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Die in Genf beheimatete ID Quantique gilt als Technologievorreiter in Sachen IT-Security. Es ist eines der ganz wenigen Unternehmungen, die sich auf Quanten-Kryptographie spezialisiert haben. Im Gespräch mit ICTkommunikation gibt Grégoire Ribordy, CEO der ID Quantique, Einblicke in den komplexen Bereich der Quanten-Verschlüsselung, die vor allem für Rechenzentren von Grossunternehmen, die Finanzindustrie oder Regierungsbehörden zunehmend wichtiger wird.

Interview: Karlheinz Pichler


ICTkommunikation:
ID Quantique (IDQ) ist ja – Nomen est Omen - auf Quanten-Kryptografie ausgerichtet. Ein komplexes Thema, an dem schon lange geforscht wird. Wie ist es eigentlich zur Gründung des Unternehmens gekommen und wer nimmt die Lösungen von ID Quantique in Anspruch?

Grégoire Ribordy:
Das Unternehmen wurde 2001 von vier Wissenschaftlern der "Group of Applied Physics" in Genf gegründet. Einer dieser vier war ich, und ich habe damals meine Thesen zur Quanten Kryptographie niedergeschrieben. Ein anderer von uns, Professor Nicolas Gisin, hat für seine bahnbrechenden Arbeiten im Bereich der Quanten-Kryptographie bereits zahlreiche international Preise erhalten.
Unsere quanten-kryptografischen Lösungen werden von Banken, Regierungen und Grossunternehmen genutzt, praktisch von allen Industrien, die auf den Langzeit-Schutz sensitiver Daten angewiesen sind. Im Verlauf des ersten Quartales des neuen Jahres werden wir die nunmehr dritte Generation unserer quanten-kryptografischen Produkte lancieren.

ICTkommunikation: Ist der Markt für Quanten-Kryptografie einem ähnlichen Wettbewerb ausgesetzt wie andere Bereich des IT-Security-Marktes? Welches sind Ihre schärfsten Konkurrenten?

Grégoire Ribordy: Wir sind mit IDQ am längsten in diesem Markt tätig. Die erste "Welle" von Unternehmen, die sich mit der Entwicklung quanten-kryptografischer Produke beschäftigten, setzte parallel zu unserem Start im Jahre 2001 ein. Die meisten dieser Firmen sind aber pleite gegangen oder fokussieren sich heute auf andere Gebiete. Aber momentan erleben wir gleichsam eine zweite Welle von Unternehmensgründungen. Bei den meisten davon handelt es sich um kommerzielle Spinoffs von Prestige-trächtigen Universitäten oder Forschungseinrichtungen. Wir von IDQ begrüssen diese Entwicklung, den wir wollen nicht allein im Markt agieren – wir wollen lediglich die Besten bleiben!

Die grösste Herausforderung für uns bleibt aber, wenn die Unternehmen nichts oder fast nichts in Richtung Security unternehmen. Egal ob sie nun überhaupt keine Verschlüsselung anwenden, oder für die Verschlüsselung sensitiver Daten Algorithmen und Schlüssel-Austausch-Mechanismen verwenden, die einem sicheren Schutz nicht genügen.

ICTkommunikation: Wie wichtig sind Partnerschaften für Ihr Unternehmen? Mit welchen Unternehmen respektive Organisationen kooperieren Sie näher?

Grégoire Ribordy: Wir arbeiten eng mit Partnern zusammen. An erster Stelle sei hier auf die sehr enge akademische Zusammenarbeit mit den Universitäten in aller Welt verwiesen, eingeschlossen natürlich eine sehr intensive Kollaboration mit der Genfer Universität. Darüber hinaus haben wir grosse gemeinsame Entwicklungsprojekte mit Unternehmen wie etwa Batelle in den Vereinigten Staaten oder der SK Telecom in Südkorea.

ICTkommunikation: Zahlen sich Ihre Lösungen nur im Hochsicherheitsbereich aus oder würden sich Ihre Produkte auch gleichsam einem "consumerizing" zuführen lassen?

Grégoire Ribordy: Momentan sehen wir unsere Produkte und Lösungen im Data-Center-Markt und im Schutz kritischer Daten von Regierungsstellen, Banken und im Business Markt positioniert. Aber natürlich werden sie eine entsprechend breitere Anwendung finden, wenn sich Technik und Märkte weiterentwickeln.

ICTkommunikation: ID Quantique hat in Zusammenarbeit mit dem australischen Unternehmen Senetas ein Multilink-Verschlüsselungsgerät entwickelt, das mit Quantentechnologie arbeitet. Wie funktioniert dieses Gerät, was macht es so sicher und für welche Einsätze ist es prädestiniert?

Grégoire Ribordy: Dieses als "Centauris CN8000" bezeichnete Gerät ist einzigartig. Als Multilink-Verschlüsseler kann es mehrere Verbindungen gleichzeitg verschlüsseln, auch wenn diese unterschiedliche Netzwerkprotokolle verwenden. Das Gerät kann einen Datendurchsatz von insgesamt bis zu 100 GBit/s bewältigen. Es besteht aus 10 Karten mit jeweils 10 GBit/s Kapazität. Darin eingebaut ist der von ID Quantique entwickelte Quanten-Zufallszahlengenerator "Quantis". Dieser ermöglicht eine komplette Entropie (beziehungsweise Zufälligkeit) der Schlüssel und damit die höchstmögliche Sicherheit vor Brute-Force-Entschlüsselungsversuchen. Der CN8000 kann zudem auch Quanten-Schlüsselverteilung (Quantum Key Distribution QKD) unterstützen. Diese liefert einen Anti-Abhör-Mechanismus. Einsatzmässig adressiert das Produkt den Data-Center-Markt.

