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Real-Time zählt in der Business-Intelligence-Szene zu den Buzzwords schlechthin. Doch ist der Hype um „Echtzeit“-BI tatsächlich begründet? Es lohnt, dem Phänomen ganz genau auf den Grund zu gehen.

Gastkommentar von Martin Rast, Regional Director Schweiz, Qliktech

In meiner täglichen Arbeit mit Anwendern zeigt sich, dass immer mehr Firmen ihre Daten in Echtzeit durchforsten wollen. Dabei sind wesentliche Fragen noch ungeklärt: Was genau ist eigentlich Real-Time-Business-Intelligence (RTBI)? Und ist es für alle BI-Nutzer sinnvoll? Oder sind nur bestimmte Anwendungsfälle prädestiniert für RTBI? Im Folgenden möchte ich mit einigen Mythen rund um diese Thema aufräumen:

Real-Time ist nicht gleich Real-Time

Gemeinhin verstehen Experten unter RTBI, dass Informationen für Analysen in Echtzeit zur Verfügung stehen. Streng genommen bedeutet dies, dass Daten schon in Mikro- oder gar Millisekunden nach Eintritt eines Ereignisses analysierbar sind und man direkt darauf reagieren kann. Um „richtiges“ Real-Time handelt es sich also nur, wenn zum Beispiel Roboter mit im Spiel sind. Gängige Einsatzszenarien sind im Produktionsumfeld zu finden. Das lässt sich auch gut vergleichen mit anderen Bereichen, in denen Prozesse vollständig automatisiert sind – wie etwa beim Auto-Pilot im Flugzeug: Der passt sich den Gegebenheiten wie Höhe oder Wind innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde an, um Route und Höhe halten zu können.

Daten über Daten

RTBI hängt naturgemäss mit einem weiteren heiss diskutierten Trend der Branche zusammen: Big Data. Sind Informationen tatsächlich im Millisekunden-Bereich verfügbar, türmen sich in Kürze enorme Datenberge auf. Diese nur vorzuhalten, bringt Firmen nicht weiter. Die Daten müssen analysiert werden. Allerdings liefern nicht alle Daten wesentliche Informationen. Es gilt daher, die relevanten herauszufiltern und zueinander in Beziehung zu setzen. Um die nötigen Verknüpfungen zu erkennen, müssen dafür oft auch Daten aus weiteren Quellen hinzugezogen werden. Das erfordert natürlich etwas mehr Zeit als ein paar Millisekunden. Daher sollten Verantwortliche sich klar werden, in welchen Abständen Analysen überhaupt hilfreiche Einblicke für die Entscheidungsfindung liefern können. Das muss nicht zwingend in Real-Time sein. Für manche Anwender stellen Analysen einmal pro Woche schon eine bahnbrechende Weiterentwicklung dar.

Near-Real-Time für geschäftskritische Anwendungen

In diese Kategorie der „Fast-Echtzeit“-Analysen fallen die meisten Anwendungsbeispiele. Die Zeitspannen sind logischerweise etwas länger als bei Real-Time. Dennoch unterstützen derartige Analysen in Situationen, in denen Verantwortliche geschäftskritische Entscheidungen in nur wenigen Minuten treffen müssen und nicht eine Woche oder länger auf Reports warten können. Ein anschauliches Beispiel ist hier ein Taxiunternehmen aus den USA: Die Zentrale benötigt einen exakten Überblick über die Auslastung der einzelnen Taxis und die Tagesumsätze. Sie behält im Auge, ob es gehäuft Anfragen in einer bestimmten Region gibt, etwa aufgrund von Veranstaltungen. So können die Callcenter-Mitarbeiter die Taxis gezielter mit Kundenanfragen in Einklang bringen und zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die einzelnen Wagen lassen sich effizienter auslasten und die Passagiere müssen nicht ewig auf das bestellte Taxi warten.

Mein Fazit

Richtiges Real-Time scheitert am Faktor Mensch. Das menschliche Gehirn ist kein Super-Computer. Folglich kann auch kein Mensch auf Analyseergebnisse reagieren, die in Echtzeit vorliegen. Obwohl unsere Technologie Real-Time BI leisten kann, sind unserer Erfahrung nach Updates für Geschäfts- und Produktionsdaten in Intervallen von unter fünf Minuten nicht wirklich sinnvoll. Das heisst: In den meisten RTBI-Fällen geht es mehr um „Near-Real-Time“-Anwendungen. Und selbst das ist oft zu viel des Guten. Kommen Firmen zu dem Schluss, dass Analysen im Wochenrhythmus ausreichen, um fundierte Entscheidungen für den Unternehmenserfolg zu treffen, ist Real-Time überflüssig.