Bislang fanden Beratungen immer vor Ort statt (Symbolbild: HPE)

Unternehmensberatung - das bedeutet bislang immer Arbeit vor Ort und bei wechselnden Kunden. Da das Reisen während der letzten Monate allerdings quasi unmöglich war, mussten die Beratungshäuser kurzfristig umdenken: Remote-Working und Videokonferenzen aus dem Homeoffice haben sich dabei als erfolgreiche Strategien erwiesen - ein Modell, das auch in Zukunft ökonomische und logistische Vorteile bieten könnte.

Wilhelm Heckmann, Managing Director bei der CNT Management Consulting in der Schweiz, erklärt, wie sein Unternehmen der Herausforderung begegnet ist und welche Trends sich nach Corona halten werden. Denn die SAP-Beratung musste nicht nur Homeoffice für 270 Mitarbeiter organisieren, sondern hat mitten in der Krise auch den ersten Schweizer Standort eröffnet.

Um die Ausgangsbeschränkung einhalten zu können, mussten viele Unternehmen in den letzten Monaten ihre Geschäftspraxis umstrukturieren und neue Wege gehen. Heckmann stand dabei vor einer besonderen Herausforderung, denn er hatte zeitgleich das Schweiz-Geschäft seiner SAP-Beratung in Gang zu setzen. "Zum Schutz unserer Mitarbeiter und Kunden haben wir sofort auf 100 Prozent Homeoffice umgestellt", erklärt Heckmann. Auch am neuen Standort in Zürich hätten sämtliche laufende Projekte via Remote-Working fortgesetzt und die Kundenkontakte über digitale Konferenzen und Meetings abgehalten werden müssen. Der Nachfrage nach SAP-Beratung habe diese weitläufige Umstellung trotzdem keinen Abbruch getan: "Die geänderten Bedingungen wurden von unseren Klienten konstruktiv und gelassen aufgenommen - wir konnten sogar neue Kunden gewinnen, mit denen wir jetzt komplett Remote arbeiten", so Heckmann. Mit der schrittweisen Rückkehr zur Normalität stelle sich für viele Beratungshäuser jetzt die Frage, welche dieser Praktiken sich halten werden und wie neue "Best Practise" Modelle für die Zukunft aussehen können. Laut Heckmann sollten sich Berater auf einige Neuerungen einstellen, komplett ersetzen werde das digitale Arbeiten den persönlichen Kontakt mit den Kunden allerdings nicht.

Beratung wird digitaler

Während der Corona-Krise sind viele Unternehmen auf digitale Kommunikation umgestiegen, um den Kontakt mit ihren Mitarbeitern und Kunden zu halten und haben ihre Kompetenzen im Umgang mit den entsprechenden Tools stark ausgebaut. "Wir gehen davon aus, dass die Korrespondenz mit den Kunden in Zukunft häufiger über das Internet stattfinden wird. Vor allem auch, weil Videokonferenzen kurzfristig und flexibel planbar sind", betont Heckmann. Unternehmensberater sollten sich daher mit den gängigsten Tools vertraut machen und spontane Korrespondenzen von unterwegs möglich machen. Auf operativer Seite sieht Heckmann einen ähnlichen Trend: Während der Kontaktbeschränkungen hätten viele Unternehmen erste positive Erfahrungen mit Remote-Working gemacht und das Vertrauen in das Arbeiten über Distanz sei stark gestiegen. Viele Aufgaben, die zuvor vor Ort erledigt werden mussten, könnten daher in Zukunft vermehrt auch vom Büro oder aus dem Homeoffice bearbeitet werden. Für die Kunden habe das den Vorteil, dass bei geringerem Zeitaufwand gleichzeitig Reise- und Unterbringungskosten eingespart werden können.

Virtuelle Kaffeepausen

Gleichzeitig sei es in der Beratung besonders wichtig, Vertrauen zu schaffen und eine gemeinsame menschliche Ebene zu finden. "Ein kurzes persönliches Gespräch zwischen zwei Meetings oder ein gemeinsamer Kaffee in der Unternehmenskantine können oft mehr bewirken als ein zweistündiger Fachvortrag", hebt Heckmann die Hauptproblematik des Remote-Workings hervor. Bei der Arbeit aus dem Homeoffice hingegen sei vieles anders: Es gebe keine zufälligen Treffen auf dem Gang, die Beurteilung der Reaktionen der Teilnehmer und Präsentation von Daten in Videokonferenzen sei bedeutend schwieriger und der fehlende Austausch mit Kunden und Kollegen beeinträchtige das Wir-Gefühl. Bei CNT habe man deshalb unter anderem virtuelle Kaffeepausen und After-Works eingeführt, die vor allem für die Mitarbeiter des neuen Standortes in Zürich wichtig gewesen seien. Zur Trennung von Privatem und Geschäftlichem rät Heckmann, für solche Meetings einen separaten Videodienst zu verwenden. Um auch im Internet eine persönliche Ebene zu finden, sollten Berater bei digitalen Konferenzen ausserdem stets ihre Kamera einschalten und auf eine hohe Bildqualität und Übertragungsrate achten. Hier eigneten sich vor allem solche Videodienste, die es zusätzlich ermöglichen, Präsentationen und digitale Whiteboards zu teilen.

Persönliche Kontakte dennoch unersetzbar

Vollständig ersetzen werden digitale Kommunikation und Remote-Working die persönlichen Kundenkontakte und das Arbeiten vor Ort nach Ansicht von Heckmann allerdings nicht. "Wenn man komplett via Homeoffice oder Remote-Working arbeitet, überwiegen langfristig die negativen Auswirkungen – das hat einfach damit zu tun, dass wir soziale Wesen sind", sagt Heckmann. Vor allem bei Neukundengewinnung sowie beim Change- und Konfliktmanagement sei die physische Anwesenheit eines Beraters unersetzbar, wenn es darum geht, Nähe zu zeigen und Vertrauen aufzubauen. In Zukunft werde es in der Beratung in erster Linie darum gehen, eine gute Balance zu finden, zum Beispiel durch den Einsatz von Beratern vor Ort, die mit Remote-Unterstützung aus dem Firmenzentrum arbeiten. Im neuen Schweizer CNT-Büro "The Circle" in Zürich möchte Heckmann daher viele Arbeitsabläufe agil gestalten und die Learnings aus den letzten Wochen sinnvoll umsetzen. Zusammen mit seinem Team unterstützt er Kunden in den Branchen Life Science, Pharmazeutische Industrie und Medizintechnik, Maschinen- und Anlagenbau, Engineering und Bauwirtschaft, Fertigungsindustrie sowie Geräte- und Komponentenbau.