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Stellensuchende Informatiker ab 45 Jahren sind in der Schweiz insgesamt gut qualifiziert. Dass die Arbeitsmarktchancen dennoch mit zunehmendem Alter sinken, könnte mit Rekrutierungsfiltern zusammenhängen. Dies geht aus einer neuen Studie des Amtes für Wirtschaft und Arbeit sowie ICTswitzerland hervor.

Laut Studie fehlt es an Transparenz im Berufsfeld Informatik aufgrund einer mangelnden einheitlichen Sprache über Fähigkeiten und Anforderungen. Konkrete Massnahmen und Empfehlungen sollen die Arbeitsmarktfähigkeit der inländischen Informatikerinnen und Informatiker fördern.

Trotz Fachkräftemangel ist beispielsweise im Kanton Zürich die Anzahl Arbeitsloser im Berufsfeld Informatik nach der Finanzkrise von 2008 deutlich angestiegen. Das Risiko, ab 45 Jahren arbeitslos zu werden, ist im Kanton Zürich und in der ganzen Schweiz höher als bei jüngeren Informatikern. Dies ist atypisch, da in der Regel dieses Risiko der Erwerbstätigen mit zunehmendem Alter sinkt.

Vor diesem Hintergrund liessen das Amt für Wirtschaft und Arbeit sowie die Dachorganisation ICTswitzerland die Arbeitsmarktfähigkeit arbeitsloser Informatiker ab 45 Jahren untersuchen. Verschiedene Quellen wurden für diese Berufs- und Altersgruppe ausgewertet, unter anderem die Arbeitslosenzahlen der Jahre 2009 bis 2014 sowie Berichte aus Standortbestimmungs-Seminaren für Stellensuchende. Ausserdem beurteilten 14 Personalabteilungen grosser IT-Arbeitgeber im Kanton Zürich 242 Dossiers von stellensuchenden Informatikern dieser Altersgruppe.

Die These, wonach älteren Informatikern Wissen auf breiter Front fehlt, konnte im Rahmen der Studie nicht bestätigt werden. 29 Prozent der über 45-jährigen arbeitslosen Informatiker haben einen Hochschulabschluss. Bei den von den Personalabteilungen beurteilten Lebensläufen gilt knapp die Hälfte der Personen als IT-Spezialisten, 8 Prozent verfügt über hochspezialisiertes IT-Wissen und 30 Prozent absolvierte eine IT-Grundausbildung. Weil das Berufsfeld Informatik noch jung ist, können viele ältere IT-Fachleute nicht die gleichen formalen Abschlüsse wie ihre jüngeren Branchenkollegen vorweisen. Der IT-Hochschulabschluss existiert erst seit den 1980er-Jahren und die berufliche Grundbildung gar erst seit Mitte der 1990er-Jahre.

Aufgrund der Breite des Berufsfeldes und der mangelnden einheitlichen Bezeichnung von Fähigkeiten und Anforderungen werden die Kompetenzen einer IT-Fachperson von den Arbeitgebern sehr unterschiedlich eingeschätzt. In mehr als der Hälfte der Fälle wurden die Aktualität des IT-Wissens, die Aus- und Weiterbildung, die Berufserfahrung und die Fachkenntnisse von den befragten Personalverantwortlichen unterschiedlich beurteilt. Dies kommt auch daher, dass stellensuchende Informatiker ihre Kompetenzen häufig zu wenig klar und prägnant ausweisen in ihren Bewerbungsunterlagen und die gesuchten Profile in Stelleninseraten wenig standardisiert formuliert sind. Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer im IT-Stellenmarkt ist es schwierig, sich gegenseitig zu finden.

Hinzu kommt, dass mit zunehmendem Alter eine Diskrepanz zwischen Eignung und Arbeitsmarktchancen besteht. Möglicherweise gibt es bei der automatischen Vorselektion von Bewerbungsdossiers gewisse Rekrutierungsfilter wie z.B. zwingend vorausgesetzte Fähigkeiten oder Zertifikate, durch die ältere Stellensuchende ausscheiden.

Die Finanzdienstleister beschäftigen im Kanton Zürich nach der klassischen Informatik-Branche am zweitmeisten Informatiker, nämlich 20 Prozent der erwerbstätigen Informatiker. Gemessen an diesem Beschäftigungsanteil war im Jahr 2014 der Anteil arbeitsloser Informatiker sowie der Anteil arbeitsloser Informatiker ab 45 Jahren, den die Finanzbranche erzeugt, eher geringer. Nicht auszuschliessen sind jedoch indirekte Effekte, etwa in Form von Auftragsverhältnissen nach einer Entlassung und anschliessend eintretender Arbeitslosigkeit.

Eine Reihe von Massnahmen und Empfehlungen sollen nun laut dem Amt für Arbeit und Wirtschaft sowie ICT-Switzerland dazu beitragen, die Arbeitsmarktfähigkeit arbeitsloser Informatikerinnen und Informatiker zu erhöhen. Sie richten sich sowohl an Arbeitgeber wie auch an Stellensuchende, Bildungsinstitutionen sowie Politik und Verwaltung:
- Weil auf dem IT-Stellenmarkt keine einheitliche Sprache über Anforderungen, Abschlüsse und Kompetenzen besteht, wird zusammen mit den Arbeitgebern ein Set von IT-Skills als Grundlage für Insertion, Rekrutierung und Personalentwicklung definiert
- Bildungsinstitutionen sollen ihre Angebote der beruflichen Aus- und Weiterbildung durchlässiger gestalten und auf das zu definierende Set von IT-Fähigkeiten ausrichten
- Die von SwissICT definierten Berufsbezeichnungen werden in die Vermittlungsdatenbank der Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) integriert und die Profile arbeitsloser Informatiker aussagekräftiger erfasst
- Stellensuchende Informatiker erhöhen ihre Bewerbungskompetenz, Fähigkeiten werden klarer und prägnanter ausgewiesen. Entsprechende Unterstützungsangebote der RAV werden weitergeführt
- Die RAV und ICTswitzerland bauen das bestehende Mentoring-Programm aus, um bei über 45-jährigen Informatikern die Dauer der Stellensuche zu reduzieren
- IT-Unternehmen überprüfen zusammen mit ICTswitzerland ihre Rekrutierungsfilter auf eine indirekte Altersdiskriminierung
- ICTswitzerland führt ein Gütesiegel ein für Unternehmen, die systematische Weiterbildungsprogramme für IT-Mitarbeitende durchführen

Die komplette Studie "Arbeitsmarktfähigkeit arbeitsloser Informatiker" ist abrufbar unter: www.ictswitzerland.ch/publikationen