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Die digitale Transformation, neue Wettbewerber, niedrige Zinssätze und strengere Regulierungen setzen Schweizer Banken zunehmend unter Druck. Doch neue Technologien wie Robotic Process Automation, Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen sollen die Finanzinstitute wieder auf Kurs bringen.

Gastbeitrag von Rahul Singh, Präsident der Finanzdienstleistungen im vertikalen Markt sowie der Business Services-Division (BPO - Geschäftsdienstleistungen) bei HCL

Ist die Schweiz immer noch der attraktivste Standort für das Finanzwesen weltweit? Vermutlich ja, aber es wird immer deutlicher, dass der Bankensektor um die Beibehaltung dieses Status kämpfen muss. Dies liegt vor allem an starken Veränderungen im Zuge der digitalen Transformation sowie an immer strengeren Regulierungen.

Neue Vorschriften

In den vergangenen zehn Jahren wurden zahlreiche neue Reformen und Vorschriften in die Schweizer Bankenlandschaft eingeführt, die bereits von niedrigen Zinssätzen und schrumpfenden Margen betroffen ist. Ein aktuelles Beispiel bildet das Abkommen über den neuen Steuertransparenz-Standard zur automatischen Auskunftserteilung, der Automatic Exchange of Information (AEOI) Act. In dessen Rahmen müssen Schweizer Banken jährlich detaillierte Kundendaten gegenüber 38 Mitgliedstaaten offenlegen. Diese Anzahl dürfte weiter steigen, da immer mehr Länder dieses Abkommen unterzeichnen.

Solche Entwicklungen – gemeinsam mit anderen neuen Regulierungen, die derzeit geplant sind – belasten die bereits ächzenden Banken zusätzlich. Die Situation wird wahrscheinlich weiter verschärft durch die umfassende Digitalisierung und den steigenden Wettbewerbsdruck durch branchenfremde Unternehmen. Zusätzlich steigen die Betriebskosten in der Branche im Durchschnitt um jährlich 2,2 Prozent. Dies liegt, laut der weltweit tätigen Managementberatung Oliver Wyman, an massiven Verwaltungsgemeinkosten.

KI, ML, RPA
Doch die Lage ist nicht ganz so schlimm, wie sie erscheint. Es stimmt zwar, dass die Compliance-Prozesse und steigenden Kosten einen heftigen Tribut von den Banken fordern. Aber neue Technologien versprechen neue Chancen in Form von innovativen Angeboten und effizienten Abläufen.

Fortschritte in den Bereichen Künstliche Intelligenz (KI), Maschinelles Lernen (ML) und Robotic Process Automation (RPA) gelten für Banken als besonders wichtig, da sie die operativen Gewinnmargen deutlich verbessern können. Diese Technologien sind zwar nicht neu, doch die Schweizer Banken mit ihren Altsystemen und komplexen Betriebsmodellen führen sie nur langsam ein.

Während sie schon ziemlich erfolgreich einige digitale Angebote für Kunden bereitstellen, zögern sie bislang noch bei der Umstellung ihrer klassischen Back-Office-Systeme und Betriebsmodelle. Da jedoch die Digitalisierung weiter voranschreitet und regulatorische Anforderungen sich verändern, benötigen die Banken schnellere, effizientere Prozesse, die herkömmliche Systeme nicht mehr unterstützen können. Die dadurch entstehenden Probleme verhindern sie durch die Nutzung von Technologien wie RPA. Gleichzeitig sichern sie damit ihre Zukunftsfähigkeit.

Software-Roboter

Doch was ist RPA eigentlich? Es handelt sich um die automatische Bearbeitung grosser Mengen an Routinetätigkeiten durch Software. Dies kann die Effizienz einer grossen Vielfalt an Back-Office-Systemen deutlich erhöhen. Dazu zählen unter anderem die vorgeschriebene Berichterstattung, Änderungen von Kundendaten und Kreditbearbeitung.

Ein typisches Beispiel bildet eine Schweizer Privatkundenbank, die Software-Roboter verwendet, um Adressenänderungen von Kunden zu bearbeiten. Die Bank bedient fast drei Millionen Kunden, wodurch die manuelle Durchführung dieser Aufgabe sehr mühsam und zeitaufwändig ist. Das Unternehmen entschied sich für RPA, um das Projekt an Software-Roboter zu delegieren. So entlastet sie ihre Mitarbeiter deutlich, wodurch diese mehr Zeit für andere Aufgaben erhalten. RPA lässt sich auch einsetzen, um komplexere Abläufe zu automatisieren. Dies beweist eine Schweizer Privatbank, die 80 Prozent der Prozesse zum Anlegen neuer Kunden im System automatisiert hat.

