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Trends wie Cloud, Byod, Big Data oder Mobile rütteln an den Grundfesten der klassischen Informatik. Im Gespräch mit ICT-Kommunikation erläutert Arno Schmidhauser, Leiter Weiterbildung an der Berner Fachhochschule (Technik und Informatik – BFH/TI), wie sich solche Entwicklungen bei IT-Aus- und Weiterbildnern niederschlagen und wie man an der BFH auf die neuen Anforderungen reagiert.

Trends wie Cloud Computing, Byod (Bring your own device), Mobile Business (Mobile CRM etc.) oder Big Data erschüttern die IT in den Unternehmen sprichwörtlich. Wie wirken sich solche Entwicklungen auf ein IT-Aus- und Weiterbildungsinstitut wie die Berner Fachhochschule aus? Inwieweit verändert sich das Nachfrageverhalten? Und haben Schulen die notwendige Flexibilität, um überhaupt in vernünftigen Zeiträumen auf solche Veränderungen reagieren zu können?

Ich bin klar der Meinung, dass diese Megatrends die Berufsbilder der IT und damit nachgelagert die Aus- und Weiterbildung massiv verändern werden. Bereits der "Bericht Frey" weist eindeutig in diese Richtung. So findet unter der Flagge von Cloud Computing eine Drift zur standardisierten Industrialisierung von Softwarekomponenten statt. Zitat: «Für die Tätigkeitsfelder im Bereich ICT bedingt die Standardisierung vermehrt Schnittstellenkenntnisse und u. a. eine Erhöhung der Fachkompetenzen im Bereich Servicemanagement, Projektmanagement und Prozessmanagement» (Bericht Frey (1)). Weiterbildungs-Lehrgänge müssen die notwendige organisatorische und konzeptionelle Flexibilität haben, um auf solche Veränderungen zu reagieren. Betrachtet man beispielsweise den amerikanischen Markt, so sind in kurzer Zeit Dutzende von Studien- gängen zu Big Data entstanden.

Die Studiengänge des MZBE (Managementzentrum), MTC (Medical Technology Center) und der SWS (Software-Schule Schweiz) an der BFH/TI erlauben es den Studierenden, ihre Weiterbildung interdisziplinär und auf ihre Bedürfnisse ausgerichtet, selbst zusammenzustellen. Welche konkreten Anforderungen wollen Sie mit dieser Interdisziplinarität abdecken? Wie können die Studierenden diese interdisziplinäre Weiterbildung in der Praxis anwenden?

Ich merke zunehmend, dass gerade in der IT und der Technik viele Weiterbildungsinteressierte gemischte Anforderungsprofile in ihrem Beruf haben. Komplexe Fach- und Führungsaufgaben überlappen sich zunehmend, gerade auf mittlerer Karriere- und Kaderstufe. Wer Cloud Services einführt, muss die betriebswirtschaftlichen Konsequenzen beurteilen können, vom monetären Nutzen über die regulatorischen Anforderungen bis hin zum Service Level Agreement. Gleich zeitig gilt es, die Sinnhaftigkeit und Machbarkeit der technischen Architektur abzuschätzen.

Sehen Sie sich als IT-Weiterbildungsverantwortlicher auch als ein Art Vermittler zwischen «Learning on the Job» und dem «Schulbankdrücken»?

Man kann Kompetenzen auf verschiedenste Arten erwerben. In der Weiterbildung geht es darum, mit Hilfe der Berufserfahrung, mit Hilfe von verallgemeinerten Modellen und Methoden, zyklischem Reflektieren, Verbessern und Anwenden seine Kompetenzen zu stärken. «Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie.» Zusätzlich muss der Kompetenzlevel glaubhaft nachgewiesen werden. Dafür ist ein Zeugnis oder Diplom der im Berufsumfeld anerkannten und geschätzten Bildungsinstitution wesentlich.

Wo sehen Sie die eigentlichen Stärken der BFH bezüglich der IT-Aus- & Weiterbildung?

Wir haben unter dem gleichen Dach eine optimale Zusammenarbeit von Studiengängen in Informatik, Innovation, Management, Medizintechnik, Medizininformatik. Alle Studiengänge folgen denselben Organisations- und Strukturprinzipien für ihre MAS- und EMBA-Abschlüsse. Wir erreichen damit eine maximale, aber berechenbare Flexibilität und Austauschbarkeit bezüglich Wählbarkeit und Weiterentwicklung von Modulen (CAS). Wir haben von Beginn weg darauf gesetzt, ein Publikum zu haben, das sich mit dieser Flexibilität auseinandersetzt und seine Fachkarriere aktiv plant. Studierende können unterwegs ihr Programm laufend anpassen und auch mit dem Studium pausieren. Wir versuchen zudem, auch fachlich einen aktiven Strategieprozess zu verfolgen und die Bedürfnisse der IT-Berufswelt rechtzeitig abzuholen. Wir waren oder sind in verschiedenen Themen die First-Mover.

Wie sieht bei der BFH die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft aus? Versuchen Sie, bestimmte Ausbildungsziele in Kooperation mit der Wirtschaft in Einklang zu bringen? – Stichwort eben etwa Praxisbezug.

