Grafik: zVg

Mit der Konferenz "SAP Customer Experience Live 2018" in Barcelona hat SAP seinen markigen Ankündigungen auf der Hausmesse Sapphire Now vom vergangenen Sommer nun erste Taten folgen lassen. Die Veranstaltung sollte deutlich machen, dass der Konzern mit Zentrale in Walldorf gewillt ist, die bisherigen vereinzelten Produkte zu Commerce und Kundenmanagement neu zu bündeln und eigenständig weiterzuentwickeln. Unter den neuen Brands “Customer Experience” und "SAP C/4Hana", die in einer Übergangsphase noch nebeneinander verwendet werden sollen, wird ein gemeinsamer Ansatz angestrebt.

An der Sapphire Now hatte CEO Bill McDermott von der neuen Produkt-Suite "SAP C/4Hana" gesprochen, die schrittweise entwickelt werde. Dies hatte bei bestehenden Kunden und bei der Anwendervereinigung DSAG teilweise für Verwirrung gesorgt. (Wir berichteten am 10. August 2018: "SAP-Anwendergruppe fordert umfassende Aufklärung über C/4Hana")

McDermott hatte ausgeführt: "Die herkömmlichen CRM-Systeme drehen sich nur um den Verkauf. Bei SAP C/4Hana steht der Konsument im Vordergrund. Wenn man alle SAP-Anwendungen miteinander in einer intelligenten Cloud-Suite verbindet, dann bestimmt die Nachfrage direkt die Supply Chain." Konkret beabsichtigt SAP, die komplizierten Relationen zwischen Lieferanten, Herstellern und Kunden neu abzubilden und damit den bisherigen Sales-Only-Focus zu modernisieren. Damit werden die Akquisitionen aus den letzten Jahren – Ariba, Hybris, Gigya und Callidus Software – nun in einer gemeinsamen Lösung zusammengeführt, die mehrere Bereiche abdeckt: Konsumentendaten, Marketing, Commerce, Sales und Customer Service.

Cloud über alles

SAP C/4Hanasoll fünf miteinander integrierte Clouds umfassen:
- SAP Commerce Cloud (ex Ariba und Hybris Commerce)
- SAP Marketing Cloud (ex Hybris Marketing)
- SAP Sales Cloud (ex Callidus und Hybris Sales)
- SAP Service Cloud (ex Hybris Services)
- SAP Customer Data Cloud (Gigya)

Auf der gut besuchten Customer Experience Live 2018 legte SAP dann nach und gab erste Details zu der neuen Sales Cloud bekannt. Wir zitieren aus einer Veröffentlichung des SAP-Consulting-Partners "Itelligence":

"SAP Marketing Cloud:
Marketing-Experten kennen die SAP Marketing Cloud bereits als SAP Hybris Marketing. Die Lösung bekommt einen neuen Namen, bleibt aber wie sie ist. Die SAP Marketing Cloud ermöglicht die Auswertung von riesigen Datenmengen in Echtzeit. Käufern wird im SAP Commerce Cloud Online Shop ein personalisiertes Einkaufserlebnis ermöglicht. Die SAP Marketing Cloud unterstützt das Marketing effizient bei der Definierung von Zielgruppen für Kampagnen, Akquisition und Kundengewinnung.

SAP Commerce Cloud:
Das altbekannte SAP Hybris Commerce heisst jetzt SAP Commerce Cloud. Die Online-Shop-Lösung Hybris hat sich bewiesen. Dank der in den letzten Jahren erfolgten vollständigen Integration mit der ERP-Welt von SAP hat sie sich sowohl im B2C-als auch im B2B-Bereich als Business-Standard etabliert. Besondere Neuerung: Die SAP Commerce Cloud wird nun auch auf der Microsoft Cloud Plattform Azure verfügbar sein.

SAP Sales Cloud:
Die ehemalige SAP Hybris Sales Cloud Lösung setzt sich aus folgenden Elementen zusammen: C4C Sales für Sales Force Automation, Revenue Cloud für Subscriptions und Callidus Cloud für Provisionsabrechnung sowie Configure, Price and Quote (CPQ). Hier finden sich auch alle klassischen und modernen CRM-Funktionalitäten wieder: Lead-Erfassung, Kontaktpflege, Erkennen von Cross- und Up-Selling-Potenzialen, Akquise neuer Kunden und viele mehr.