RPA kann in Kombination mit der Automatisierung von Routineaufgaben Unternehmen auch dabei helfen, ihre Kosten um bis zu 65 Prozent zu reduzieren, gemäss einer Studie der Everest Group. Gleichzeitig verkürzen sie die Zeit zur Durchführung dieser Aufgaben deutlich. Im Gegensatz zu anderen Technologien kann RPA dabei neben herkömmlichen Systemen laufen. Damit eignet sie sich hervorragend für die typischen traditionellen Umgebungen im Back Office von Schweizer Banken.

Acht Schritte zur Einführung

Wie können sie aber RPA konkret nutzen, um die Prozesse zu verschlanken? Welche Best Practices gibt es? Und wie lassen sich die Software-Roboter erfolgreich implementieren?
Dazu empfehlen sich folgende 8 Schritte:

1. RPA richtig verstehen: Die Einführung von RPA ist kein einmaliges Projekt. Die Technologie lässt sich zwar innerhalb weniger Wochen implementieren, ihre wirklichen Vorteile spielt sie aber erst dann aus, wenn ihr Einsatzbereich erweitert wird und dadurch Skaleneffekte erzielt werden.

2. Bestandsaufnahme machen: RPA eignet sich für die Automatisierung manueller, logisch aufgebauter Prozesse, die hochrepetitiv und zeitaufwändig sind. Erstellen Sie eine Liste aller solcher Back-Office-Prozesse.

3. Mit einem Proof of Concept (PoC) starten: Identifizieren Sie den Prozess, der wahrscheinlich am meisten von RPA profitiert, und erstellen Sie dafür einen PoC.

4. Einen Technologie-Spezialisten als Partner wählen: Nutzen Sie einen kompetenten Technologie-Partner, der die Schweizer Bankenbranche gut kennt. Dann verschwenden Sie keine Zeit durch fehlendes Verständnis des Dienstleisters für Ihre komplexen Anforderungen oder durch ein häufiges Hin- und Herwechseln zwischen Design und Implementierung.

5. Pilotprojekt durchführen: Wählen Sie das richtige RPA-Tool für Ihr Unternehmen aus und führen Sie damit ein Pilotprojekt durch. Dafür benötigen Sie ausreichend viele Datenpunkte, um die Performance-Effekte zu messen.

6. Experten ausbilden: Bilden Sie Technologie-Berater intern aus, damit diese ein umfassendes Wissen darüber besitzen, was Ihr Unternehmen benötigt. So können sie Ihnen bei der Skalierung der RPA-Installation helfen, sobald sich diese als erfolgreich erwiesen hat.

7. Intelligent optimieren: Zusätzlich zu RPA sollten Sie den Einsatz von KI prüfen, um noch mehr Vorteile zu erhalten. Optimieren Sie das Management der Prozesse, die durch Automatisierung verändert wurden, und suchen Sie nach weiteren Verbesserungen.

8. Umfassend automatisieren: Mit KI und RPA sowie begleitendem Business Process Management lassen sich über 90 Prozent der Kernprozesse im Back Office automatisieren.

Weitere Vorteile
RPA kann die Prozesse in Schweizer Banken vollständig verändern, damit sie schneller, effizienter und zuverlässiger werden sowie gleichzeitig die Gesamtkosten reduzieren. Im heutigen konsumentengetriebenen Markt, in dem immer mehr Bankangebote kommerzialisiert werden, ist Automatisierung für den Erfolg der Finanzbranche überlebenswichtig.

Durch Automatisierung können Schweizer Banken ihre Expertise verstärkt für Kernaufgaben und Kundenservice nutzen, statt für Randaktivitäten. Im Gegensatz zur allgemeinen Meinung entstehen dadurch mehr Arbeitsplätze, da zunehmend höherwertige Aufgaben zu erledigen sind. Damit bringt die Automatisierung deutlich mehr Vorteile für die Gesamtwirtschaft als dies auf den ersten Blick sichtbar ist.

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Die digitale Transformation und der Konkurrenzdruck stellt klassische Finanzinstitute vor grosse Herausforderungen (Symbolbild: Fotolia/Bluedesign)
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Gastautor Rahul Singh, Präsident der Finanzdienstleistungen im vertikalen Markt sowie der Business Services-Division (BPO - Geschäftsdienstleistungen) bei HCL. Er führt die beiden Geschäftszweige von Vertrieb und Auslieferung sowie von der Beschaffung bis zur Auslieferung.