Symbolbild: Pixabay

KI-Tools haben sich so rasch in das Alltagsleben von Jugendlichen integriert, wie wohl noch nie ein Medium zuvor. Dies belegt die aktuelle James-Studie, für die alle zwei Jahre rund 1000 Jugendliche im Alter von 12 bis 19 Jahren befragt werden. Rund 71 Prozent haben demnach bereits Erfahrungen mit ChatGPT und Co. gemacht. Ein Drittel aller Jugendlichen nutzen gemäss der Studie KI-Tools bereits mindestens wöchentlich, obwohl diese Technologie erst Ende 2022 in den Fokus der breiten Masse trat.

"Noch nie zuvor hat sich ein Medium so schnell in den Alltag integriert, wie KI -Tools dies getan haben. Damit erhält das kritische Hinterfragen von Information in Zukunft einen noch höheren Stellenwert", betont ZHAW-Forscher und Co-Studienleiter Gregor Waller. Jugendliche müssten unbedingt für die Thematik sensibilisiert und angeleitet werden, wie man Informationen auf ihre Richtigkeit prüft.

Big Four festigen sich

Instagram, Tiktok, Whatsapp und Snapchat bleiben der neuen James-Untersuchung zufolge die beliebtesten sozialen Netzwerke und Messenger bei Jugendlichen in der Schweiz. Diese Big Four der digitalen Kommunikation sind für sie fester Bestandteil des Alltags – unabhängig von Alter, Geschlecht und soziodemografischen Hintergrund. Dabei konsumieren Jugendliche Inhalte auf sozialen Netzwerken überwiegend, ohne diese zu kommentieren, zu teilen oder selbst regelmässig Beiträge hochzuladen. Gemeinsam mit anderen sozialen Netzwerken, Messengern und Videoportalen werden die Big Four sowohl regelmässig zur Beschaffung von Informationen als auch zu Unterhaltungszwecken genutzt, wobei letztere überwiegen.

Sättigungstendenzen

Allerdings ist bei der Mediennutzung der Jugendlichen bereits eine Sättigungstendenz erkennbar, so die Studie. Viele der medialen Aktivitäten wie Musik hören, soziale Netzwerke nutzen oder Videos im Internet schauen sind heute demnach so tief im Alltag integriert, dass eine weitere Steigerung in der Nutzung kaum mehr möglich scheint. Angesichts von Schule, Lehre, nonmedialen Freizeitaktivitäten oder sozialen Aktivitäten scheint eine Art natürliches Maximum erreicht zu sein.
"Die stabilen Ergebnisse könnten darauf hinweisen, dass sich die digitalen Routinen und Gewohnheiten der Jugendlichen im Alltag gefestigt haben", konstatiert Céline Külling-Knecht, ZHAW-Forscherin und Mitautorin.

Ein Rückgang erfolgte bei der Nutzung von klassischen Medien, so die Studie weiters. Während 2018 noch ein Viertel der befragten Jugendlichen Zeitschriften- und Zeitungsportale regelmässig zu Informationszwecken nutzten, sind es heute nur noch 10 Prozent. Gleichzeitig nutzen mehr als die Hälfte der befragten Jugendlichen soziale Netzwerke als Informationsquelle (57 Prozent). Auch wenn traditionelle Nachrichtenanbieter in sozialen Netzwerken ebenfalls vertreten sind, so kann grundsätzlich jede Person auf diesen Plattformen Informationen ungefiltert verbreiten. Das erhöht das Risiko von Fake-News und konfrontiert Jugendliche potenziell vermehrt mit Manipulation und Fehlinformation.

Versteckte Risiken in Games

Acht von zehn Jugendlichen gamen zumindest ab und zu, heisst es in der James-Untersuchung weiters. Bei den Jungs, die rund doppelt so häufig regelmässig gamen wie Mädchen, ist das Gamen demnach die mit Abstand beliebteste Freizeitaktivität. Besonders beliebt sind dabei Free-to-play-Games, wie das Mobile Game "Brawl Stars", danach folgen "Fortnite" und "Minecraft". Hinter der Faszination für diese Games verbergen sich zum Teil sogenannte "Dark Patterns", manipulative Designstrategien, die das Verhalten der Spielenden beeinflussen sollen, so die Studienautoren. Dazu zählen demnach zum Beispiel Lootboxen (zufällige Belohnungen, die zum Weiterspielen und -kaufen animieren) oder komplexe In-Game-Währungen (die den Überblick über tatsächliche Kosten erschweren). Auch zeitlich limitierte Belohnungen und ein daraus resultierendes Gefühl, etwas zu verpassen ("Fear of Missing Out" Fomo), soziale Verpflichtungen innerhalb des Spiels (beides erhöht den Druck, regelmässig zu spielen) und Verlustaversion (Mechanismen, bei denen Spielende bereits Erreichtes verlieren können) gehören zu den "Dark Patterns" von Videogames.

