Julian Assange (Zeichnung: Hafteh7/Pixabay)

Wende im Fall von Julian Assange. Ein Berufungsgericht in London hat die Ablehnung des US-Auslieferungsantrags für den Wikileaks-Gründer gekippt. Dies gab ein Richter am Londoner High Court bekannt. Assange muss nun fürchten, doch noch an die Vereinigten Staaten ausgeliefert zu werden. Kritik am Londoner Urteil kam unter anderem von UNO-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer und zahlreichen europäischen Politikern.

Im Rahmen einer früheren Gerichtsverhandlung war die Auslieferung des 50-Jährigen unter Berücksichtigung seines psychischen und gesundheitlichen Zustands und die zu erwartenden Haftbedingungen in den USA untersagt worden. Washington hatte diese Entscheidung jedoch angefochten - und bekam nun Recht. Die von den USA in der Zwischenzeit gegebenen Zusicherungen seien ausreichend, um die Sorgen um seine Gesundheit auszuräumen, sagte der Richter.

Hintergrund dazu ist, dass die US-Justiz Assange wegen Spionagevorwürfen den Prozess machen will. Dem gebürtigen Australier drohen dort bei einer Verurteilung bis zu 175 Jahre Haft. Vorgeworfen wird ihm, gemeinsam mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen und veröffentlicht zu haben. Er habe damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht. Seine Unterstützer sehen in ihm hingegen einen investigativen Journalisten, der Kriegsverbrechen ans Licht brachte.

Der Fall werde nun an das erstinstanzliche Gericht zurückgegeben mit der Weisung, die Entscheidung über die Auslieferung der Innenministerin zu überlassen, so der Richter weiter. Ob das Tauziehen um Assange damit ganz zu Ende ist, war aber nicht unmittelbar klar. Seine Unterstützer hatten für diesen Fall bereits angekündigt, erneut in Berufung zu gehen. Dutzende Anhänger des Wikileaks-Gründers, die sich vor dem Gerichtsgebäude in London versammelt hatten, zeigten sich enttäuscht und empört. Viele skandierten "Schande, Schande" und kündigten an, weiter für Assanges Freilassung zu kämpfen.

Assanges Angehörige beschreiben seinen Gesundheitszustand seit Monaten als schlecht und besorgniserregend. Der 50-Jährige sitzt seit mehr als zwei Jahren im Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh. Die Verlobte von Julian Assange kündigte unterdessen nach der Aufhebung des Auslieferungsverbots an, erneut in Berufung zu gehen. "Wir werden diese Entscheidung zum frühestmöglichen Punkt anfechten", sagte Stella Moris einer Mitteilung am Freitag zufolge. "Wir werden kämpfen" sagte Moris wenig später in einer emotionalen Stellungnahme vor dem Gerichtsgebäude und fügte hinzu: "Julian verkörpert die Fundamente dessen, was es bedeutet, in einer freien Gesellschaft zu leben und was es bedeutet, Pressefreiheit zu haben (..)".

Der unabhängige Berichterstatter der Vereinten Nationen für Folter kritisierte das Londoner Urteil im Fall Julian Assange scharf. "Dies ist ein Armutszeugnis für die britische Justiz", sagte Nils Melzer am Freitag gegenüber der Deutschen Presse Agentur (DPA). "Man kann über Assange denken, was man will, aber er ist nicht in einem Zustand, in dem man ihn ausliefern kann." Melzer sprach von einem "politisch motivierten Urteil". "Man will ein Exempel an ihm statuieren", sagte Melzer. Es solle andere abschrecken, jemals wie Assange geheime Regierungsdokumente zu veröffentlichen. Melzer kritisierte die "westliche Sicherheitskoalition": "Sie alle wollen Assange nicht auf freiem Fuss sehen, weil sie das Business-Modell der Geheimhaltung schützen wollen."

Melzer hat Assange zuletzt im Mai 2019 persönlich im Gefängnis in London gesehen. Er habe aber Kontakt zu seinem engen Umfeld. Assange sei in Isolation, die auf so lange Zeit fast jeden breche. Er sei mit Medikamenten stabilisiert, aber in sehr labilem Gesundheitszustand. Es sei grotesk, dass Richter und Anwälte darüber verhandelten, ob Assange einem Verfahren vor einem geheimen Gericht in den USA gewachsen sei, während er selbst gesundheitlich nicht in der Lage war, der Anhörung zuzuhören.