Wir haben in der Vergangenheit erfolgreich mit Firmen Weiterbildungslehrgänge konzipiert, aufgebaut und durchgeführt. Dabei arbeiten wir einerseits mit einzelnen Referenten zusammen, die ihr Fachwissen als Private an der FH vermitteln, andererseits haben wir auch Kooperationen mit Firmen, die ihren hochqualifizierten Mitarbeitern bewusst Zeit und Ressourcen bereitstellen, um ihr Wissen aufzubereiten und zu vermitteln. Wichtig ist, dass die Themen sowohl in der Fachhochschule wie bei den Kooperationspartnern einen hohen strategischen Stellenwert haben. Bei uns ist das etwa im Bereich Security, Business Intelligence und IT-Architektur (Cloud Computing als Teilthema davon) der Fall. Wichtige Kooperationen haben wir in diesen Gebieten etwa mit IBM, Zühlke Engineering, Trivadis, um nur ein paar wenige zu nennen.

Das Thema Medizininformatik haben wir vor gut 10 Jahren in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft in der Weiterbildung aufgenommen. Aus den Erfahrungen des Weiterbildungsstudiums konnten wir später zusätzlich einen Bachelorstudiengang entwickeln.

Nach Ansicht vieler Meinungsbildner und Experten wird das Lernen per Computer und über das Internet zum vielleicht wichtigsten Trend im Bildungswesen. Stimmen Sie mit dem überein? Kann Lernen via Internet auch für die BFH relevant werden?

Die sogenannten MOOCs (Massive Open Online Courses), die heute oft diskutiert werden, sind ein ganz wichtiges Lerninstrument ab heute und in Zukunft. Sie haben eine gute Portionierungsform, mehrere Übermittlungskanäle mit bewegtem Bild, Schrift, Grafik, Ton etc. und sind überall verfügbar. Sie strahlen teilweise auch einen kollegialen Vermittlungsstil aus. Für die Bildungsinstitution können sie auch ein gutes Image-Instrument darstellen, gerade wenn man sich auf einer der bekannten Plattformen wie Coursera oder edX positionieren kann.

Wohin geht die Entwicklung in der IT-Aus- & Weiterbildung generell? Ist etwa das kontextbasierte Microlearning, respektive «Learning on Demand», ein Thema, mit dem sich auch die BFH beschäftigt?

Learning on Demand ist weniger ein Thema. Entwicklung und Einsatz von MOOCs werden wir aber klar weiterverfolgen.

Welche Schwerpunkte setzen Sie bei der BFH aktuell bei der IT-Aus- & Weiterbildung?

Generell setzen wir zunehmend auf Themen in Spezialbereichen, die aber auf unseren eigenen Themenfeldern liegen. Konkret einige Themen: Security Incident Management, Business Intelligence und Big Data, Patient Data Management Systems, Mobile Application Development und natürlich Cloud Computing wie erwähnt. Ein wichtiger Punkt ist für mich die internationale Handlungsfähigkeit. Wir haben letztes Jahr eine Studienreise zum Thema IT-Sourcing aufgebaut und werden das Thema weiterverfolgen.

Fussnoten:
(1) ICT-Berufsbildung Schweiz, Qualitative Berufsfeldanalyse, Schlussbericht. Zürich, 20.10.2010. Kapitel 1.3 Einflussfaktoren.
(2) http://www.informationweek.com/big-data/news/big-data-analytics/20-top-m...

Interdisziplinäre Weiterbildungsbausteine
Die Sparten Managementzentrum MZBE, Medical Technology Center MTC und Software-Schule Schweiz SWS an der BFH/TI (Berner Fachhochschule Technik und Informatik) bieten Weiterbildung verstärkt als interdisziplinäre Bausteine an. Denn die Berufsbilder sind heutzutage grundsätzlich vermehrt interdisziplinär ausgerichtet. Studierende aus der IT- oder Medizin-Branche wollen fachliche Themen mit Betriebswirtschafts- und Managementthemen kombinieren. Derartige Kombinationen von Kompetenzen sind auf dem Arbeitsmarkt zunehmend gefragt. Sie verhelfen den Studierenden, sich exklusiv zu positionieren. Die Studiengänge des MZBE, MTC und der SWS erlauben es den Studierenden, ihre Weiterbildung interdisziplinär und auf ihre Bedürfnisse ausgerichtet selbst zusammenzustellen. Ermöglicht wird dies durch Weiterbildungsbausteine, sogenannte Certificates of Advanced Studies (CAS), die einen in sich abgeschlossenen Themenbereich in einem Semester ganzheitlich und anwendungsorientiert behandeln, eine bereichsübergreifende Modularisierung und einen «strikten Taktfahrplan» der Module, der ein nahtloses Studium ermöglicht.
Die CAS-Reihenfolge im jeweiligen Studiengang spielt keine Rolle, da jedes für sich eine unabhängige Weiterbildungseinheit bildet. Ein Studiengang kann aus privaten Gründen oder wegen vorübergehend höherem beruflichem Engagement auch unterbrochen werden. Zur Wahl stehen drei Abschlüsse: das Zertifikat (1 CAS), das Diplom (3 CAS) und der Master (4 CAS und die Master Thesis).

Abhängig von den beruflichen Interessen und zeitlicher Verfügbarkeit designen die Studierenden ihr Studienprogramm weitgehend frei. Konkret: Ein Studierender der SWS mit Ziel Master in IT übernimmt in seiner Firma vermehrt Aufgaben im Bereich Projektleitung. Er wird neben drei IT-CAS als viertes beispielsweise das CAS Systemisches Projektmanagement des MZBE für seinen IT-Abschluss wählen.

Berner Fachhochschule – Weiterbildung
Wankdorffeldstrasse 102
3014 Bern
Tel. 031 848 31 11

office.ti-bfh@bfh.ch, www.ti.bfh.ch/weiterbildung

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Arno Schmidhauser, Leiter Weiterbildung an der Berner Fachhochschule (Technik und Informatik ? BFH/TI)
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Bild: Pixelio