SAP Service Cloud:
Die SAP Service Cloud vereint die Stärken von SAP Hybris C4C Service und des jüngsten Zuwachses in der SAP-Familie, Coresystems. Coresystems ersetzt den Field Service von C4C und ermöglicht die effiziente Abwicklung von Service-Prozessen über die gesamte Lieferkette (Supply Chain) hinweg. Dies geschieht in einer Voranalyse durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI), unverzichtbar für jeden Supply Chain Manager.

SAP Customer Data Cloud:
Spätestens seit der Einführung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ist die Customer Data Cloud unverzichtbar. Hier findet sich die geballte Power von Gigya wieder: Berechtigungen managen, Zustimmungen verwalten – alle datenschutzrelevanten Themen werden hier zentral behandelt."

Aus Kundensicht urteilt JP Kato, CRM-Manager des SAP-Kunden Insight Enterprises: "Bei der Ansprache potenzieller Kunden geht es darum, für beide Seiten relevante Beziehungen herzustellen. Wir wollen den Unternehmen dabei helfen, smarter zu werden, maximalen Nutzen aus ihren IT-Investitionen zu ziehen, und setzen dafür auf die SAP Sales Cloud und auf maschinelles Lernen. Anhand von Predictive-Analytics- und Deep-Learning-Algorithmen können wir die Erfordernisse der Unternehmen präzise erkennen und die notwendigen Vertriebsressourcen vorsehen, um gezielt diejenigen Kandidaten anzusprechen, die von unseren Lösungen am meisten profitieren würden."

Zu der Integration von Machine Learning (ML) und Kūnstlicher Intelligenz (KI) heisst es bei SAP: "Die Deal-Intelligence-Funktionen der SAP Sales Cloud identifizieren potenzielle Kunden und weisen ihnen abhängig von der Wahrscheinlichkeit eines Geschäftsabschlusses einen bestimmten Wert zu. Die in die SAP Sales Cloud eingebettete, ML-gestützte Deal und Lead Intelligence der Datahug-Software von Calliduscloud eröffnet Vertriebsmanagern völlig neue Möglichkeiten. Sie gibt frühzeitig Alarm, wenn ein Geschäft gefährdet ist, und nimmt Chancen mit wenig Aussicht auf Erfolg aus der Pipeline.”

SAP spendiert dem C/4Hana-Projekt 8 Milliarden Dollar

Am 11. 11. 2018 bestätigte SAP dann noch einmal die neue Strategie. CEO Bill McDermott kündigte die Übernahme des nur Spezialisten bekannten, 2002 gegründeten Software-Unternehmens “Qualtrics” aus den USA an. Qualtrics stand kurz vor seinem Börsengang und hatte sich einen Namen mit seiner Online-Marktforschung gemacht. Laut Handelsblatt können Unternehmen mit den Qualtrics-Methoden ermitteln, "wie zufrieden ihre Kunden und Mitarbeiter sind, wie ihre Marken und Produkte wahrgenommen werden, und das alles im besten Fall in Echtzeit". Die Kunden werten Umfragen, Äusserungen in den sozialen Medien und Kunden-Feedback aus und speisen diese Daten in die allgemeine Verkaufsstrategie ein und sind so in der Lage, zeitnahe Massnahmen zur Verstärkung oder zur Abschwächung eines beobachteten Trends einzuleiten.

McDermott hob hervor, dass SAP und Qualtrics damit anders als die Konkurrenz fähig seien, “eine neue Kategorie zu schaffen”. Künftig könne SAP mit seiner kombinierten Software “nüchterne Betriebsdaten mit den Emotionen der Kunden verknüpfen”.

Salesforce verfügt bisher bei CRM-Produkten über einen Marktanteil von fast 20 Prozent, während SAP hier bei etwa 8 Prozent stagniert. Ob es SAP gelingen wird, auf diesem insgesamt stark wachsenden Software-Sektor Boden zu gewinnen, muss abgewartet werden. Immerhin wird jetzt sehr intensiv in C/4Hana, das künftige CRM-Kraftpaket, investiert.

Der Analyst Neil Campling von Mirabaud sieht zwar die Anstrengung von SAP, sich Wachstum hinzuzukaufen, bezweifelt aber einen unmittelbaren Erfolg. Die Kaufsumme sei wahrscheinlich überhöht und die Konkurrenz noch immer sehr mächtig, so dass es nicht auszuschliessen sei, dass McDermott nun auf das Cloud-Business setze, weil andere klassische Kerngeschäftsbereiche nur noch langsam organisch wachsen.