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Prof. Peter Jaeschke steht dem Institut für Informations- und Prozessmanagement an der Fachhochschule (FHS) St. Gallen vor. Zudem leitet er dort die Weiterbildung für IT-Berufe. Im Gespräch mit ICTkommunikation erläutert er die IT-Bildungsschwerpunkte der FHS St. Gallen und kommende Trends wie etwa "Learning on Demand" oder "Microlearning".

Interview: Karlheinz Pichler

Sie stehen an der FHS St. Gallen dem Institut für Informations- und Prozessmanagement vor. Mit welchen Themengebieten beschäftigt sich Ihr Institut schwerpunktmässig?

Unsere methodischen Kernkompetenzen liegen in der Gestaltung und dem Management der Geschäftsprozesse, der Erhebung und Analyse von Anforderungen an die unterstützenden IT-Systeme sowie dem Management der IT im Unternehmen. Zusammen mit Praxispartnern forschen wir seit längerem intensiv im Thema eHealth: Von der Prozessgestaltung im Gesundheitswesen bis zur Unterstützung von Patienten in der nachklinischen Versorgung durch mobile Applikationen und Web-Portale. Im klassischen Unternehmensumfeld führen wir vor allem Beratungsmandate und Projekte mit unseren Studierenden durch. Unsere Unabhängigkeit ist dabei ein wichtiger Faktor.

Sie sind an der FHS St. Gallen gleichzeitig auch verantwortlich für den Bereich „Weiterbildungen für Management von Geschäftsprozessen und von IT“. Welche Formate stehen hier im Zentrum und welche Zielgruppen nehmen Sie dabei hauptsächlich ins Visier?

Die Ausrichtung der IT auf die Geschäftsziele der Unternehmung ist weiterhin eine grosse Herausforderung. Der MAS (Master of Advanced Studies) in Business Information Management adressiert dies auf Stufe Führungskräfte, der MAS in Business Process Engineering auf Stufe der Spezialisten in den Strategie- und Umsetzungsprojekten. Beide Studiengänge bestehen aus je drei Zertifikatslehrgängen (CAS), die oft auch einzeln besucht werden.

Ausserdem starten wir nächstes Frühjahr das Certificate of Advanced Studies in E-Health, das speziell auf Führungskräfte, Projektleitende und Fachpersonen aus dem Gesundheitswesen zugeschnitten ist.

In welcher Wechselwirkung stehen das „Learning on the Job“ und das „Schulbank drücken“ im Bereich IT?

Dies muss zusammenpassen. Die Erfahrungen der Teilnehmenden fliessen in den Unterricht mit ein. Das Gelernte wird in Fallstudien geübt und zeitnah im Job angewendet. Und genau hier erhalten wir kontinuierlich bestes Feedback von unseren Absolventinnen und Absolventen.

Wo sehen Sie selbst die Stärken der FHS St. Gallen in der IT-Aus- & Weiterbildung?

Wir kombinieren eine sehr ausgeprägte Praxisorientierung mit der Vermittlung strukturierter und methodischer Grundlagen. Darüber hinaus nutzen wir fast ein Drittel der Lektionen der Studiengänge, um die in Projekten erfolgsentscheidenden Softskills zu adressieren.

Viele Unternehmen schreiben wieder gute Zahlen. Nicht zuletzt aber auch, weil teils rigorose Sparkurse gefahren werden. Merkt man diesen Sparkurs auch als IT-Weiterbildner? Kann es sich ein Unternehmen heute überhaupt noch leisten, in der IT-Aus- & Weiterbildung zu sparen?

IT ist ein wichtiger Faktor, um neue Dienstleistungen anzubieten oder die Effizienz von Prozessen und der Zusammenarbeit zu steigern. Sowohl unternehmensintern als auch unternehmensübergreifend sind noch Potenziale auszuschöpfen. Um diese Reserven zu erkennen und auszuwerten, benötigt ein Unternehmen gut ausgebildete Fach- und Führungskräfte an der Schnittstelle zwischen Fachbereich und IT.

Was für Anforderungen werden eigentlich seitens der Unternehmen an die Abgänger Ihrer Ausbildungslehrgänge gestellt?

Unsere Absolventinnen und Absolventen schliessen in ihrem Betrieb die Lücke zwischen Informatik und Fachbereich auf ihren Stufen. Sie sorgen für nachhaltige IT-Lösungen und müssen mit anspruchsvollen Stakeholdern umgehen können. Das Verständnis für das Geschäftsmodell und die relevanten Prozesse spielt hierbei eine zentrale Rolle.

