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Ein Zusammenschluss Schweizer Wissenschaftler von IBM Research (Zürich), ETH Zürich, des Paul Scherrer Instituts in Villigen und der Università della Svizzera Italiana in Lugano möchte neuartige dreidimensionale Computerchips mit einem Flüssigkeitskreislauf geleichzeitig kühlen und mit Energie versorgen. Pate stand dabei das menschliche Gehirn.

Vom menschlichen Gehirn inspiriert, entwickeln die Forscher einem Communiqué zufolge ein Mikrokanalsystem mit einer elektrochemischen Flussbatterie, die 3D-Chipstapel gleichzeitig kühlen und mit Energie versorgen. Ultimatives Ziel ist die Entwicklung eines Supercomputers in PC-Grösse. Dieser bahnbrechende Ansatz nimmt sich den Aufbau und die Versorgung des Gehirns als Vorbild, das über Blutkapillaren einerseits gekühlt und andererseits mit Energie versorgt wird. Dadurch ist unser Gehirn rund 10 000-mal dichter und 10 000-mal energieeffizienter als die besten Computer heute.

„Wenn wir Wissen aus der Biologie mit unserer Expertise in Chiptechnologie verbinden, sind wir fähig, effiziente und leistungsfähige Computersysteme zu entwickeln, die das Beste aus Natur und Technologie in sich vereinen“, erklärt Bruno Michel, Leiter der Forschungsgruppe Advanced Thermal Packaging am IBM Forschungszentrum in Rüschlikon. Die Forscher sind überzeugt, dass mit ihrem Ansatz ein heutiger Computer mit einer Leistung von 1 Petaflop/s von der Grösse eines Schulzimmers auf die Grösse eines durchschnittlichen PCs bzw. auf rund 10 Liter Volumen reduziert werden kann.

Bisher verdoppelten sich nach dem Mooreschen Gesetz circa alle 18 Monate die Transistorenanzahl auf einem Chip und damit die Computerleistung – gleichzeitig wuchs jedoch auch der Stromverbrauch. In den nächsten Jahrzehnten soll diese Entwicklung bis hin zu Zetascale-Systemen vorangetrieben werden. Solche Systeme sind in der Lage, 10E21 – eine eins mit 21 Nullen – Rechenoperationen pro Sekunde durchzuführen, rund 30 000-mal mehr als derzeitige Spitzensysteme. Basierend auf aktuellen Technologien würde ein solcher Supercomputer mehr als die heutige Weltproduktion an Elektrizität verschlingen.

3D-Chiparchitekturen – dreidimensional aufeinander gestapelte Chips – bieten einen vielversprechenden Weg, um die Energieeffizienz und Leistung von Computern zukünftig zu steigern. Diese Architekturen reduzieren die Chip-Grundfläche, verkürzen die Datenverbindungen und erhöhen die Bandbreite für die Datenübertragung im Chip um ein Vielfaches. Es bestehen aber zwei veritable Herausforderungen. Zum einen tritt in komplexeren Chipstapeln eine extreme Hitzeentwicklung von mehreren kW/cm3 (Kilowatt pro Kubikzentimeter) auf – eine Leistungsdichte, die diejenige eines heutigen Verbrennungsmotors weit übertrifft. Zum anderen ist die Energiezufuhr über den Chipsockel mittels elektronischer Anschlüsse – den so genannten Pins – nicht mehr ausreichend, um die erforderliche Energie von mehreren kW/cm3 in den Chipstapel zu liefern.

Um 3D-Chips effizient zu kühlen, entwickelten die Forscher von IBM Research – Zürich bereits flüssiggekühlte Testsysteme mit haarfeinen, integrierten Kühlstrukturen, die die Flüssigkeit zwischen den einzelnen Schichten hindurchleiten. Das so genannte „interlayer cooling“ erreicht eine Kühlleistung von 3 kW/cm3.

Im Repcool-Projekt, eines im Rahmen des Sinergia-Programms vom Schweizerischen Nationalfonds geförderten dreijährigen Forschungsvorhabens, gehen die Forscher nun einen Schritt weiter und entwickeln ein integriertes Kühl- und Energieverteilungssystem auf Basis einer elektrochemischen Flussbatterie, um auch das Problem der Energiezufuhr nachhaltig zu lösen. Die Energie wird dann nicht mehr über elektrische Leitungen, sondern elektrochemisch mittels so genannter Redox-Chemikalien über die Flüssigkeit verteilt.

Ähnlich wie bei einer Batterie fungiert die Flüssigkeit als Elektrolyt zwischen jeweils zwei Elektroden. Die Elektrodenpaare bestehen aus einer zentralen Elektrode, die die Flüssigkeit elektrisch lädt, und vielen Empfängerelektroden auf den einzelnen Schichten im 3D-Chipstapel. Die elektrochemische Flussbatterie ist im grossen Massstab bereits heute im Einsatz, um Strom – beispielsweise aus erneuerbaren Quellen – zwischenzuspeichern. Für den Einsatz in zukünftigen Chipstapeln muss die Technologie miniaturisiert und verbessert werden. „Insbesondere die Leistungsdichte muss gegenüber dem heute Möglichen auf mehr als das Zehnfache gesteigert werden. Genügend Energie in die engen und komplexen Zwischenräume des 3D-Chips zu bringen, ist eine der Hauptschwierigkeiten des Projekts“, sagt Prof. Dimos Poulikakos, Institut für Energietechnik der ETH Zürich.

Für die Erreichung dieses Ziels ist eine umfangreiche Forschung an den einzelnen Elementen des 3D-Chips – den Prozessorschichten, den Elektroden und Elektrolyten sowie den zwischen den einzelnen Schichten liegenden Membranen – notwendig. Das Projekt gliedert sich daher in vier Unterprojekte, in denen jeder der Partner einen der Komponenten erforscht.

Prof. Michele Parrinello, Università della Svizzera italiana, und Alessandro Curioni, IBM Research – Zürich, fokussieren ihre Arbeit auf die Modellierung von Redoxpaaren und der Reaktionsmechanismen mittels ab initio Simulationen, um so ein tieferes Verständnis von den ablaufenden chemischen Reaktionen zu erlangen. Prof. Thomas J. Schmidt vom Labor für Elektrochemie am Paul Scherrer Institut arbeitet an der experimentellen Charakterisierung und Verbesserung der elektrochemischen Eigenschaften ausgewählter Systeme. Er entwickelt mit seinem Team geeignete elektrochemische Elektroden und Membranen zur Trennung der Elektrolyten in der Flussbatterie. Prof. Dimos Poulikakos, Institut für Energietechnik der ETH Zürich, arbeitet an der Optimierung des Elektrolyten- und Wärmetransports in Flüssigkeiten zwischen den verschiedenen Chipebenen, um eine möglichst hohe Leistungsdichte der miniaturisierten Flussbatterie zu erreichen. Im vierten Projektteil arbeitet das Team um Bruno Michel an der Integration dieser Systeme in einen Prototyp. Zudem werden sowohl Komponenten als auch das integrierte System getestet und optimiert.

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Ein IBM-Wissenschaftler präsentiert einen Test-Chip mit Elektroden, über die der Chip mit Energie aus einer Elektrolyt-Flüssigkeit versorgt werden kann. (Bild: IBM Research)
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In einem Experiment wird getestet, ob ein Prototyp-Computerchip mit Energie aus Elektrolyt-Flüssigkeit versorgt werden kann. (Bild: IBM Research)