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Was bringt das Jahr 2015? Viele neue Smartwatch-Modelle, sagen die Marktforscher. "Das Internet der Dinge" boomt und eine intelligente Uhr ist ein "Ding", das Furore machen wird, da die Uhr bereits fest in unserem Alltag verankert ist. Wir wollten von Safak Korkut, Smartwatch-Träger der ersten Stunde und wissenschaftlicher Assistent am Institut für Wirtschaftsinformatik der Hochschule für Wirtschaft FHNW, wissen, was seine Uhr eigentlich auf dem Kasten hat und was uns im Smartwatch-Bereich künftig erwartet.

Interview: Nathalie Baumann (die Autorin ist Historikerin arbeitet am Institut für Wirtschaftsinformatik der Hochschule für Wirtschaft FHNW im Bereich Kommunikation)

Eine Uhr sei der einzige Schmuck, den ein Mann tragen könne, sagen stil- und gendertechnisch klassisch orientierte Leute. Zur grossen Freude der Uhrenindustrie, die im Lauf der Zeit Modelle mit unzähligen Zusatzfunktionen auf den Markt gebracht hat. So viele, dass ein Mann sie in seinem ganzen Leben nicht ausprobieren kann. Seit Kurzem können Uhren noch mehr. Sie sind intelligent geworden.

ICTkommunikation: Safak Korkut, wie viel Uhr ist es?

Safak Korkut: Es ist sieben Uhr siebenundvierzig, 19:47, fast Acht oder für manche Smartwatch-User auch "Beer o'Clock". Meine Uhr hat verschiedene Gesichter. Das meine ich ganz wörtlich: Sie kann die Zeit auf verschiedene Arten anzeigen.

ICTkommunikation:
Ist Ihre Uhr für Sie immer noch ein Zeitmesser oder ist diese Funktion in den Hintergrund getreten?

Safak Korkut: Klar, ist sie das noch. Ich muss wissen, wie spät es ist. Dennoch: Ich habe früher praktisch nie eine Uhr getragen. Ich schaute auf dem Smartphone nach. In manchen Fällen war das unpraktisch. Ich bin also einerseits zurück zu den Wurzeln gegangen: Ich beuge wieder meinen Arm, um die Zeit abzulesen. Andererseits mache ich diese Bewegung nun auch, um meine Mails abzurufen.

ICTkommunikation: Wofür nutzen Sie Ihre intelligente Uhr noch?

Safak Korkut: Online zu sein, ist heute ein Muss. Als Mitarbeiter im Kompetenzschwerpunkt New Trends and Innovation verfolge ich viele Trends und versuche, sie so früh als möglich aufzuspüren. Manchmal mag ich die neuen Gadgets sehr und verwende sie auch in meinem Alltag. Meine Smartwatch ist via Bluethooth mit meinem Smartphone verbunden und vibriert jedes Mal, wenn eine Mitteilung eingeht – ein Anruf, eine Erwähnung auf Twitter etc. Es ist viel praktischer, diese Mitteilungen am Handgelenk ablesen zu können, als jedes Mal in die Tasche greifen zu müssen.

ICTkommunikation: Kann Ihre Uhr noch mehr?

Safak Korkut: Momentan nutze ich oft den SBB-Fahrplan. Die Uhr überprüft meinen Standort und zeigt mir die nächsten ÖV-Verbindungen an. Ich steuere damit auch den Music Player auf meinem Smartphone, benutze sie als Boardingkarte fürs Fliegen und überprüfe die Wetterprognosen. Ausserdem setze ich sie als Stoppuhr und Fernbedienung für meine Präsentationen ein. Telefonieren kann ich übrigens damit (noch) nicht. Die Uhr zeigt nur eingehende Anrufe an.

ICTkommunikation: Wenn Sie eine Smartwatch programmieren könnten, was müsste sie zusätzlich bieten?

Safak Korkut: Das Unternehmen, das meine Uhr entwickelt hat, ist eines der ersten Start-ups, das damit erfolgreich war. Es begann als Crowdfunding-Projekt auf Kickstarter und ist offen für Weiterentwicklungen. Jede Entwicklerin, jeder Entwickler kann Apps oder "Uhrgesichter" hinzufügen. Das führt uns zur vorherigen Frage zurück: Was kann die Uhr? Die Grenze dessen, was möglich ist, ist die Vorstellungskraft. So gibt es mittlerweile viele Apps, welche die Uhr zu einem funktionsreichen Gadget machen: Fernbedienungen, um den Auslöser der Kamera zu betätigen, Fitness- oder Schlaftracker, GPS-Navigatoren und auch Spiele wie Flappy Bird. Das alles wurde von Leuten aus der ganzen Welt entwickelt und ist im Store des Anbieters erhältlich, das Meiste kostenlos.

ICTkommunikation: Haben Sie auch schon mitentwickelt?

