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Die Open-Source-Spezialistin Red Hat entwickelt sich immer mehr vom führenden Linux-Unternehmen zum Branchenschwergewicht im Bereich Cloud-Computing. ICTkommunikation unterhielt sich mit Léonard Bodmer, Country Manager Red Hat Switzerland, über Strategie, Cloud und den Schweizer Markt.

Interview: Karlheinz Pichler

ICTkommunikation:
Welche Linux-Plattformen vertreibt Red Hat konkret und durch was unterscheiden sie sich von anderen?

Léonard Bodmer: Mit der Plattform Red Hat Enterprise Linux sind wir der führende kommerzielle Anbieter für das quelloffene Betriebssystem. Von anderen Anbietern unterscheiden wir uns in mehreren Punkten. Zu nennen sind hier zum Beispiel der 10-jährige Support, eines der branchenweit grössten Ökosysteme oder zahlreiche Hardware- und Software-Zertifizierungen wie die SAP-HANA- oder Avaloq-Zertifizierung.

ICTkommunikation: Inwieweit hilft eine virtualisierte IT-Infrastruktur, wenn Unternehmen Teile ihrer IT in die Cloud verlagern wollen?

Léonard Bodmer:
Virtualisierung ist die Basis beziehungsweise der erste Schritt für die Cloud, aber es ist nicht Cloud. Treiber für eine Cloud ist – wie wir sehen – Agilität, nicht eine Kosteneinsparung wie bei der Virtualisierung. Mit einer offenen, Vendor-unabhängigen Lösung kann hier IT-as-a-Service, also die freie Wahl von IT-Ressourcen, sowohl intern mit verschiedensten Virtualisierungslösungen beziehungsweise Infrastructure-as-a-Services (einschliesslich Red Hat Enterprise Virtualization und Openstack) als auch in der Public Cloud wie mit Amazon Web Services oder Schweizer Anbietern wie Cloudlynx und Swisscom, zur Realität werden. Die Hybrid Cloud ist Realität, aber den Unternehmen fehlen noch geeignete Tools, die existierenden IT-Bereitstellungsprozesse auf diese neue Welt mit vielen verschiedenen Virtualisierungs- und Cloud-Lösungen anzupassen. Hier kommen wir häufig ins Spiel.

Was für Cloud-Lösungen führen Sie im Portfolio?

Léonard Bodmer:
Neben Red Hat Enterprise Linux als Cloud-Fundament und -Betriebssystem sind hier die Virtualisierungslösung Red Hat Enterprise Virtualization, die Cloud-Management-Lösung Red Hat Cloudforms, die Cloud-Plattform Red Hat Enterprise Linux Openstack Platform, die IaaS-Plattform Red Hat Cloud Infrastructure sowie unsere PaaS-Lösung Red Hat Openshift zu nennen.

ICtkommunikation:
Wann ist für ein Unternehmen die Private, wann die Public Cloud interessant?

Léonard Bodmer: In der Regel verbleibt zumindest ein Teil der Applikationen in der internen Infrastruktur oder einer Private Cloud. Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe. Zum einen sind manche Anwendungen nicht für den Public-Cloud-Einsatz geeignet und zum anderen ist aus Compliance- oder datenschutzrechtlichen Gründen oft eine Public-Cloud-Nutzung nicht möglich. Im Hinblick auf den Finanzdienstleistungssektor sind hier zum Beispiel die strikten Vorgaben der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) zu nennen. Sind diese Einschränkungen nicht vorhanden, bieten sich Public-Cloud-Lösungen an, die sich durch eine hohe Flexibilität und Kosteneffizienz auszeichnen. Generell hat sich gezeigt, dass für viele Unternehmen heute ein Open-Source-basiertes Hybrid-Cloud-Modell der ideale Einstieg ist, um die Potenziale privater und öffentlicher Clouds optimal zu nutzen.

ICTkommunikation:
Wann ist der Einsatz einer Hybrid Cloud sinnvoll? Was gibt es für konkrete Anwendungsszenarien?

Léonard Bodmer: Ein Hybrid-Cloud-Modell, das On-Premise- und Off-Premise-Ressourcen umfasst, bietet das Beste zweier Welten: die Kosteneffizienz einer Public Cloud und die Flexibilität einer Private Cloud für die Umsetzung von Unternehmensanforderungen in Bereichen wie Audit, Risk Management oder Policy Management. Zum Beispiel ist gerade die Auslagerung von Entwicklung und Testing in eine Public Cloud sinnvoll. Zentraler Vorteil für Unternehmen ist dabei, dass keine Investitionen in die eigene Infrastruktur erforderlich werden und somit IT-Ressourcen kurzfristig bereitgestellt werden können.

ICTkommunikation:
Wie lässt sich eine Hybrid Cloud in der Praxis realisieren?

Léonard Bodmer: Hier bietet sich unsere Cloud-Management-Lösung Cloudforms an, mit der Unternehmen die Prozesse des Lifecycle Managements von Workloads in ihren Private Clouds auf der Red Hat Enterprise Linux Openstack Platform automatisieren können. Zu den Leistungsmerkmalen der Lösung gehören unter anderem die Self-Service-Bereitstellung, die Kapazitäts- und Auslastungsplanung, die Kontingenterzwingung oder die intelligente Workload-Platzierung. Zur Integration von Public Clouds und damit der Realisierung einer Hybrid-Cloud-Lösung können mithilfe von Cloudforms die Ressourcen des eigenen Rechenzentrums um Rechenkapazitäten zum Beispiel bei der Amazon Elastic Compute Cloud (Amazon EC2) erweitert werden. Dabei ermöglicht Cloudforms ein kontrolliertes Lifecycle Management von Amazon Workloads und aggregiert diese Informationen mit denen aus der virtuellen Infrastruktur des eigenen Unternehmens in einer zentralen, einheitlichen Management-Konsole.

