Werndorf bei Wildon einst und heute: Das linke Katasterbild aus den 1820er-Jahren zeigt die Landnutzung und die Verkehrsinfrastruktur im frühen 19. Jahrhundert. Das rechte Luftbild gibt die Gegenwart wieder. Dabei wird sichtbar, dass sehr viele Strukturen des Katasterbild aus der Vogelperspektive immer noch erkennbar sind. Das Luftbild gewährt einen noch tieferen Blick in die Vergangenheit: Zum einen erkennt man das Profil einer Römerstraße (zwei parallele Spurrinnen), die im Kataster nicht mehr verzeichnet

Ein Projekt der Universität Graz macht Spuren der Vergangenheit wieder sichtbar. Mit Hilfe künstlicher Intelligenz und historischer Karten lüften die Forscher:innen lange verborgene Rätsel und werden zu digitalen Archäolog:innen.

Wie kommt der Staat zu mehr Geld? Indem er etwa Besitz besteuert. So begann vor mehr als 200 Jahren unter Kaiser Franz II./I. eine umfassende Erhebung aller Gebäude, Gewässer, Strassen, Äcker, Bäume und mehr. Auf insgesamt 600.000 Blättern wurde zwischen 1817 und 1861 die Habsburgermonarchie vermessen. "Ein gigantisches zentralistisches Verwaltungsprojekt", erläutert Wolfgang Göderle, Forscher am Institut für Geschichte der Universität Graz. Die detailreichen Aufzeichnungen sind noch heute als sogenannter Franziszeischer Kataster erhalten und mittlerweile digitalisiert. Mit einem grossen Mehrwert, betont Göderle: "Durch die Digitalisierung und Georeferenzierung ist es nun möglich, diese historischen Unterlagen mit aktuellen Karten zu überlagern und zu vergleichen."

Automatisierte Spurensuche

Das nützt das FWF-Projekt unter der Leitung des Historikers, um mit Hilfe künstlicher Intelligenz die einzelnen kartographischen Strukturmerkmale wie Häuser, Flüsse und Felder vor 200 Jahren automatisiert zu erkennen und die Vergangenheit mit der Gegenwart zu verknüpfen. Denn moderne Luftbilder machen sogar Flussläufe vor 10.000 Jahren, antike Wege und keltische Hügelgräber sichtbar. Diese Informationen übereinandergelegt, ermöglichen es, laut Göderle, einerseits Spuren vorhandener Strassen und Gebäude nachzuzeichnen. Andererseits lassen sich verschwundene Landschaften und deren Nutzung rekonstruieren. "Vor allem in höheren Lagen sah die Steiermark Anfang des 19. Jahrhunderts ganz anders aus als heute", weiss der Wissenschaftler aufgrund erster Ergebnisse.

Das entwickelte Modell soll schliesslich in das Geographische Informationssystem (GIS) des Landes Steiermark integriert und öffentlich zugänglich werden. Wolfgang Göderle: "Wir erhalten damit ein Gesamtbild, wie sich Siedlungen, landwirtschaftliche Flächen und auch Straßenverläufe verändert haben." Er ist überzeugt, dass die Darstellung dazu beitrage, den Bezug zur eigenen Umgebung zu stärken und deren Entwicklung besser zu verstehen.

Das Projekt "Bewegung in Raum und Zeit" läuft noch bis September 2026. An der interdisziplinären Zusammenarbeit sind folgende Partner:innen beteiligt: Die KI-Modelle haben Jörg Baumann (Institute of Machine Learning and Neural Computation, TU Graz) und David Fleischhacker (Institut für Geschichte, Uni Graz) entwickelt. Ihr Know-how steuern ausserdem Nicole Kamp (GIS Steiermark, Land Steiermark) und Stephan Karl (Institut für Antike, Uni Graz) bei.



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