Bild: Gulp

In den Monaten vor der Corona-Pandemie sorgte der anhaltende Fachkräftemangel für konstant hohe und tendenziell weiter steigende Stundensätze für IT- und Engineering-Freelancer in der Schweiz. Dies geht aus einer Umfrage des Personaldienstleister Gulp hervor, für die von September 2019 bis Februar 2020 insgesamt 440 IT- und Engineering-Freelancer in der Schweiz befragt wurden. Im direkten Vergleich zur letztjährigen Studie ist der durchschnittliche All-inclusive-Stundensatz auf 152,01 Franken (Vorjahr: 151,97 Franken) gestiegen. Die Erhöhung wirkt marginal, bestätigt aber das konstant hohe Niveau und die Tatsache, dass ein Grossteil der Umfrageteilnehmer ihre Stundensätze sogar erhöht hat.

Betrachtet man die Statistik der Stundensätze genauer, ist zu erkennen, dass knapp 49 Prozent der Befragten unter dem durchschnittlichen Satz liegen. So gaben 23,58 Prozent eine durchschnittliche Vergütung von 120 bis 139 Franken an und gerade einmal 18,4 Prozent lagen im Bereich des Durchschnittswerts. Dies ist laut Untersuchung darauf zurückzuführen, dass 16 Prozent der Befragten den Wert durch Stundensätze jenseits der 200 Franken nach oben treiben.

Einen stärkeren Hinweis auf die steigenden Stundensätze gibt der Vergleich der Sätze zum vorigen Projekt. Dabei gaben 62 Prozent der Teilnehmer an, ihre Stundensätze erhöht zu haben, wovon 23,9 Prozent eine Steigerung von 10 Prozent durchsetzen konnten.

Im Vergleich zum Vorjahr sei die direkte Beauftragung von ICT-Freelancern über den Endkunden von 59 auf 52 Prozent gesunken, besagt die Gulp-Studie weiters. Freelancer kämen zunehmend über Personaldienstleister und Plattformen an ihre Projekte. heisst es. Demnach haben knapp 27 Prozent der Befragten angegeben, ihre Aufträge über einen Personaldienstleister zu erhalten, während gut 21 Prozent auf Plattformen wie Gulp Direkt, Xing oder Linkedin akquirieren würden. Diese Tendenz werde zukünftig weiter steigen, da ebenfalls beobachtet werden könne, dass grosse Unternehmen vermehrt auf strategische Dienstleistungspartner setzten, um externe Experten anzuheuern.

Die Gründe, sich für die Selbstständigkeit zu entscheiden, sind laut der Studie meistens durch verschiedene Faktoren motiviert, die individuell variieren. Nichtsdestotrotz lassen sich anhand der gegebenen Antworten der Studienteilnehmer zwei Hauptursachen identifizieren, die sich grundlegend unterscheiden. Einmal sei es der Wunsch, selbst zu bestimmen, welche Aufträge man annimmt oder nicht. Dieser Grund ist der Befragung zufolge für mehr als ein Drittel aller interviewten ICT-Fachleute der ausschlaggebende Punkt, warum sie sich für die Selbstständigkeit entschieden haben. Der zweite Grund ist unfreiwilliger Natur. 32,35 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben an, dass eine berufliche Notwendigkeit (Jobverlust) für den Schritt in die Selbstständigkeit verantwortlich gewesen sei. Die Teilnehmer, die den Jobverlust als Grund der Selbstständigkeit angaben, waren durchschnittlich ca. 50 Jahre alt und stellen somit die älteste Gruppe der Begründenden dar. Die Corona Krise wird diesen Anteil zweifelsfrei weiter ansteigen lassen, unabhängig vom Alter.

Gleichzeitig zeigt die Auswertung der Dauer, wie lang jemand freiberuflich tätig ist, dass eine Selbständigkeit aufgrund von Jobverlust ein eher junges Phänomen ist. Mit weniger als acht Jahren liegt der Durchschnitt signifikant tiefer als bei allen anderen. Es scheint demnach, dass speziell für ältere ICT- und Engineering-Spezialisten der Weg in die Selbständigkeit in jüngerer Vergangenheit zu einer attraktiven Alternative geworden ist. Als Selbstständige können sie ihre Erfahrung und Kompetenzen viel gezielter einsetzen und auch die Auftraggeber dürften gegenüber Externen wesentlich weniger altersbezogene Vorbehalte haben, als wenn eine Festanstellung zur Diskussion stünde.

Die Schweizer ICT- und Engineering-Freelancer sind gut bis sehr gut ausgelastet, so die Studie weiters. Fast 72 Prozent sind demnach pro Jahr mit mehr als 150 verrechenbaren Projekttagen im Einsatz. 50 Prozent der Befragten geben sogar 200 und mehr Projekttage an, die sie ihren Auftraggebern in Rechnung stellen. Hinzu kommen rund 20 Prozent der Arbeitszeit durch nötige Arbeiten von Selbstständigen, beispielsweise Administrationstätigkeiten, Akquise, Weiterbildungen und Networking. Daher könne man davon ausgehen, dass ein Grossteil der Freelancer mindestens 240 Tage im Jahr arbeite und damit mehr als ihre festangestellten Kollegen. Letztere kommen bei einem 100 Prozent Pensum auf durchschnittlich 225 Arbeitstage pro Jahr.

Kurzfristig dürfte die Arbeitsauslastung als Folge der Covid-19-Pandemie sinken. Einerseits wurden angesichts der Unsicherheiten viele Projekte eingestellt oder verschoben, andererseits wachse die Anzahl der Selbständigen aufgrund von Jobverlusten. Längerfristige Prognosen seien angesichts der sich rasch wandelnden Lage deutlich schwieriger. Nach dem Tief dürfte aber naturgemäss eine Wachstumsdynamik einsetzen, die sich positiv auswirken werde. Denn gerade die Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie hätten die Defizite der Digitalisierung in Unternehmen sowie Behörden sichtbar gemacht und dürften für einen grossen Schub sorgen, den es zukünftig zu bewältigen gelte.



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