Obwohl alle großen Internet-Anbieter in Österreich ihre Netze nicht überlastet und gut gerüstet für den gestiegenen Datenverkehr durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie sehen, hat jetzt die RTR (Rundfunk und Telekom Regulierungs-Gesellschaft) in einem Schreiben an alle Anbieter erklärt, im Fall einer drohenden Netzüberlastung eine Außerkraftsetzung der normalerweise streng gehandhabten Netzneutralität zu erlauben.

Es handelt sich um vorübergehend Prioritäten bei der Bandbreitenzuweisung, oder genauer um „Verkehrsmanagementmaßnahmen im Sinne der EU-Verordnung über das offene Internet“, wie help.orf.at berichtet. Bedeutet, dass im Notfall datenintensive Services wie Video-Streaming in der Priorität nach unten gereiht würden, während andere Anwendungen und Datenströme Vorrang eingeräumt bekommen. Das ist eigentlich nach der 2016 eingeführten Netzneutralität verboten, denn diese schreibt vor, alle Datenpakete im Netz gleich zu behandeln. Die Feststellung einer Notfallsituation obliegt dem Telekomanbieter, im Falle einer Drosselung muss jedoch noch am selben Tag eine Meldung an die RTR erfolgen. Und es muss objektiv nachvollziehbare, messbare Kriterien geben, um die Notwendigkeit der Drosselung nachweisen zu können.

Hier der Brief der RTR an die drei großen Mobilfunkbetreiber, die ISPA (Internet Service Providers Austria), den VAT (Verband Alternativer Telekom-Netzbetreiber) und die WKO (Wirtschaftskammer Österreich) im vollen Wortlaut:

„Sehr geehrte Damen und Herren, die RTR-GmbH darf aus gegebenem Anlass im Zusammenhang mit der CoVid19-Ausnahmesituation zu Fragen allfälliger Verkehrsmanagementmaßnahmen im Zusammenhang mit "Netzneutralität" Folgendes festhalten: Für den Fall, dass eine Situation eintritt, wonach auf Grund von drohender Netzüberlastung die Erbringung von Internetzugangsdiensten gefährdet erscheint, ist es Anbietern von Internetzugangsdiensten gestattet, Verkehrsmanagementmaßnahmen im Sinne des Artikel 3 Absatz 3 Unterabsatz 3 Buchstabe c) der EU-Verordnung 2015/2120 über das offene Internet vorzunehmen. Solche Maßnahmen könnten unter Umständen auch darin bestehen, bestimmte Kategorien von Diensten (z.B. Videoanwendungen) weniger prioritär zu behandeln. Die Feststellung, ob im Netz des jeweiligen Anbieters eine drohende Überlastung vorliegt, die eine entsprechende Verkehrsmanagementmaßnahme erfordert, ist individuell vom jeweiligen Anbieter selbst zu beurteilen. Das Vorliegen der Überlastungsgefahr ist jedenfalls vom Anbieter anhand objektiv nachvollziehbarer und messbarer Kriterien im Einzelfall und auf Nachfrage nachzuweisen.

Geplante Verkehrsmanagementmaßnahmen im Sinne dieser Regelung sind der RTR-GmbH zeitnahe zur Durchführung einer solchen Maßnahme, jedenfalls am selben Tag, unter genauer Bezeichnung der technischen Verkehrsmanagementmaßnahmen, deren voraussichtlicher Auswirkungen auf Dienste im Allgemeinen sowie deren voraussichtlicher Dauer in geeigneter Form zur Kenntnis zu bringen. Es ist ausdrücklich darauf zu verweisen, dass keine Verkehrssteuerungsmaßnahme über das notwendige und erforderliche Ausmaß hinaus fortgesetzt werden darf.

Dies erleichtert der Regulierungsbehörde eine informelle Einschätzung vorab darüber, ob eine solche Maßnahme vor dem Hintergrund der tatsächlichen Netzauslastung mit der genannten EU-Verordnung über das offene Internet vertretbar erscheint. Diese Vorgangsweise ist mit der Telekom-Control-Kommission am 16.03.2020 erörtert worden und bis auf Weiteres abgestimmt. Mit freundlichen Grüßen Dr. Klaus M. Steinmaurer Geschäftsführer Telekommunikation und Post RTR-GmbH“

https://www.rtr.at/de/pr/pinfo18032020