thumb

In der Theorie haben es Internet und Social Media jedem individuellen Anwender ermöglicht, sich am Meinungsbildungsprozess und der öffentlichen Artikulation von Interessen zu beteiligen. In der Praxis nehmen diese Chance aber einmal mehr überwiegend die Eliten wahr.

Mehr und mehr gestalten sie das Web zu ihrer eigenen Spielwiese, wie die Berkeley University of California aufzeigt. Ihren Einfluss üben Reiche und Gebildete online in gleichem Ausmass aus wie offline. An den stereotypen Macht- und Meinungsverhältnissen hat sich durch das Internet nichts verändert. Sie wurden womöglich sogar verstärkt. Obwohl gerade die sozialen Medien beispielsweise angesichts der Revolutionswelle in den arabischen Ländern stark zur Mobilisierung einer pro-demokratischen Bewegung beigetragen haben, stammt der Grossteil des Contents im Web nicht aus der breiten Masse - im Gegenteil. Berkeley-Wissenschaftlerin Jen Schradie zufolge partizipieren nicht einmal zehn Prozent der US-Bevölkerung an den wichtigsten Produktionsprozessen von Online-Inhalten. Die digitale Spaltung ist besonders in den Staaten ein eklatantes Problem. Während Blogs, Webseiten und sogar Videoplattformen die Perspektiven der gebildeten und Web-affinen Bevölkerung widerspiegeln, ist etwa die Arbeiterschicht vergleichsweise unterrepräsentiert.

"Zugang zum Internet zu haben, reicht nicht aus", sagt Schradie. Selbst unter den Online-Usern sind die digitalen Produzenten mit grösster Wahrscheinlichkeit jene Personen mit höherem Einkommen und besserer Ausbildung. Benachteiligten muss mehr Medienkompetenz vermittelt werden, meint ein Experte in Sachen digitaler Spaltung. Hier sei die Politik gefordert, fällt die Problematik doch wesentlich in den Bildungsbereich. Laut Berkeley-Studie posten US-College-Absolventen beispielsweise Online-Bewertungen oder Comments mit dreifach höherer Wahrscheinlichkeit als User mit Highschool-Abschluss. Bei Fotos und Videos ist der Wert doppelt und bei Blogs immerhin 1,5 Mal so gross.

Die digitale Kluft zwischen besser und schlechter gebildeten Menschen ist den Ergebnissen nach sogar grösser als zwischen Jung und Alt. Schradie zufolge sind die wachsenden Bedenken berechtigt, "dass es den armen und arbeitenden Schichten an Möglichkeiten mangelt, um voll am bürgerlichen Leben teilzunehmen, das mittlerweile weitgehend online stattfindet". Ohne Gegenmassnahmen wird sich an dieser Ungleichheit auch bei den jüngeren Generationen der "Digital Natives" nichts Wesentliches ändern.