Symbolbild: Keramikobjekt von Ewald Hotz (Bild: zVg)

Mensch und Maschine sind nach Ansicht des deutsch-britischen Hirnforschers John-Dylan Haynes von der Berliner Charite in der digitalen Welt keine Konkurrenten. Im Rahmen des Europäischen Mediengipfels im Nobelskiort Lech am Arlberg wies er darauf him, dass die künstliche Intelligenz (KI) zumeist überschätzt werde und noch immer auf den Menschen angewiesen sei.

Haynes wörtlich: "Wir schreiben Algorithmen mehr Kapazitäten zu, als sie haben." Zudem neige der Mensch dazu, technischen Gegenständen menschliche Fähigkeiten zuzuschreiben. "Hinter Big Data steht keine Intelligenz, das sind nur Statistiken, die auch ein Mensch mit extrem viel Zeit errechnen könnte," so der Hirnforscher. "Weil Computer sehr gut darin sind, grosse Datenmengen zu verarbeiten, kann man die in gut ausdefinierten oder simulierten Umfeldern einsetzen," betonte Haynes. Doch ein Computer funktioniere völlig anders als das menschliche Gehirn.

"Viele Hirnmythen sind Blödsinn“, sagte der Wissenschaftler weiters. Der Mensch lerne, indem neue Leitungen zwischen Nervenzellen verlegt würden. Dies unterscheide das Gehirn jedoch fundamental von gängigen KI-Netzwerken, in denen Informationen nur weitergereicht würden. "Das Hirn ist sowohl analog als auch digital," konstatierte er. Das menschliche Denkorgan sei multipolar, da jede Nervenzelle jede andere beeinflussen könne. "Es gibt keinen Diktator im Hirn," hielt er fest. Darum könne man Daten nur schwer messen, denn an viele Nervenzellen komme man nicht heran.

Neuromarketing beispielsweise ist für den Hirnforscher daher derzeit "kein seriöses Thema." Und weiter: "Ich möchte auch den IQ-Test entmystifizieren, denn lebensnahe Intelligenz ist nochmal was anderes, weil unsere Handlungsfähigkeit im realen Leben nicht getestet wird," erklärte er. "Komplexes Weltwissen" sei oft notwendig, um Entscheidungen zu treffen. "Das ist extrem schwer zu automatisieren," unterstrich Haynes. "Kreativität und Problemlösung sind eine menschliche Stärke, Algorithmen sind alles Fachidioten," so der Deutsch-Brite.

Für Haynes entrkäftet das Faktum, dass ein Computer in den USA den zweiten Platz bei einem Kurzgeschichtenwettbewerb gewonnen habe, diesen Ansatz nicht. "Sprache eignet sich sehr gut, weil Textkorpusse riesig sind. Wir geben mit Assoziationen den Kunstwerken viel Bedeutung dazu. Die besten Ergebnisse findet man aber in der Kombination aus Algorithmus und Mensch," stellte er klar. Es bleibe noch genug für uns zu tun, wir müssten KI realistisch einschätzen, so seine Aufforderung. Adäquate Ausbildung für diese Zukunftsrichtung sei "unersetzlich". "Wir müssen uns mit Computern verbünden," so die Handlungsanweisung des Hirnforschers vor der weissen Schneekulisse am Arlberg.

Hirnforscher John-Dylan Haynes (Bildquelle: Wikimedia Commons/ Gregor Fischer/ Re:Publica, CC)
Hirnforscher John-Dylan Haynes (Bildquelle: Wikimedia Commons/ Gregor Fischer/ Re:Publica, CC)