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Die Zahlen der aktuellen Saison verheissen nicht allzuviel Gutes für den klassischen Handel. Immer mehr Geschenke werden online eingekauft. Grossbritannien ist da keine Ausnahme, wie jüngste Zahlen beweisen: Etablierte Firmen wie Harvey Nichols, Marks & Spencer und Primark können der Marktmacht von Amazon & Co. offenbar nichts entgegensetzen - und schauen umso neidvoller auf den Mitbewerber John Lewis.

Während die Mitbewerber über sinkende Umsätze klagten, vermeldete John Lewis zuletzt 22 Prozent Zuwachs im Weihnachtsgeschäft. Das bedeute ein Plus von 1,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und im Vergleich zur Saison 2011 überhaupt 17 Prozent mehr, listete das Branchenportal Internet Retailing auf. Zwischen Weihnachten 2011 und Weihnachten 2012 hatte John Lewis seine gesamte Verkaufsstrategie umgestellt und geht seither aggressiv in den Onlinehandel.

Die 149-jährige Firma setzte sich genau in jene Lücke zwischen Online und Offline, die offenbar auch Marktlücke ist. Das Mastermind dahinter ist Verkaufs- und Markenchef Peter Ruis. Er glaubt, dass die Zukunft dem „Hybrid Shopping“ gehört, einer Mischung aus virtuellem und realem Einkaufserlebnis. Verkaufen müsse man heutzutage auf „Multikanalebene“, predigt er. Es gehe nicht um Investitionen in Server oder Verkaufsflächen, sondern um „radikales Umdenken“, zitierte ihn die „International Business Times“ im Sommer in einem Porträt.

John Lewis bestückt seine Kaufhäuser etwa mit Touchscreen-Terminals, die Kunden genau den Weg zu einem gesuchten Produkt weisen und mögliche Alternativprodukte vorschlagen. Zum Unterschied vom Onlinehandel können die Konsumenten das Produkt dann in Augenschein nehmen und allenfalls in anderen Grössen, Mengen, Farben und Varianten bestellen. Bei John Lewis denkt man auch bei den Schaufenstern an den Onlinehandel: Für alle, die nach Ladenschluss vorbeibummeln, finden sich Verweise auf Onlinebestellmöglichkeiten.

Wie die Firma bekanntgab, werden die Umsatzspitzen derzeit zwischen 20.00 und 21.00 Uhr erzielt, vor allem durch Bestellungen von mobilen Endgeräten. Umgekehrt nützt die Firma ihre Infrastruktur mit landesweit 43 Kaufhäusern, den 300 ebenfalls zur Firma gehörenden „Waitrose“-Supermärkten und weiteren assoziierten 5.500 Partnershops, damit der Onlinebestellung - auf Wunsch - ein herkömmliches Kauferlebnis folgen kann: Man geht hin, bezahlt, nimmt die Ware - und tauscht sie dort gegebenenfalls auch wieder um.

Dass die Firma ein Gefühl für die Bedürfnisse von Kunden hat und es dabei auf unkonventionelle Versuche ankommen lässt, hat sie immer wieder bewiesen. John Lewis gilt als Erfinder der Bestpreisgarantie, die seit 1925 mit dem Slogan „never knowingly undersold“ beworben wird. Furore machte John Lewis auch in den Jahren vor der Liberalisierung der britischen Ladenöffnungszeiten: Die Kaufhäuser hielten als Einzige den ganzen Samstag offen und hatten dafür montags zu. Umgekehrt steuerte die Kette immer eine vorsichtige Politik, wenn es um Kundentreue und -vertrauen ging. So wurden etwa während der letzten Jahre zahlreiche alteingesessene Kaufhäuser akquiriert - aber erst nach Jahren mit dem John-Lewis-Branding versehen, um nur ja keine Stammkunden zu verschrecken. Dazu kamen etwa Minifilialen in Einkaufszentren, die sich - statt von allem ein bisschen anzubieten - strikt auf einzelne Warengruppen beschränken, dafür aber das gewohnte Gefühl grosser Auswahl bieten können.

Als weiterer Erfolgsfaktor gilt die unternehmerische Struktur von John Lewis. Die Holding dahinter ist die John Lewis Partnership - de facto eine Genossenschaft, die den Angestellten („Partner“ genannt) selbst gehört. Vom einzelnen Kaufhausstockwerk weg ist die Firma in hierarchisch organisierte Gruppen gegliedert, die jeweils Vertreter in die nächsthöhere Ebene entsenden. Alle nicht unmittelbar geschäftlichen Entscheidungen werden in Ausschüssen getroffen, die zu 80 Prozent von den Arbeitnehmern beschickt werden.

Zudem gibt John Lewis die vermutlich älteste Mitarbeiterzeitung Europas heraus und garantiert seinen Mitarbeitern Versorgung in Notlagen. Und schließlich wird dafür gesorgt, dass sich die „Partner“ Tag für Tag für die „gemeinsame“ Firma ins Zeug legen: Jedes Jahr wird einvernehmlich eine Prämie beschlossen, die von Chef Andy Street bis zur Supermarktkassiererin gleich ist. Im ersten Jahr des „Hybrid Shopping“ übersprang die Summe erstmals 200 Mio. Pfund (240 Mio. Euro), was für den durchschnittlichen Mitarbeiter neun Monatsgehälter bedeutet.



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