Mit Hilfe von KI RNA-Moleküle falten (Symbolbild: TSA.EDU)

Forschern der Ruhr-Universität Bochum (RUB) ist es gelungen, mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) RNA-Moleküle (Ribonucleic Acid, Ribonukleinsäure) zu falten. In der Fachzeitschrift "PLOS Computational Biology" haben sie kürzlich einen Weg geschildert, um mit KI die Struktur bestimmter RNA-Moleküle zuverlässig aus ihrer Nukleotidsequenz vorherzusagen. Die RUB-Forscher um Vivian Brandenburg und Franz Narberhaus kooperierten dabei mit Axel Mosig vom Kompetenzbereich Bioinformatik des Bochumer Zentrums für Proteindiagnostik.

Für die Funktion zahlreicher Biomoleküle ist ihre dreidimensionale Struktur relevant. Deshalb interessieren sich Forscher nicht nur für die Sequenz der Einzelbausteine, sondern auch für die räumliche Struktur. Mittels KI lässt sich laut RUB-Mitteilung zuverlässig die dreidimensionale Struktur eines Proteins aus dessen Aminosäuresequenz prognostizieren. Für RNA-Moleküle ist diese Technik allerdings neu. "Oft wird RNA nur als Bote zwischen der genomischen DNA und den Proteinen verstanden", erklärt Axel Mosig. "Aber viele RNA-Moleküle übernehmen zelluläre Funktionen." Wichtig dafür sei ihre räumliche Struktur. Ähnliche Bereiche in einer Nukleotidsequenz könnten sich zusammenlagern und dadurch dreidimensionale Anordnungen bilden.

"Diese Selbstähnlichkeiten in einer RNA-Sequenz zu identifizieren, ist wie ein mathematisches Puzzle", erläutert Vivian Brandenburg. Für dieses Puzzle gibt es ein biophysikalisches Modell mit Vorhersage-Algorithmen. Das Modell kann jedoch nicht die zelluläre Umgebung der RNA berücksichtigen, welche den Faltungsprozess ebenfalls beeinflusst. "Würde die RNA isoliert in wässriger Lösung schwimmen, könnte das Modell die Struktur sehr präzise vorhersagen", so Brandenburg. In einer lebenden Zelle sind jedoch auch viele andere Bestandteile enthalten. Hier hilft die KI: Sie kann anhand bekannter Strukturen subtile Muster erlernen, die sich aus der zellulären Umgebung ergeben. Diese Erkenntnisse könnte die KI dann in ihre Strukturvorhersagen einbeziehen. Für den Lernprozess braucht sie jedoch genug Trainingsdaten, die in der Praxis fehlen.

Um dennoch Trainingsdaten zu bekommen, nutzten die Bochumer Forscher einen Trick: Sie arbeiteten mit bereits bekannten RNA-Struktur-Motiven. Mit einer Art Rückwärtsgang konnten sie aus Energiemodellen dieser Strukturen nahezu beliebig viele Nukleotidsequenzen generieren, die in die räumlichen Strukturen falten würden. Mittels dieses inversen Faltens erzeugten die Wissenschaftler viele Paare aus Nukleotidsequenzen und Strukturen, mit denen sie die KI trainieren konnten.

Anschließend liessen die Forscher die KI die Struktur bestimmter bakterieller RNA-Molekülen (Transkriptions-Terminatoren) vorhersagen. Diese sind in Bakterien wichtige Stopp-Signale bei der Übersetzung genomischer DNA. Oft sind sie im Erbgut versteckt und kaum von Bereichen mit anderen Funktionen zu unterscheiden. Die KI konnte die typische Struktur der Transkriptions-Terminatoren zuverlässig erkennen und vorhersagen. Dies hat das Forschungsteam anhand öffentlich zugänglicher experimenteller Daten nachgewiesen.

Forscherin Vivian Brandenburg und Forscher Axel Mosik (© ruhruni-bochum.de, Marquard)
Forscherin Vivian Brandenburg und Forscher Axel Mosik (© ruhruni-bochum.de, Marquard)