ICTkommunikation: ID Quantique hat ja vor ein paar Jahren zusammen mit der Universität Genf und anderen Partnern das sogenannte Swissquanten-Netzwerk aus der Taufe gehoben. Was versteht man darunter genau und wie ist es heute um dieses Netzwerk bestellt?

Grégoire Ribordy: Beim Swissquanten-Netzwerk handelte es sich um ein Testnetzwerk, um die Stabilität und die Verfügbarkeit der Quanten-Kryptographie-Technologie sowie auch von Link Aggregationen und Redundanzen auszutesten. Dieses Netzwerk war zwei Jahre lang aktiv und umfasste drei Knoten im Gebiet von Genf. Nach diesen zwei Jahren wurde es wieder abgebaut. Heute arbeiten wir gemeinsam mit Partnern daran, ein grosses Quanten-Schlüsselverteilungsnetzwerk in der Schweiz und in andern Teilen der Welt zu entwickeln.

ICTkommunikation: ID Quantique entwickelt ja auch optische Messgeräte und Zufallsgeneratoren. Wie passen diese Bereiche zu den Verschlüsselungslösungen?

Grégoire Ribordy: Alle diese Divisionen arbeiten bestens zusammen und stellen die technologische Plattform bereit, die für quanten-kryptografische Lösungen benötigt wird. Beispielsweise werden die Photon-Detektoren in unseren QKD-Geräten eingesetzt und die QRNG sowohl in unseren konventionellen wie auch quanten-kryptografischen (QKD) Lösungen.

ICTkommunikation: Wäre es möglich, dass auch international tätige, grosse Internetprovider Ihre Lösungen in breitem Masse einsetzten, um eine sichere Datenübertragung zu gewährleisten und zu verhindern, dass sie von Geheimdiensten abgegriffen werden? Schützt Ihre Lösung vor Geheimdiensten?

Grégoire Ribordy: Es gehört zu den der Quanten-Mechanik anhaftenden Eigenschaften, dass es unmöglich ist, Quanten-Links abzugreifen oder abzuhören, ohne dabei entdeckt zu werden. Diese inhärente Anti-Abhör-Eigenschaft basiert darauf, dass in der Quanten-Physik mit bewussten Störungen operiert wird. Wir tun dies, um sicherzustellen, dass der Informationsaustausch (üblicherweise der Austausch von Verschlüsselungscodes) nicht abgefangen oder abgehört werden kann.

ICTkommunikation: Wie schätzen Sie das IT-Security-Bewusstsein in der Schweiz allgemein ein – sowohl hinsichtlich der Privatunternehmen als auch der öffentlichen Hand. Ist die Schweiz aus dem Blickwinkel der IT ein sichereres Land als andere?

Grégoire Ribordy: Die Schweiz hat ein sehr hohes ICT-Bewusstsein und beeindruckende ICT-Fähigkeiten. Aber vielfach glauben die Unternehmen, die Schweiz sei sicherer als sie tatsächlich ist. Die Welt des Cybercrimes ist global angelegt, daher sollte die Schweiz genauso auf mögliche Angriffe vorbereitet sein, wie dies andere potenzielle Ziele auch sind.

ZUR FIRMA
ID Quantique beschäftigt heute etwa 30 Personen in der Region Genf und bietet ein breites Spektrum an Verschlüsselungsprodukten an, um Highspeed-Datennetze zu sichern, und zwar mit konventioneller wie mit Quanten-Kryptographie. Die Anlagen des Unternehmens werden etwa von Kunden aus Banken- oder Regierungskreisen genutzt.

Als ID Quantique 2001 ins Leben gerufen wurde, waren sich die Gründer der Schwierigkeiten bewusst, die mit der Finanzierung einer neuen Firma verbunden sind. Ihre Strategie zielte deshalb darauf ab, Aktivitäten zu entwickeln, mit denen kurzfristig Einnahmen erzielt werden konnten. Damit war es wiederum möglich, die Entwicklung von Verschlüsselungsprodukten zu finanzieren. Deshalb ist ID Quantique auch auf dem Gebiet der optischen Messgeräte und der Zufallsgeneratoren tätig. In diesem Bereich hat ID Quantique Computer-Peripheriegeräte – Karten oder Module – entwickelt, die sich einen Quantenprozess zu Nutze machen, um perfekte Zufallszahlen zu erzeugen. Die Quantenphysik zeigt auf, dass einige Prozesse tatsächlich absolut zufällig ablaufen. Diese Generatoren werden auf der ganzen Welt für verschiedenste Anwendungen eingesetzt, etwa um einmalige Codes für die Preepaid-Telefonie oder Gewinnzahlen in der Lotterie zu erzeugen.

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Grégoire Ribordy, CEO ID Quantique (Bild: IDQ)
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Grégoire Ribordy, CEO ID Quantique (Bild: IDQ)