Nicole Ruggiero, How The Internet Changed My Life, Mike Diva, 2021, 3D mixed reality (MR) portrait and installation © Nicole Ruggiero, Daniel Sabio, Dylan Banks

Unter dem Titel "Radical Gaming" präsentiert das Haus der elektronischen Künste (HEK) in Basel ab 2. September eine Auswahl von internationalen Kunstschaffenden, die sich mit den Strukturen, Technologien und Ästhetiken einer globalen Spieleindustrie beschäftigen. Die Arbeiten spielen mit dem konventionellen Umgang von Immersion und Interaktion, der für Videospiele charakteristisch ist. Gängige Erzählstrukturen und Stereotypen werden neu verhandelt.

Diese neue Generation von Künstlern nutzt moderne Technologien der Spieleprogrammierung, um Virtual- und Augmented-Reality-Erfahrungen, immersive Umgebungen, interaktive Geschichten und Multimedia-Installationen zu erschaffen. In der Aneignung des Mediums für ihre künstlerische Praxis kreieren die Kunstschaffenden alternative Perspektiven auf Identitätskonstruktionen, Genderfragen und gesellschaftlichen Wandel. Ihre Weigerung, der auf Kommerz und Freizeit ausgerichteten Logik von Videospielen zu folgen, schafft die Voraussetzung für ihre progressiven, kompromisslosen und zum Nachdenken anregenden Arbeiten.

Einst als reine Unterhaltung für Jugendliche angesehen, haben sich Videospiele zu einem wichtigen Faktor in der weltweiten Kulturproduktion entwickelt. Mittlerweile sprechen sie alle Alters- und Gesellschaftsschichten an. So, wie sich die kommerzielle Produktion von Videospielen um ein Vielfaches erhöht hat, hat sich auch die Entwicklung von "Indie-Games" vervielfacht, die sowohl inhaltlich als auch formal innovative Ansätze bieten. Auch Künstler haben mit dem Medium experimentiert, und das, was oft als "Game Art" bezeichnet wird, erlebt seit mehreren Jahrzehnten eine Blütezeit. Auch heute noch produzieren viele Künstler Werke, die sich der Mechanik von Videospielen bedienen, die dabei allerdings eine besondere künstlerische Qualität aufweisen, welche sie sowohl im Vergleich zu konventionellen als auch zu alternativen Videospielen zu etwas Einzigartigem macht.

Die Ausstellung in Basel präsentiert neuere Werke von Kunstschaffenden, die sich des Mediums Videospiel bedienen, um einen neuen Trend aufzuzeigen, der sich von den ersten, bahnbrechenden Arbeiten der "Game Art" ebenso abhebt wie von den konventionellen Videospielen. Zweifellos sind die im HEK versammelten Werke durch ihren bewussten und reflektierten Einsatz von Interaktivität und Immersion gekennzeichnet, die Videospielen innewohnen. Die Urheber laden den Betrachter ein, sich aktiv an der Verwirklichung des Werkes zu beteiligen, im Gegensatz zu anderen "Game Art" Arbeiten, bei denen das Publikum die audiovisuellen Installationen und Performances nur als Zuschauer erlebt.

Die Interaktivität ist nicht nur eine spielerische Komponente, sondern ist als ein Element gedacht, das dazu beiträgt, die Idee des jeweiligen Künstlers zu vermitteln. Von herkömmlichen Videospielen unterscheiden sich diese Arbeiten auf jeden Fall durch ihr Bestreben, eine spekulative Reflexion zu provozieren, anstatt einfach nur Unterhaltung zu bieten, da ihre Themen oft politische und ökologische Themen einbeziehen und sehr oft Stereotypen im Zusammenhang mit gesellschaftlicher oder genderspezifischer Zugehörigkeit in Frage stellen. Diese eher auf den Inhalt bezogenen Ambitionen kommen denen von Independent-Videospielen nahe; allerdings unterscheiden sich die Kunstwerke der Ausstellung noch durch ein drittes Merkmal: Sie sind das Ergebnis der Aneignung neuerer künstlerischer Strategien, denn sie sind vor allem von der sogenannten postdigitalen Ästhetik des zweiten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts beeinflusst.

Die Vertreter dieser neuen Generation von "Game Art" treffen nicht nur formale Entscheidungen bezüglich des virtuellen Universums ihrer Werke, sondern auch im Hinblick auf deren kontextuelle Installation im Ausstellungsraum. Das Erleben dieser digitalen Werke durchdringt häufig den realen Raum, um das Hinübergleiten des Betrachters von der realen in die virtuelle Welt zu begleiten. Im Gegensatz zur Verwendung konventioneller formaler Lösungen, die die Anfänge der digitalen Kunst kennzeichneten, sind die Künstler dieser neuen Generation in der Lage, eine ganz besondere, persönliche Sprache zu entwickeln, die im Einklang bleibt mit der von ihnen geschaffenen virtuellen Welt.

Radical Gaming: Immersion Simulation Subversion
2. September bis 14. November 2021
Haus der elektronischen Künste (HEK), Münchenstein/Basel
www.hek.ch