Bild: Judith Wirth/iHomeLab

Wenn viele elektrisch betriebene Geräte gleichzeitig eingeschaltet werden, verursacht dies Lastspitzen, die bei den Energieversorgungsunternehmen zu hohen Netznutzungskosten führen. Forschende der Hochschule Luzern (HSL) haben mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz nun eine Lösung entwickelt, um diese Lastspitzen zu glätten. So würden die Verteilnetze nicht über Gebühr belastet und die Anwender sparten Geld, teilt die HSL mit.

Hintergrund dazu ist, dass in den letzen zwanzig Jahren die Zahl der berufstätigen Menschen in der Schweiz um fast 1.5 Millionen Personen angestiegen ist. Dies führte dazu, dass weniger Menschen tagsüber zu Hause sind und dass vor allem in den frühen Abendstunden viele Elektrogeräte gleichzeitig eingeschaltetet werden, wenn beispielsweise geduscht, gekocht oder ein E-Fahrzeug aufgeladen wird. Diese zeitgleiche Aktivierung vieler Elektrogeräte erzeugt enorme Netzbelastungen. Da sich die Höhe der Netznutzungskosten für die Energieversorgungsunternehmen (EVUs) bis zu 60 Prozent aus diesen Lastpitzen berechnet, haben sie ein grosses Interesse daran, sie zu vermeiden oder zumindest zu glätten. Dafür müssen sie wissen, wann stromhungrigen Geräten wie Wärmepumpen zwingend Strom zugeführt werden muss und wann dies nicht unbedingt notwendig ist. Damit können die zeitlichen Spielräume erkannt und genutzt werden, um Lastspitzen zu senken und zu glätten.

Andrew Paice, Leiter des iHomeLab der Hochschule Luzern, konstatiert: "Dafür braucht es ein intelligentes und effizientes Energie- und Last-Management, mit dessen Hilfe Energie verschoben werden kann." Ein Team des iHomeLab und des Kompetenzzentrums Thermische Energiespeicher der Hochschule Luzern entwickelte zu diesem Zweck gemeinsam mit den Partnern Asgal Informatik, Semax und dem Elektrizitätswerk Vilters-Wangs den Prototypen eines Systems, das EVUs mit Hilfe von künstlicher Intelligenz beim Lastmanagement hilft. Die Schweizerische Agentur für Innovationsförderung Innosuisse unterstützte das Projekt.

Um den grösseren Bedarf am Abend zu decken, soll die überschüssige Energie, die tagsüber zum Beispiel aus Photovoltaik oder anderen erneuerbaren Quellen produziert wird, kurzfristig gespeichert werden, und dies, ohne dass zusätzliche Speicher eingebaut werden müssen. Zu diesem Zweck können beispielsweise Boiler, Wärmepumpen oder E-Mobile genützt werden. Für Grossverteiler wie Kühlhäuser gibt es dafür bereits Lösungen: Wird überschüssige Energie produziert, können sie etwas stärker gekühlt werden. Anschliessend wird die Kühlung wieder reduziert; die Energie steht somit andernorts zur Verfügung.

Das Team der Hochschule Luzern und seine Forschungspartner entwickelten eine Lösung, dank der auch Ein- und Mehrfamilienhäuser oder Gewerbebetriebe in ähnlicher Weise genutzt werden könnten. Zum Beispiel werde der Boiler bei Bedarf auf die maximale Temperatur gebracht und so als Pufferspeicher genutzt, heisst es in der HSL-Aussendung. Das Projekt konzentrierte sich demnach auf Häuser mit Wärmepumpen, weil Elektrizitätswerke auf diese mit einer kleinen Anpassung zugreifen und sie entsprechend steuern können.

