Impression vom ICT Campus Lenzburg (Bild: zVg)

Etwas anders als geplant eröffnete am vergangenen Wochenende in Lenzburg der vierte Standort des Informatik- und Mint-Nachwuchs-Förderungsprojektes ICT Campus. Während die Erstausgabe des Brack.ch ICT Campus Lenzburg für die Jugendlichen Talente real stattfand, musste die mit viel Prominenz angesagte Eröffnungsfeier von der Aula des Lenzhard Schulhauses auf Youtube verschoben werden.

Gastbeitrag von Dominik Strobel

In ihrer aufgezeichneten Keynote weist alt-Bundesrätin Doris Leuthard darauf hin, dass die Schweiz im World Digital Competitiveness Ranking des IMD (Anm.: International Institute for Management Development in Lausanne) auf Platz 6 von 63 Nationen positioniert sei. "Das ist zwar nicht schlecht, aber eben nicht Top," mahnt sie. Minuspunkte gab es ausgerechnet für die Ausbildung.

118'000 zusätzliche ICT-Fachkräfte wird die Schweiz gemäss der neusten Studie von ICT Berufsbildung Schweiz bis 2028 benötigen. "Das ist schon übermorgen," betont Serge Frech, Geschäftsführer des nationalen Verbandes für die Informatik- und Mediamatik-Ausbildung in seiner Videobotschaft aus dem Militär. Diese Herausforderung lauert ungeachtet jeglichen Rankings über der Schweiz. Doch für Frech besteht Hoffnung: "Für uns ist ICT Scouts & Campus das vielversprechendste Nachwuchs Förderprojekt."

Viel Lob von den Referenten erntete Brack.ch als Namenssponsor des Aargauer ICT Campus Standortes. "Brack.ch hat verstanden, wer früh Talente säht wird Fachkräfte ernten," lobt Frech.

Den Lenzburger Stadtamman Daniel Mosimann erfüllt es mit etwas Stolz, dass der vierte ICT Campus Standort im geografischen Zentrum zwischen den bisherigen Grossstadt-Standorten Basel, Bern und Zürich liegt: "Als mir das Projekt vorgestellt wurde, war ich hell begeistert," erzählt er live vor leeren Rängen in der Lenzhard Aula. Das Konzept, Talente zu erkennen, indem man es ihnen ermöglicht zu experimentieren, insbesondere dass am Schluss nicht schulische Leistungen und Zeugnisnoten, sondern die im Campus demonstrierten Fähigkeiten im Vordergrund stünden, habe ihn sofort davon überzeugt, dieses Projekt in seiner Stadt umzusetzen. "Es ist eine Chance für die Jugendlichen, für die Schulen und es ist vor allem eine Chance für die Berufswelt," ist er sich sicher.

Grossratspräsidentin Edith Saner zweifelt nicht daran, dass Steve Jobs von den Machern des ICT Campus beeindruckt gewesen wäre und zitiert ihn mit den Worten "Menschen, die verrückt genug sind zu denken, sie könnten die Welt verändern, sind diejenigen, die es auch tun", denn sie glauben nicht nur daran, für die Jugendlichen und Talente etwas bewegen zu können, sondern setzen es auch um. Sie seien nicht nur etwas verrückt, sondern auch kreativ.

Nebst Corona schwebte jedoch eine weitere dunkle Wolke über dem ansonsten euphorischen Start des Lenzburger ICT Campus. Denn ausgerechnet der Gastgeber des Anlasses, die Lenzburger Lenzhard Schule, zog im ICT Scouting bisher noch nicht mit. Dessen Schulleiter und Hausherr, Edgar Kohler, stand das Dilemma ins Gesicht und in seine Ansprache geschrieben. Er erinnert seine Lehrerschaft an den neuen Lehrplan, welcher von den Volksschulen erwartet, dass sie die Schülerinnen und Schüler für die digitale Transformation der Gesellschaft und der Arbeitswelt fit machen. Der Lockdown habe verdeutlicht, wie wichtig die Digitalisierung speziell auch im Bildungsbereich geworden ist. Kohler hofft, dass sich die Ablehnung seiner Lehrerschaft im Verlaufe des Projektes verflüchtigt, und dass das ICT Scouting seiner, wie auch allen anderen Schulen langfristig einen Mehrwert und den begabten Jugendlichen, insbesondere den Mädchen, den Zugang zu technischen und den Informatik Berufen ebnen wird. (Anmerkung: Am Montag wurde bekannt, dass sich die Oberstufe Lenzhard für Scoutings gegen Ende des Schuljahres 20/21 entschieden habe.)

Für gutes Wetter sorgte dann wieder Marianne Wildi, Präsidentin der Aargauischen Industrie- und Handelskammer und CEO der Hypothekarbank Lenzburg. Gutes Wetter war es denn auch, welches vor knapp zwei Jahren den ICT Campus Lenzburg fast im Keim verhindert hätte. Es war der 21. April 2018, als sie sich an einem wunderschönen Samstag widerwillig nach Zürich begab, weil sie einer Teilnahme am dortigen ICT Demo Campus zugesagt hatte. Die Verlockung sei gross gewesen, wieder umzukehren. "Doch, sobald ich diesen Raum betrat, hat mich die Begeisterung der Jugendlichen angesteckt," erzählte sie ihr Erlebnis von damals. Wie die Jugendlichen, dem schönen Wetter trotzend, zusammengearbeitet hätten, sich mit einer unerwarteten Selbstverständlichkeit gegenseitig halfen und Probleme als willkommene Herausforderungen angingen, hat sie schwer beeindruckt: "Diese Begeisterung zurück in den Aargau zu bringen wurde für mich zur Herzensangelegenheit."

Nebst dem Stadtammann infizierte Wildi auch Roland Brack mit dieser Begeisterung. "Aller Anfang ist schwer," bestätigte der "Löwe" auf die Erfahrungen seines Vorredners, Edgar Kohler, Bezug nehmend. Als er noch als Schüler und Autodidakt Computer zusammenbaute und programmierte, habe er keinen ICT Campus gehabt, in welchem sich Gleichgesinnte hätten vernetzen können. Seit Jahren sei Brack.ch mit einem Mangel an Entwicklern konfrontiert, was dazu führte, dass sie aus der Not ein Entwicklungsbüro in Krakau eröffneten. Entsprechend habe er sich über die Anfrage zur Unterstützung des ICT Campus Lenzburg gefreut: "Es macht uns stolz, dass wir Namensgeber sein dürfen. Diese gezielte Talentförderung ist für die Wirtschaft ein wichtiges Thema und für die Schüler eine Karrierechance."

Der unter normalen Umständen obligate Apero musste zwar ausfallen, doch es geht nichts über persönliches Netzwerken. So waren bis zum Schluss der Aufzeichnungen alle Referenten vereint um die “Eröffnungsmaschine”, einem traditionell mit Arduino-Bausteinen gebastelten Band-Durchschneide Roboter, und wer glaubt, dass sich diese politisch-wirtschaftliche Prominenzversammlung darauf ohne weiteres Politisieren aufgelöst hätte, hat das selbst gegen SARS-CoV-2 immune politische Grundwesen nicht verstanden.

(*)Nachtrag: Heute Morgen, 26.Oktober, wurde bekannt, dass sich die Oberstufe Lenzhard für Scoutings gegen Ende des Schuljahres 20/21 entschieden habe.



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