Monetarisiert werden diese Games durch Mikrotransaktionen (Bezahlmodell, bei dem Nutzende im Spiel virtuelle Güter erwerben können). Rund die Hälfte aller befragten Jugendlichen hat eine solche bereits einmal getätigt. "Vor dem Hintergrund dieser Mechanismen sind vor allem Eltern in der Pflicht, sich mit unterschiedlichen Games auseinanderzusetzen und sich offen gegenüber dem Gamingverhalten ihrer Kinder zu zeigen", streicht Michael In Albon, Jugendmedienschutz-Beauftragter bei Swisscom, diesbezüglich hervor. Zudem sollten auch Behörden ein Auge auf die Entwicklungen rund um "Dark Patterns" haben und gegebenenfalls regulierend einschreiten, so wie das in einigen Ländern wie den Niederlanden oder Grossbritannien bereits geschehen ist, so Albon.

Prävention

36 Prozent der befragten Jugendlichen geben an, dass sie in den letzten zwei Jahren mindestens einmal nach dem Aussehen ihres Körpers gefragt wurden, während rund ein Drittel erlebt hat, dass Fremde im digitalen Raum mit ihnen über Sex reden wollten oder sie mit unerwünschten sexuellen Absichten angesprochen haben, ist der Studie ebenfalls zu entnehmen. Die Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen sind demnach gross: Mädchen haben verschiedene Formen sexueller Belästigung viel öfter erlebt. Knapp jede zweite Jugendliche hat bereits in der einen oder anderen Form Erfahrung mit sexuell motivierter Kontaktaufnahme im Internet gemacht. Mit dem Alter nimmt die Häufigkeit solcher Erlebnisse zudem deutlich zu. "Es ist unhaltbar, dass Kinder derart belästigt werden, Plattformen wie Instagram oder Tiktok müssen hier mehr in die Verantwortung genommen werden, damit die Jugendlichen besser geschützt sind", macht Michael In Albon seine Haltung in dieser Frage klar.

Auch bei Cybermobbing spielt das Geschlecht eine Rolle: Mit 28 Prozent berichten fast doppelt so viele Jungs wie Mädchen davon, dass sie im Internet bereits mindestens einmal beschimpft oder beleidigt wurden. Gleichzeitig sind ebenfalls weit mehr die Jungs auch selbst in der aktiven, mobbenden Rolle. Dabei gibt es kaum Unterschiede in den Häufigkeiten zwischen aktiv ausgeübtem Cybermobbing oder von Cybermobbing betroffen zu sein. Eine Möglichkeit ist, dass viele Jugendliche sowohl aktiv mobben als auch gemobbt werden. "Da es mit dem Alter kaum eine Zunahme von Cybermobbing gibt, macht es Sinn, mit der Prävention zu diesem Thema bereits auf der Primarstufe anzufangen", sagt Céline Külling-Knecht, ZHAW-Forscherin und Mitautorin.

Sport bleibt wichtigste Freizeitaktivität

Wenn Jugendliche ihre Freizeit allein verbringen, stehen sportliche Aktivitäten, audiovisuelle Medien und Musik ganz oben. Besonders Sport hat im Vergleich zur James-Studie 2022 an Wichtigkeit gewonnen und wird neu als beliebteste Freizeitaktivität genannt. Während bei Jungs das Gamen und sportliche Aktivitäten klar dominieren, stehen bei den Mädchen andere kulturelle (Lesen und Musik) und kreative (Backen, Zeichnen) Tätigkeiten im Zentrum. Als bedeutsamste Freizeitaktivitäten gemeinsam mit Freundinnen und Freunden nennen die Jugendlichen ähnlich wie im Jahr 2022 sportliche Aktivitäten, die Zeit draussen in der Natur und gemeinsame Unternehmungen. Auch Gespräche mit Freundinnen und Freunden zu führen, ist für die Jugendlichen laut Studie sehr wichtig.

Jugendliche lesen laut Studie gern, dies gehört demnach seit vielen Jahren zu einer Konstante in der Mediennutzung. Zusätzlich finden sich auch immer mehr bücherbezogene Inhalte auf verschiedenen Plattformen wie Tiktok, Instagram und Youzube. Die Inhalte sind laut James so verbreitet, dass sich eigene Namen wie "Booktok", "Bookstagram" oder "Booktube" für diese Subkulturen etabliert haben. Zum ersten Mal seit 2016 wurden daher 2024 die Lieblingsbücher der Jugendlichen wieder erhoben. Auf dem ersten Platz landet die Harry Potter Reihe, die seit 2012 die Rangliste anführt. Ebenfalls beliebt sind 2024 Gregs Tagebuch, die Drei ??? und One Piece. Seit 2012 handelt es sich bei den beliebtesten Büchern stets um solche, die auch verfilmt wurden. Auffällig ist, dass sich das Leseverhalten besonders zwischen den Geschlechtern unterscheidet. Mädchen lesen grundsätzlich mehr als Jungs und bezeichnen es auch eher als eine ihrer Lieblingsfreizeitaktivitäten.
Downloads:
www.zhaw.ch/psychologie/james
www.swisscom.ch/james

Zur James-Studie:
Die James-Studie bildet den Medienumgang von Jugendlichen in der Schweiz ab. James steht für "Jugend, Aktivitäten, Medien – Erhebung Schweiz" und wird alle zwei Jahre durchgeführt. In der repräsentativen Studie werden seit 2010 von der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften im Auftrag von Swisscom über 1000 Jugendliche im Alter von 12 bis 19 Jahren in den drei grossen Sprachregionen der Schweiz zu ihrem Medien- und Freizeitverhalten befragt.