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Chinas Regierung will der zunehmend lauter werdenden Kritik auf Social-Media- und Microblogging-Plattformen offensichtlich endgültig einen Riegel vorschieben. Wie der Guardian unter Verweis auf mehrere chinesische Nachrichtenquellen berichtet, wurde aktuell eine ganze Reihe von entsprechenden Konten namhafter Intellektueller und Schriftsteller gelöscht.

Die betroffenen Anwender, die teilweise über Millionen von sozialen Online-Kontakten verfügt haben sollen, hatten dabei keinerlei Chance zur Gegenwehr und sprechen in einer ersten inoffiziellen Reaktion von der "schlimmsten Atmosphäre seit der Verfolgung von Intellektuellen zu Zeiten Maos und des Tian'anmen-Massakers". "Viele kritische Stimmen werden zwar verstummen, aber hundertprozentige Effektivität ist bei fast 500 Mio. Internetnutzern nicht möglich", kommentiert dazu etwa die Medienexpertin Barbara Trionfi die aktuellen Zensurbemühungen der chinesischen Regierung. Die Androhung harter Strafen und die Instrumentalisierung der Provider hätten zwar den psychologischen Kontrolldruck auf die Bevölkerung deutlich erhöht. "Einzelne werden aber auch weiterhin Mittel und Wege finden, um Kritik zu äussern. Der Kampf geht weiter", ist Trionfi überzeugt.

"Wie 1957, 1966 und 1989 fühlen die chinesischen Intellektuellen auch jetzt wieder dieselbe Angst, wie man sie normalerweise vor einem aufziehenden Gewittersturm verspürt", so der Autor Hao Qun, der seine Werke unter dem Pseudonym "Murong Xuecun" veröffentlicht und als eines der namhaftesten Opfer der jüngsten Zensurwelle gilt. Die Stimmung habe ein absolutes Tief erreicht. "Die grösste Angst ist nicht, zum Schweigen gebracht oder eingesperrt zu werden. Das Schlimmste ist dieses Gefühl der Macht- und Ahnungslosigkeit in Bezug auf das, was noch kommen wird. Es ist, als ob man blindlings in ein Minenfeld hineinläuft", schildert Qun.

Wie aufgeheizt die derzeitige Lage im Land der aufgehenden Sonne tatsächlich ist, zeigt ein Kommentar der staatlich geführten chinesischen Zeitung "Global Times". Darin werden sogenannte "Big Vs" - verifizierte Accounts von Regimekritikern mit Millionen von Fans und Followern - offen als "Verteilerstationen für Online-Gerüchte" denunziert, die die "Würde der geltenden Gesetze" missachte und somit dem Staat als Ganzes schaden würden.

Durch die Einführung des Klarnamenzwangs und die Verpflichtung der Internet Service Provider als weitere Zensurinstanz ist die Redefreiheit im Internet in China zuletzt zusätzlich eingeschränkt worden. Eine kürzlich beschlossene Strafrechtsreform gibt dem Staat zudem neue Möglichkeiten, Regimekritiker zum Schweigen zu bringen. So dürfen Abweichler künftig bis zu sechs Monate lang an unbekannten Orten festgehalten werden.

"Der Grad der erlaubten Meinungsäusserung in der Volksrepublik hat sich durch die Einführung des Internets vergrössert, auch wenn aktuelle Rückschläge Zweifel aufkommen lassen. Es gibt eine generelle Öffnung in China, auch was die Meinungs- und Redefreiheit angeht. Die Bewegung ist zwar sehr langsam, aber wahrnehmbar", so Trionfi abschliessend.



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