Die Produkt-Roadmap von Model9 (Bild: zVg)

Erste Forschungen für den Grossrechner sollen auf die 30er Jahre des letzten Jahrhunderts zurūckgehen, bis dann IBM im Jahr 1952 den ersten Mainframe herausbrachte. Und mit diesem Produkt, das aufgrund seiner Komplexität, umfassenden Technologie und nicht zuletzt seiner Anschaffungs- und Betriebskosten nur etwas für die wirklich Grossen in Industrie, Handel, Luftverkehr oder Militär war, brachte es IBM bald zu der Nummer Eins in der aufblūhenden Branche der Information Technology. Nur wenige konnten bei dem rasanten und teuren Entwicklungstempo der Mainframes eine Zeitlang mithalten, darunter Unisys, Honeywell, Hitachi oder Fujitsu.

IBM bewerkstelligte mehrere Jahrzehnte lang allein mit den Mainframes sowie Zusatzprodukten wie Software oder Management ūber 50 Prozent seines Jahresumsatzes. Selbst die moderne und wesentlich billigere Server-Technologie auf Basis von Unix und dann von x86 konnte nicht viel an der Vorherrschaft von IBM ändern. Und so manche aussichtsreich erscheinende Konkurrenztechnologie wurde von "Big Blue" einfach vom Markt weggekauft und verschwand bald in den Archiven.

Model9, 2016 in Tel Aviv gegründet (wo sich heute noch das Ingenieurzentrum befindet) und nun in New York lokalisiert, hat sich auf die Mainframe-Technologie beziehungsweise ihre Backup-Prozeduren spezialisiert. Zu den Grūndern gehört Gil Peleg, Ex-Militär in Israel und Co-Autor von acht Handbüchern aus der berühmten Serie der IBM-Redbooks, die sich mit dem Mainframe-Betriebssystem z/OS und Administrationsproblemen beschäftigten. Der Chief Strategy Officer Eyal David war bei dem israelischen Startup Kaminario beschäftigt, und Chief Revenue Officer Dan Shprung blickt auf eine Karriere bei Infinidat, ebenfalls aus Israel, zurück.

Den Gründern und Ingenieuren geht es nicht um einen weiteren Anlauf zur Ehrenrettung und zum Überleben der schon oft für tot erklärten Mainframe-Technologie, sondern schlicht um eine Erweiterung – man will Mainframes und die Cloud zusammenbringen (und damit dem Mainframe eine neue Perspektive geben). Der Analyst Jeff Vogel hat das im September 2020 in dem Paper "Cloud Storage Management Is Transforming Mainframe Data" so ausgedrückt: "Bis zum Jahr 2025 werden 35 Prozent der Speicherkapazität für Backup und Archivierung bei den Mainframes in der Cloud abgewickelt werden, um Kosten einzusparen und die Agilität zu verbessern, während es 2020 nur weniger als fūnf Prozent waren."

Laut einer Untersuchung von Share befinden sich in den Mainframe-Installationen noch immer 80 Prozent der weltweiten Geschäftsdaten. Auf Mainframe-Servern laufen täglich 30 Milliarden Transaktionen. Im Vergleich zu über Google laufenden Transaktionen sind das 1,3 Millionen/per Sekunde auf CICS/Mainframe, während es bei Google 68.543/per Sekunde sind. Laut Share werden noch immer 55 Prozent aller Transaktionen von Unternehmen ūber Mainframes abgewickelt.