ICTkommunikation: Ist es für ein Unternehmen eigentlich noch möglich, den Überblick zu bewahren, wer welche Daten in die Private- und wer welche Informationen in der Public-Umgebung einer Hybrid Cloud ablegt?

Léonard Bodmer:
Mit klar definierten Prozessen und dem Einsatz adäquater Tools kann dies problemlos sichergestellt werden – wie beispielsweise mit Cloudforms, unserer Management- und Automatisierungs-Lösung für private, öffentliche und hybride Cloud-Infrastrukturen.

ICTkommunikation:
Red Hat vertritt entwicklungsstrategisch offenbar auch den DevOps-Ansatz. Was ist darunter konkret zu verstehen?

Léonard Bodmer:
Für die Umsetzung von DevOps-Ansätzen steht unsere PaaS-Lösung Red Hat Openshift zur Verfügung. Es handelt sich dabei um eine Cloud-Anwendungsplattform, mit der sich Anwendungsstacks in einer flexiblen Cloud-Umgebung automatisch hosten, konfigurieren, entwickeln und verwalten lassen. Anwendungsentwickler können Self-Service-Funktionen nutzen, mit denen sie einfach und schnell Applikationen je nach Bedarf bereitstellen können. Die Nutzung von OpenShift ermöglicht es IT-Entwicklern, sich auf das zu konzentrieren, was für sie am Wichtigsten ist: den Anwendungscode. Auf diese Weise kann die Anwendungsentwicklung wesentlich schneller erfolgen. IT-Prozesse werden automatisiert und die Bereitstellung von IT-Services massiv gestrafft. Zusätzlich hilft OpenShift, die Anwendungsentwicklung durch das Cartridge-Konzept zu standardisieren, was den Betrieb der Anwendungen erleichtert.

ICTkommunikation: Seit Kurzem ist ja Red Hat auch im Storage-Bereich aktiv. Welche Bereiche wollen Sie damit konkret abdecken?

Léonard Bodmer:
Mit den Lösungen Inktank Ceph Enterprise und Red Hat Storage sind wir auch im Storage-Bereich breit aufgestellt. Ceph Enterprise bietet Unternehmen, die eine Public oder Private Cloud nutzen, eine leistungsstarke Object- und Block-basierte Storage-Software, die sich auch in Openstack-Clouds etabliert hat. Heute fliegen die Kunden im Storage-Bereich mit ihren Daten fast ausschliesslich erste Klasse. Muss das sein? Mit der Lösung Red Hat Storage können Unternehmen die Schranken von teurem und schwer zu verwaltendem Storage durchbrechen und Dateien mit linear skalierbarer Leistung, Kapazität und Verfügbarkeit flexibel bereitstellen und austauschen. Auch die exponentiell wachsenden Mengen semistrukturierter und unstrukturierter Daten lassen sich damit problemlos verwalten.

ICTkommunikation:
Wie steht Red Hat gegenwärtig im Schweizer Markt da? Wo sehen Sie hier momentan die grössten Herausforderungen, wohin zielen Sie mit ihren strategischen Überlegungen mittelfristig?

Léonard Bodmer:
Red Hat Schweiz hat ein kontinuierliches Wachstum verzeichnet. So konnten wir auch mehrere neue Stellen schaffen. Red Hat hat sich inzwischen als wichtiger Hersteller im Schweizer Markt etabliert, der kosteneffiziente und zukunftssichere Lösungen bereitstellt. Wir sind damit bestens aufgestellt, da viele Schweizer Unternehmen und lokale Softwarehersteller heute auf der Suche nach neuen, innovativen Enterprise-Ready-Lösungen sind.

ZUR PERSON
Léonard Bodmer ist seit Oktober 2010 Country Manager Switzerland. Der gebürtige Schweizer arbeitet seit mehr als zehn Jahren in der IT-Branche und war in unterschiedlichen Sales- und Management-Positionen bei IBM tätig – zuletzt als Sales Leader bei IBM Switzerland und Austria. Davor arbeitete Bodmer mehrere Jahre im ehemaligen europäischen Hauptquartier von IBM in Paris. Bodmer verfügt über einen Abschluss als Dipl. Betriebsökonom.

ZUR FIRMA
Red Hat gilt als Marktführer im Bereich der Linux-Distributionen für Server. Der Konzern hat weltweit über 6000 Mitarbeiter und 70 Büros. Der Stammsitz liegt in Raleigh (North Carolina) in den USA. Das Unternehmen ist aktiv auf den Gebieten Entwicklung, Einführung und Management von Linux- und Open-Source-Lösungen für Netzwerk-Infrastrukturen. Das Produktangebot reicht dabei von eingebetteten Systemen bis zu Webservern und umfasst zusätzliche Support-, Trainings- und Managementangebote. Red Hat hat im Juni 2006 die Akquisition von JBoss abgeschlossen. Durch den Erwerb von JBoss, dem weltweit führenden Anbieter von Open Source Middleware, kann Red Hat die Entwicklung hin zu Serviceorientierten Architekturen (SOA) beschleunigen. Das Unternehmen ermöglicht so auch den Betrieb webfähiger Anwendungen auf einer Open-Source-Plattform.

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Léonard Bodmer, Country Manager Red Hat Switzerland (Bild: Red Hat)