Safak Korkut: Nein, aber ich habe viele Ideen für die Uhr, die zum Beispiel für Dozierende und Studierende nützlich sein könnten: Stundenpläne, Projektmanagement-Tools, Kollaborationsideen wie live abstimmen können während des Unterrichts. Allerdings ist das Interface beim Modell, das ich habe, ziemlich limitiert. Es gibt drei Knöpfe und einen kleinen Bildschirm. Aber als Designer finde ich solche Herausforderungen sehr motivierend. Es reizt mich, Innovationen punkto Vernetzung und mobilem Lernen anzustossen.

ICTkommunikation: Würden Sie mit Ihrer Uhr auch einen Dialog führen wollen, wenn sie es könnte?

Safak Korkut: Als früher Anwender dieser Technologie denke ich jetzt an “K.I.T.T., Pick me up" (lacht). Erinnern Sie sich? K.I.T.T. war ein selbstfahrendes Auto und spielte neben David Hasselhoff die Hauptrolle in der Serie "Knight Rider". Die Serie ist aus den 1980er-Jahren und K.I.T.T. wurde bereits damals via Uhr gerufen.

Das "Internet der Dinge" wird mehr und mehr zum "Internet für alles". Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir es schaffen, uns mit unserem Handgelenk respektive mit unserer Uhr zu unterhalten. Und zwar, ohne einen Knopf zu drücken oder einen Satz mehrfach wiederholen zu müssen, weil uns "das Ding" nicht versteht:
"Starte den Wagen."
"Heize den Raum auf 21° auf."
"Richte meiner Frau aus, dass ich im Stau stecke."

Die Uhr wird dann so selbständig sein, dass sie nicht nur diese Nachricht übermittelt, sondern dem GPS des Autos auch den Auftrag geben wird, eine alternative Route zu suchen.

ICTkommunikation: Sie haben Design studiert. Wie sieht Ihre Wunsch-Smartwatch aus?

Safak Korkut: "Form follows function", lautet ein wichtiger Gestaltungsleitsatz im Design. Der deutsche Designer Dieter Rams arbeitete nach diesem Prinzip u.a. für einen Elektrogerätehersteller und entwarf schlichte und funktionale Produkte. Es ist sehr wichtig, eine Brücke zwischen Ingenieuren und Designern zu schlagen, und wiederum zwischen diesen beiden und Unternehmern sowie ihnen zu kommunizieren, dass es möglich ist, wunderbare Smartwatches zu entwerfen. Das einzige Ziel sollte es sein, Produkte zu entwerfen, die ästhetisch sind und Funktionen haben, die das Leben erleichtern.

ICTkommunikation: Können Sie sich vorstellen, dereinst weitere intelligente Accessoires oder Kleidungsstücke zu tragen? Und: Inwiefern sollen diese Ihnen das Leben erleichtern?

Safak Korkut: Weil ich im Kompetenzschwerpunkt New Trends and Innovation arbeite, beschäftige ich mich von Berufs wegen intensiv mit neuen Trends und Gadgets. Wir testen viele Gadgets und überprüfen sie auf mögliche Forschungsaufgaben hin: z. B. Fitness Trackers, Gesundheitssensoren und intelligente Kleider.

Ist es nun sinnvoll, intelligente Kleider zu tragen? Jetzt vielleicht noch nicht, es sei denn, man ist ein Leistungssportler oder ein Patient in physiotherapeutischer Behandlung. Ich finde nicht, dass jeder eine intelligente Hose tragen sollte nur weil sie intelligenter ist als gewöhnliche Jeans. Wie auch immer, in diesen Technologien liegt grosses Potenzial und die angewandte Forschung hilft uns, eine bessere Zukunft für spezifische Bedürfnisse in verschiedenen Bereichen zu entwickeln – zum Beispiel im Gesundheitsbereich.

ICTkommunikation:
Vielen Dank für das Interview!

ZUR PERSON
Safak Korkut ist seit 2011 wissenschaftlicher Assistent am Institut für Wirtschaftsinformatik der Hochschule für Wirtschaft FHNW. Er studierte an der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW Visuelle Kommunikation und Bildforschung und spezialisierte sich auf Videoproduktion und Spielgestaltung. Heute arbeitet er im Kompetenzschwerpunkt New Trends and Innovation in den Bereichen Gamification, Interface Design und Videokommunikation.

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Safak Korkut, wissenschaftlicher Assistent am Institut für Wirtschaftsinformatik der Hochschule für Wirtschaft FHNW (Foto: Indre Grumbinaite)
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Safak Korkut, wissenschaftlicher Assistent am Institut für Wirtschaftsinformatik der Hochschule für Wirtschaft FHNW (Foto: Indre Grumbinaite)
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Die Smartwatch von Safak Korkut hat \"viele Gesichter\" (Foto: Indre Grumbinaite)
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Eine Smartwatch ist mehr Cockpit als Uhr (Foto: Indre Grumbinaite)