Um Lastspitzen auf diese Weise zu senken oder zu glätten, muss laut den Infos zuerst einmal gesichert erhoben werden, wo überhaupt Wärmepumpen installiert sind und wo Photovoltaik generiert wird – Informationen, die den Elektrizitätswerken nur zum Teil bekannt seien. Die schwierigere Frage sei jedoch gewesen: Wie gross ist der zeitliche Spielraum zum Senken und Glätten der Lastspitzen, ohne dass die Nutzer einen Komfortverlust spüren, weil die Wohnung unangenehm kühl oder das Wasser zu kalt wird?

Für die Beantwortung der beiden Schlüsselfragen machten sich demnach die Forschenden die zunehmende Digitalisierung der Stromverteilnetze mit Smart Meter zunutze, mit deren Hilfe die Elektrizitätswerke den Stromverbrauch für die Rechnung ablesen. Diese Daten stünden zwar zur Verfügung, doch daraus das benötigte Thermisches Modell eines Gebäudes zu berechnen, sei sehr komplex. Deshalb habe man hier Künstliche Intelligenz ins Spiel gebracht. "Die Algorithmen analysieren Smart-Meter-Daten und identifizieren aus dem gesamten Stromverbrauch einzelne stromverbrauchende Geräte wie Wärmepumpe, Boiler oder E-Mobil und stromproduzierende Geräte wie Photovoltaikanlagen", legt Andrew Paice dar. Dabei würden wertvolle Informationen über die Verbraucher ermittelt, wie beispielsweise ihre maximale Leistungsaufnahme, die Ein- und Ausschaltdauer sowie der Energieverbrauch pro Tag. Paice ergänzt: "Werden diese Daten mit Temperatur- und Wettervorhersagen kombiniert, so lassen sich Prognosen zum Energieverbrauch an einem bestimmten Tag erstellen."

Mehrwert ohne Komforteinbusse

Durch die Projektresulate hätten sich neue Möglichkeiten für die Projektpartner Asagal Informatik und die Semax ergeben: Dank der automatischen Identifizierung von Stromverbrauchern und der Berechnung ihres so genannten Lastverschiebepotentials könnten sie EVUs eine Dienstleistung anbieten, die ihnen helfe, Netzkosten einzusparen, ohne dass zusätzliche Investitionen in ihre Verteilnetze notwendig wären. Für die Verbraucher bedeutet die Neuerung keinen Komfortverlust; sie müssen auch keine zusätzlichen Informationen offenlegen, denn die Auswertung erfolge ausschliesslich anhand der Standarddaten von Smart Metern und ohne jegliche zusätzliche Hardware-Installation. Zudem würden die Daten automatisch permanent mit den sich verändernden Umständen in den Gebäuden synchronisiert. Somit könne im Einklang mit der Energiestrategie 2050 ein Mehrwert für die Elektrizitätsversorgungsunternehmen und für Gebäudeeigentümer generiert werden.

Das iHomeLab – "Living in the future. Today."
Das Team des iHomeLab der Hochschule Luzern – Technik & Architektur erforscht unter der Leitung von Prof. Andrew Paice, wie dank intelligenten Gebäuden der Energieverbrauch gesenkt oder älteren Menschen ein längeres Leben in den eigenen vier Wänden ermöglicht werden kann. Die Resultate der Forschungsprojekte werden im iHomeLab Visitorcenter auf dem Campus Horw praäsentiert. www.iHomeLab.ch

Kompetenzzentrum Thermische Energie Speicher (CCTES)
Das CC TES beschäftigt sich mit neuen Lösungen für das Speichern von Wärme und Kälte in Gebäuden, Arealen und in der Industrie. Dazu werden nicht nur neue, kompakte Speicherkonzepte untersucht, sondern auch Lösungen für das Speichern von grossen Energiemengen, um Sommerwärme auch im Winter nutzen zu können. Durch Data Science Methoden ist es schliesslich auch möglich, verborgene Speichermöglichkeiten in Gebäuden (wie zum Beispiel die Masse des Gebäudes) nutzbar zu machen und damit sicher zu stellen, dass erneuerbare Energieformen optimal ins Energiesystem der Schweiz integriert werden können.



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