Das Lernen per Computer und über das Internet wird nach Ansicht vieler Meinungsbildner in den kommenden Jahren zum wichtigsten Trend im Bildungswesen. Wie begegnen Sie mit Ihrem Institut diesem Trend? Welchen Stellenwert messen Sie dem E-Learning bei und was kann die FHS St. Gallen hier anbieten?

Diese Aussage muss sehr differenziert betrachtet werden. Ja, insgesamt wird das Lernen per Computer und Internet immer wichtiger. Die didaktisch hochwertige Aufbereitung von Unterrichtsstoff für das Lernen am Computer und via Internet erfordert Investitionen und ist vor allem für Themen mit einem grösseren Interessentenkreis geeignet. Es gilt, den richtigen Mix aus klassischen und modernen Ansätzen zu finden. Bei komplexen Themen sind der persönliche Austausch von Erfahrungen und die interaktive Auseinandersetzung in der Diskussion nicht zu ersetzen, sondern durch die neuen Unterrichtsmethoden zu ergänzen.
Als Institut setzen wir eine der verbreitetsten eLearning-Plattformen ein und arbeiten daran, deren Potenzial immer weiter zu nutzen.

Elektronische Lern-Angebote werden dabei immer mobiler, persönlicher und zugleich vernetzter. Wie sehen Sie diesen Trend?- Wohin geht die Entwicklung in der IT-Aus-& Weiterbildung?

Mobilität spielt eine wichtige Rolle. So kann beispielsweise der Arbeitsweg im ÖV als Lernzeit genutzt werden oder im konkreten Fall schnell etwas nachgeschlagen werden. Wir sind mit grösseren Arbeitgebern in Kontakt, die sich überlegen, kritische Themen in „pendelzeittauglichen“ Lektionen aufzubereiten und den Mitarbeitenden zur Verfügung zu stellen. Diese Vernetzungsmöglichkeiten nutzen wir in der Weiterbildung an der FHS St.Gallen bereits. Zu einzelnen Studiengängen bestehen geschlossene Gruppen in Facebook. Oder Studierende und Dozierende informieren sich gegenseitig über Twitter. So hat letztens ein Kollege eine Vorlesung mit einem Zeitungsbericht gestartet, der ihm am Vorabend per Twitter empfohlen wurde.

Sind wir bereits voll beim kontext-basierten Microlearning, respektive „Learning on Demand“ angelangt?

Zum einen „leider nein“. Das heisst, die Potenziale können noch nicht vollumfänglich genutzt werden. Zum anderen „glücklicherweise“, denn auch das Lernen mit Micro-Learning will gelernt sein. Micro-Learning hilft mir dann, wenn ich das Gesamtbild („Big Picture“) verstanden habe und spezifische Fragen angehe. Effektivität geht auch hier vor Effizienz.

ZUR PERSON
Prof. Dr. Peter Jaeschke, Jahrgang 1966, forschte nach dem Studium des Wirtschaftsingenieurwesens von 1991 bis 1994 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Angewandte Informatik und Formale Beschreibungsverfahren (AIFB)
der Universität Karlsruhe (TH). 1995 promovierte er zum Doktor der Wirtschaftswissenschaften (Dr. rer. Pol.). Im
Rahmen einer Kooperation zwischen. Von 1994 bis 1996 war er als Projektmanager für Promatis tätig. 1996 wurde er zum geschäftsführenden Gesellschafter der Promatis Consulting, Zürich berufen und wurde damit Mitglied des Promatis Executive Boards. Seit Februar 2001 hat er als Executive Vice President Software Products die Gesamtverantwortung für den Kernprozess Software-Produkte, von der Produktentwicklung über das Produktmanagement bis zum Produktmarketing und -vertrieb. Als Verwaltungsratspräsident ist er, ebenfalls seit Februar 2001, verantwortlich für den gesamten Geschäftsbetrieb der Promatis Consulting. An der FHS St. Gallen steht Prof. dem Institut für Informations- und Prozessmanagement vor. Zudem leitet er dort die Weiterbildung für IT-Berufe.

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Prof. Peter Jaeschke, Leiter Institut für Informations- und Prozessmanagement an der Fachhochschule (FHS) St. Gallen
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