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Zwar legte der Onlinehandel in der Schweiz im Jahr 2016 um weitere 8 Prozent zu, aber vom Marktwachstum profitieren längst nicht alle Onlineanbieter. In vielen Branchen wächst die Dominanz einiger weniger E-Commerce-Anbieter. Die grössten Profiteure sind weiterhin einige wenige Onlinemarken aus dem Ausland – insgesamt legten ausländische Onlineanbieter in etwa doppelt so stark zu wie inländische. Dies geht aus dem neuen E-Commerce-Report Schweiz 2017 hervor.

"Die seit Jahren anhaltenden Marktanteilsverluste an ausländische E-Commerce- Anbieter sind bedenklich", erklärt dazu Studienautor Ralf Wölfle von der Fachhochschule Nordwestschweiz. "Online sind die Grenzen niedriger. Im E-Commerce ist der Auslandsanteil bereits doppelt so hoch wie im stationären Handel."

Zunehmende Dynamik im Schweizer E-Commerce

Die Dynamik im Schweizer E-Commerce ist gemäss dem Report nochmals gestiegen. Grund dafür seien die gross angelegten Investitionsprojekte Galaxus und Siroop. Als Onlinemarktplätze wollten sie mit unterschiedlicher Ausprägung die Potenziallücke nutzen, die aus dem zögerlichen Engagement von Amazon in der Schweiz entstehe, heisst es. Auch Brack.ch weite sein Angebot durch Partnerschaften weiter aus: In der neuen Rolle als Intersport-Fachhändler werden die Kernkompetenzen für den E-Commerce erstmals auch bei textilen Sortimenten eingesetzt.

Bei vielen traditionellen Händlern ist das Bild der "eigenen“ Kunden tief verwurzelt. Die mit Smartphones einhergehende Ortsunabhängigkeit und Marktransparenz habe an dieser Ehe gerüttelt, so der Report. Viele Onlinedienste unterstützten gerade die Vorbereitung von Einkäufen besser, als einzelne Anbieter das je tun könnten, wird in der Studie betont. Entsprechend änderten Kunden ihre Gewohnheiten – und Anbieter verlören ihre Kunden in dem Sinn, dass sie nicht mehr deren bevorzugte Anlaufstelle für bestimmte Bedarfe seien. Besonders schmerzlich sei diese Entwicklung für das Übernachtungsgewerbe, das aktuell immer mehr Direktbuchungen an Onlineplattformen verliere.

Einstieg in die Digitale Transformation

Der Abschied vom Anspruch auf die Kunden führt dem Report zufolge auch zu neuen Haltungen und Geschäftspraktiken, wenn man die Instrumente der Digitalisierung verstehe. Anstelle den Kunden passiv zu empfangen, gehen demnach erfolgreiche Anbieter aktiv auf ihn zu. Der Weg dazu sei die Datenanalyse. Aus ihr liessen sich die Situationen erkennen, in denen Kunden etwas wollten, was der Anbieter ihnen bieten kann. "Was im stationären Handel die teure Lage ist, ist im E-Commerce der Suchbegriff“, hebt Studienautor Wölfle hervor. „Kunden online in genau den Momenten zu identifizieren, in denen sie einen Bedarf haben, ist die Königsdisziplin im Online Marketing.“

Agilität statt langjähriger Mietverträge

Wenn Kaufentscheide aus dem Moment heraus immer wieder anders gefällt werden und feste Muster sich auflösen, bleibe auch den Anbietern keine Alternative, als sich auf kontinuierlich ändernde Anforderungen einzustellen. Dies erfordert laut Report agile Organisationen. Neben effizienten Entscheidungen, die primär kennzahlenbasiert gefällt werden, bedarf es demnach einer hohen Technologiekompetenz, um neue Lösungen schnell implementieren zu können. Ausserdem bedürfe es der finanziellen Mittel für Experimente sowie die Bereitschaft, auch Misserfolge hinzunehmen.

Anhaltende Leistungssteigerungen in der Logistik

Zuverlässigkeit, Schnelligkeit und Flexibilität – an diesen Merkmalen der E- Commerce-Logistik wird intensiv gearbeitet, ist dem Report weiters zu entnehmen. Die Lösungen dazu differenzieren sich immer weiter aus. Anbieter fragen sich, welches Leistungsniveau heute notwendig ist, welche Kosten sie dafür tragen können und wo sie sich allenfalls sogar durch Logistik im Wettbewerb differenzieren könnten. Für die Kunden würden die Zustelloptionen immer vielfältiger, heisst es.

Kanalübergreifende Geschäftskonzepte

Anbieter bauen laut Report weiterhin physische und digitale Touchpoints auf. Doch die dahinterliegenden Multikanalkonzepte seien häufig noch nicht ausgereift. Nur wenige Anbieter schaffen es, eine durchgängige, kanalübergreifende Customer Experience zu bieten, betonen die Studienautoren. Komplexität und Kosten der Organisationsanpassungen spielten dabei eine Rolle, aber als wirklich erfolgskritisch werden heute fehlende Strategien und das Mitziehen der Mitarbeitenden angesehen.

Neuer Schub im Mobile Payment

Im Schweizer Markt für mobile Zahlungssysteme stehen immer mehr Verfahren zur Verfügung, so ein weiteres Ergebnis der Untersuchung. Sehr erfolgreich hätten sich die Händler-Wallets verbreitet – native Apps mit integrierter Zahlungsfunktion. Besonders häufig werden sie im Ticketing eingesetzt. Bei der SBB hat der Smartphone-Umsatz 2016 den Onlineumsatz bereits überholt. Offene mobile Zahlungslösungen wie Twint oder Apple Pay stünden dagegen noch am Anfang. Die Schweizer Händler seien mit der Implementierung zurückhaltend. Zu viel Unsicherheit resultiere aus der Haltung der Twint-Banken, heisst es.

Onlinehandel wächst weiter

Mancher stationäre Händler wäre laut Studie froh, wenn sich die Umsatzverlagerung hin zum E-Commerce erschöpfen würde, aber das sei nicht abzusehen. Für das laufende Jahr erwarten drei Viertel der Teilnehmer des Studienpanels ein Wachstum des E-Commerce in ihrer Branche um 5 Prozent oder mehr. In der Fünfjahresperspektive erwarten knapp 40 Prozent, dass der E-Commerce-Anteil in ihrer Branche im Vergleich zu heute mindestens um die Hälfte zulegen werde.

Digitale Transformation im Übernachtungsgewerbe


Das Übernachtungsgewerbe, infolge der Euroabwertung ohnehin seit Jahren unter Druck, tut sich Gemäss der Untersuchung schwer mit der Digitalen Transformation. Zwar seien die Mechanismen, die dem Erfolg von Online-Buchungsplattformen zugrunde liegen, seit zwei Jahrzehnten bekannt. Auf das Ausmass des Verlusts an Direktbuchungen ist das Gewerbe in dieser Branche – wie in vielen anderen auch – trotzdem schlecht vorbereitet. Die politische Motion Bischof soll die Misere lindern. Ob sie das bewirken kann, daran herrschen im Studienpanel erhebliche Zweifel. Einfache Lösungen für diese Branche liegen demnach nicht auf der Hand.

Der E-Commerce Report Schweiz untersucht seit 2009 Stellenwert, Wandel und Trends im Vertrieb an Endkonsumenten – als einzige Studienreihe aus Sicht der Anbieter. Realisiert wird die Befragung vom Online-Zahlungsverarbeiter Datatrans und der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW.

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Konzentration bei führenden Anbietern.
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