.h. die Integration mobiler Technologien in die E-Government Strategie ist vor dem Hintergrund der technischen Entwicklungen und der hohen Durchdringung von Smartphones und Tablet-PCs in der Bevölkerung unumgänglich (die neueste ITU-Studie zur ICT Entwicklung spricht von durchschnittlich über 40 Prozent jährliche Zunahme an mobilen Breitband-Abos [5]). Vielfältige Möglichkeiten von innovativen mobilen Services eröffnen sich hier den Verwaltungen.

JIT-Information
Eine just-in-time Informationsbereitstellung sollte heute eigentlich Standard sein. Dem Kunden, der ein Internet-Portal oder eine App auf einem mobilen Gerät nutzt, muss passgenau die Information zur Verfügung gestellt werden, die zur Erfüllung seines Anliegens notwendig ist. Diese just-in-time Informationsbereitstellung muss auch für Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltungen gelten.

Location-based Services
Gerade im Hinblick auf Mobile Services ist es offensichtlich, dass die Nutzung der Standortinformation sowohl aus Sicht des Informationskonsumenten wie auch aus Sicht des Informationsanbieters Berücksichtigung finden muss. Mit Hilfe dieser Dienste können z.B. die Kommunen ihre Bürger mit aktuellen standortbezogenen Informationen versorgen oder vice versa.

Neben den technologischen Entwicklungen, wie M-Government, E-Voting, E-Participation etc. sind die soziokulturellen Entwicklungen bei der E-Government Neuausrichtung zu Berücksichtigen. Es gilt mittels der umfassenden Kommunikationsmöglichkeiten durch die ICT (Stichwort „seemless communication“) alle Stakeholder (Bürger, Unternehmen, Verwaltungen) zu verbinden und damit durch die Vereinfachung und Beschleunigung von Prozessen sowie die Möglichkeit der gegenseitigen Interaktion eine Basis zur Schaffung von Mehrwerten für die gesamte Gesellschaft zu etablieren. All dies kann nur durch geeignete Informations- und Interaktionsarchitekturen geschaffen werden. Standards wie eCH-0049 und Methoden wie User-Centered Design bilden hier die Grundlage.

Die rasanten Entwicklungen in der ICT und die gesellschaftlichen Veränderungen fordern ein grundsätzliches Umdenken in der Betrachtung von E-Government. Die öffentlichen Verwaltungen müssen die Rolle der Vermittler und Wegbereiter einnehmen und mit allen Stakeholdern kollaborativ zusammenzuarbeiten, um gesamtgesellschaftlich Mehrwerte zu erlangen.

Referenzen
[1] Schweizerische Eidgenossenschaft: Bericht zur E-Government-Strategie Schweiz. Bern, 2006.
[2] D. Feichtner: Analyse des Online-Dienstleistungsangebotes des öffentlichen Sektors der Schweiz. iimt, Fribourg, 2012.
[3] S. Teufel: Die vernetzte Gesellschaft – Auswirkungen auf Arbeitswelt und Ausbildung. asut-Bulletin 3/2012.
[4] S. Teufel: Digitale Soziale Medien - ihre grosse Bedeutung für EGovernment. eGovernment-Symposium, Bern, 2010.
[5] International Telecommunication Union: Measuring the Information Society. ITU, Genf, 2012.

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Bild: Kirchner/pixelio
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Bild: Fotolia
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