Model9 verweist auf weitere Zahlen, die die letztlich ungebrochene Bedeutung der Mainframes belegen:
- 92 der 100 Top-Banken auf der Welt setzen Mainframes ein
- 23 der 25 fūhrenden Airlines hosten ihre geschäftskritischen Daten auf Mainframes.
- Dies trifft auch auf alle zehn der weltweit fūhrenden Versicherungsunternehmen zu
- 90 Prozent aller Transaktionen bei Kreditkarten werden über Mainframes abgewickelt
- 71 Prozent der Fortune 500 Unternehmen haben im Jahr 2020 ihre Daten mit Mainframes verarbeitet
- Weitere Schwerpunkte befinden sich in den Bereichen Regierungsstellen, Produzenten und Retailer, Transportunternehmen und Gesundheitswesen

Zu den Investoren von Model9, das jetzt seit drei Jahren seine Produkte an den Markt in den USA, Europa (Emea) und Asien-Pacific bringt, gehören Intel Capital, Stageone, North First Ventures und Glenrock Israel. Laut Auskunft von CEO Peleg bestehen Partnerschaften mit allen fūhrenden Cloud-Providern, um näher an die verschiedenen Märkte heranzukommen.

Model9 hat sich viel vorgenommen: Das Tape-Backup bei Mainframes durch einen externen Cloud-Service zu ersetzen, insbesondere die VTLs (Virtual Tape Libraries) in Mainframe-Umgebungen abzulösen. CEO Peleg äusserte sich während einer Online-Veranstaltung im März zu diesem Vorhaben: "IBM bietet keinen Cloud-Service für Mainframes an, so das ist unsere grosse Chance. Wir wollen mit unseren Angeboten die Anwender dazu bewegen, ihre Mainframe-Workloads und -Daten in die Public Cloud zu bewegen."

Tape Libraries und disk-basierte VTLs sind die vorherrschenden Backup- und Restore-Technologien im Mainframe-Umfeld. Die Storage-Software von Model9 läuft auf einem Mainframe von IBM und sichert die Daten auf Object-Storage-Basis (S3-Protokoll) entweder auf Geräten im Rechenzentrum oder in einer Public Cloud wie zum Beispiel AWS S3, Microsoft Azure Blob Storage oder Google Cloud. Gerade diese etablierten Public-Cloud-Anbieter wollen grosse Unternehmen mit ihren Datenbergen zu sich herüberziehen. Bisher haben diese noch keine speziellen Angebote für Mainframe-Umgebungen.

Jetzt liefert Model9 einen Service für Backup, Restore, Archivierung, Migration fūr verschiedene Daten- und Volume-Typen und Datenmanagement. 2019 kam das Produkt zunächst unter dem Namen "Cloud Data Gateway for z/OS" heraus und wurde dann 2020 in "Cloud Data Manager for Mainframe" (CDMM) umbenannt. Tools für Business Intelligence und Analytics sollen dann in der Cloud schneller zu Resultaten fūhren als on-premise, führt Peleg aus.

Indem Unternehmen zu dieser nun verfügbaren Alternative wechseln, können sie laut Model9 deutliche Kostenersparnisse erzielen:
- Cloud-Storage sei drei Mal billiger als proprietäre Tape-Speicherlösungen
- Spezielle Programme für Backup- und Tape-Management, Tape Security und Reporting würden nicht mehr gebraucht. Insbesondere entfallen zeitaufwendige Prozesse für Extract, Transform and Load (ETL), um die Daten für Analyse-Programme auf angebundenen Servern zu konvertieren
- Und nicht zuletzt ergeben sich klare Einsparungen gegenüber den IBM-eigenen Software-Lizenzen auf MSU-Basis (Million Service Units)

Der weltweite Mainframe-Markt umfasst gegenwärtig etwa 5.600, meistens grosse Unternehmen. Auf vielen Maschinen laufen geschäftskritische Anwendungen für umfangreiche Datenmengen. Neben zahlreichen x86-Servern, die in diesem Umfeld ebenfalls viele Aufgaben – zum Beispiel für Business Intelligence oder Data Warehouses – übernehmen, werden die klassischen Mainframes weiter gebraucht. Tot sind sie noch immer nicht – dafür waren sie in vielen Fällen auch viel zu teuer.

Die Zukunft für den Ansatz von Model9 sieht recht hell aus. Der Hersteller hat weitere Bausteine für seine Technologie angekūndigt – darunter Data Transformation für Object Storage sowie spezielle Programme für Data Discovery & Insights und Auditing & Reporting.

Bild: Model9
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