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Im Rahmen einer neuen Studie sind die Motive von "Trollen" in Online-Medien untersucht worden. Die dabei durchgeführten Interviews zeigen: Die Gründe für provozierende Kommentare im Internet sind vielfältig. Was aber viele Trolle eint: Sie sind unzufrieden mit dem Journalismus und sehen sich als "Glaubenskrieger" für die Wahrheit.

Formen der Partizipation von Bürgern sind in den Massenmedien nichts Neues, man denke an den klassischen Leserbrief. Doch mit der Verbreitung von Online-Medien haben sich die Möglichkeiten der Teilnahme am Mediengeschehen vervielfacht – von Kommentarfunktionen unter Artikeln über eigene Foren bis hin zu den Social-Media-Auftritten von Zeitungen. "Eines der grossen Probleme in diesem Bereich ist die sogenannte dysfunktionale Kommunikation", sagt Tobias Eberwein vom Institut für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), unter dessen Leitung die Studie durchgeführt wurde. "Dabei geht es um destruktive Kommentare, deren Inhalt weit über konstruktive Kritik hinausgeht," so Eberwein.

Konkret hat Eberwein nun untersucht, welche Motive sogenannte Trolle, also Personen, die im Internet mit ihren Beiträgen bewusst provozieren, verfolgen. Er und sein Team haben in der qualitativen Studie ausführliche Interviews mit 22 Personen im Alter von 36 bis 70 Jahren geführt, die regelmässig destruktive Kommentare auf Nachrichtenwebsites veröffentlichen. Ein Ergebnis der Auswertung ist, dass allen Befragten eine skeptische Grundhaltung dem Journalismus gegenüber gemein ist – bis hin zu einer tiefen Unzufriedenheit mit der Medienlandschaft und dem Gefühl, mit ihren Anliegen nicht gehört zu werden.

"Tatsächlich waren Internetnutzer, die nur deswegen destruktive Kommentare posten, weil sie andere belästigen und damit einen geordneten inhaltlichen Diskurs unterbinden wollen, in der Studie eher die Ausnahme", erläutert Eberwein. "Eine Mehrzahl der Gesprächspartner präsentierte sich stattdessen als eine Art 'Glaubenskrieger', die von einem Sendungsbewusstsein angetrieben sind, für das sie öffentlich einstehen und das sie – notfalls mit harten Bandagen – verteidigen", so der Kommunikationsforscher.

Von Wahrheitsfindung bis Aggressionsbewältigung

Auf Basis der Studienergebnisse liessen sich verschiedene Motivgruppen bei Internettrollen unterscheiden:
- Einige User hinterlassen störende Kommentare, weil sie nicht weniger als die "ganze Wahrheit" aufdecken wollen, die aus ihrer Sicht in vielen professionell gestalteten journalistischen Beiträgen ausgeblendet oder gezielt "vertuscht" wird.
- Andere verfolgen ein weniger absolutes Ziel. Sie wollen den Journalismus nicht von Grund auf verändern, sondern stattdessen die Vielfalt der publizierten Meinungen vergrössern. Ihre Sichtweisen verstehen sie als gezielte Beiträge zur Stimulierung eines breiteren inhaltlichen Diskurses.
- Manche Kommentierende betonen das Element der Provokation. Sie halten es für eine notwendige Strategie, andere Nutzer mit angriffigen Wortmeldungen herauszufordern, weil sie der Meinung sind, dass sich nur auf diesem Weg in der Online-Welt Gehör finden lässt.
- Es gibt auch eine Gruppe von Nutzern, die ihre Online-Aktivitäten als Akt der Aggressionsbewältigung beschreiben. Sie sind vom Journalismus so enttäuscht, dass sie sich einen Kanal zum Frustabbau suchen.

Wieder andere Internet-Anwender veröffentlichen störende Postings nur zum Spass: Er oder sie tritt nicht als Anwalt einer Sache oder Personengruppe auf, sondern möchte sich mit den eigenen Inputs in erster Linie auf Kosten anderer amüsieren.

Während die letzte Gruppe auf Nachrichtenplattformen oft sehr dominant erscheint, war sie im Sample der Studie unterrepräsentiert, sagt Tobias Eberwein, der auch betont, dass es noch weitere Gründe für Online-Trolling geben kann, denn: "Viele von denjenigen 'Störern', die wir für unsere Studie versucht haben zu kontaktieren, wollten nicht mit uns sprechen – insofern ist uns bewusst, dass wir hier nur einen Teil der unterschiedlichen Motive hinter störenden Kommentaren abbilden können."



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