Ein chinesisch-amerikanisches Forscherteam hat einen Ansatz entwickelt, um den physischen Standort von Computern einzig anhand der IP-Adresse sehr genau zu ermitteln. Dazu nutzen sie grosse Unternehmen und Universitäten und die IP-Adressen ihrer Webserver als Orientierungshilfen.

Damit wird die IP-basierte Geoortung 50 mal genauer als bisher, so das Team um den Informatiker Yong Wang von der University of Electronic Science and Technology of China. Der Standort wird mit wenigen 100 Metern Unsicherheit ermittelt, und das ganz ohne Zustimmung des Users.
"Es war schon bislang gut möglich, den Standort anhand der IP in etwa auf die Grösse einer Kleinstadt genau zu ermitteln", meint Martin Penzes, Technischer Direktor von Eset. Es ist also beeindruckend, dass die Ungenauigkeit bei Wang und Kollegen im Mittel bei 690 Metern und teils bei nur 100 Metern liegt. Möglich wird das, weil den Chinesen und ihren Kollegen an der Nothwestern University zufolge grosse Firmen und Universitäten ihre Website oft auf einem Server hosten, der auf dem eigenen Gelände steht. Zudem ist auf der Seite mit bekannter IP-Adresse meist die physische Adresse zu finden.

Mithilfe von Google Maps werden diese Organisationen dann praktisch zu markanten Wahrzeichen für die IP-Orientierung. Der Ansatz nutzt dazu zunächst eine herkömmliche, grobe IP-basierte Standortbestimmung. Dann ermitteln die Forscher durch den Vergleich von Paketlaufzeiten, welche ihrer Orientierungshilfen sich in der Nähe eines Rechners befinden. Dieser Prozess wird dann auf feinerer Detailebene nochmals wiederholt, um das dem gesuchten Rechner nächstliegende IP-Wahrzeichen zu ermitteln. Der Standort des gesuchten Computers kann somit zwar nicht exakt bestimmt, aber sehr genau eingegrenzt werden.

Werbemöglichkeiten

Ein potenzielles Anwendungsgebiet für die genaue Ortung ist die Werbung. "Amazon, Facebook oder Google nutzen IP-Standortbestimmung längst für diese Zwecke", sagt Penzes. Mit einer genaueren Standortbestimmung könnte seiner Ansicht nach Online-Werbung für Kleinunternehmen interessanter werden, die wie beispielsweise Pizzazusteller möglichst Kunden in einem klar definierten, relativ kleinen Gebiet erreichen wollen. Allerdings scheint fraglich, ob der Ansatz da mit der noch genaueren GPS- oder 3G-Ortung bei Handys mithalten kann.

Im Vergleich zu Smartphone-Ortungssystemen gibt es freilich einen markanten Unterschied. Bei Smartphones entscheidet der User, ob er beispielsweise einer App sein Vertrauen schenkt, die auf GPS-Daten zugreifen will. Die IP-basierte Ortung dagegen kann definitiv ohne Einwilligung des Users erfolgen. All zu bedenklich ist das bei der von Wangs Team erreichten Ortungsgenauigkeit nach Ansicht von Penzes nicht, doch ist es datenschutztechnisch potenziell problematisch. "Es wäre wirklich alarmierend, wenn man aufgrund der IP eine genaue Türnummer ermitteln könnte", meint der Eset-Experte.