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Willi Vollenweider gilt als Urgestein in der IT-Aus- und Weiterbildungsbranche. Als Gründer von Digicomp bekannt geworden, leitet er seit rund acht Jahren das Zentrum für Informatik (ZFI) im Zürcher Technopark. ICTkommunikation unterhielt sich mit ihm über aktuelle Trends, die Situation im IT-Arbeitsmarkt und über politische Rahmendbedingen.

Die Schweizer Wirtschaft hat wieder Fahrt aufgenommen. Spürt man dies auch in der Aus- und Weiterbildungsbranche?

Ja, man spürt dies deutlich.

Orten Sie durch die Erholung der Wirtschaft eine Verschärfung des Mangels an IT-Fachkräften?

Ausländische Spezialisten konnten bei Bedarf schon immer ins Land geholt werden, nicht erst seit Inkrafttreten der Personenfreizügigkeit. Bekanntlich ist es schon seit langem so, dass schweizerische IT-Fachkräfte knapp sind. Durch Offshoring und Outsourcing vieler Bereiche - hauptsächlich in Grossunternehmen - ins Ausland konnten zahlreiche IT-Arbeitsplätze in der Schweiz abgebaut werden. Die dadurch frei werdenden IT-Fachleute entschärfen den Mangel an IT-Fachkräften wieder etwas. Eine ähnliche Entwicklung ist zurzeit im Gang, indem Teile der IT-Infrastruktur in die „Cloud“, also in Rechenzentren der Hersteller, ausgelagert werden. Bedeutend, weil diese Möglichkeit auch KMU’s offenstehen. Es ist damit zu rechnen, dass durch diesen Trend IT-Arbeitsplätze in der Schweiz in grösserem Massstab als bisher wegfallen werden.

Da der Konkurrenzdruck unter IT-Fachleuten im Ausland wesentlich grösser ist als in der Schweiz, beobachten wir, dass ausländische Fachleute die diversen Hersteller-Zertifizierungen viel eher anstreben als die Schweizer Kollegen. Man kann sich fragen, ob die Schweizer Informatiker diese relative Trägheit nicht eines Tages bereuen werden.

Was bringen Initiativen wie die Gründung der Stiftung „IT-Berufsbildung Schweiz“? Sehen Sie darin wichtige Impulse für die Situation in der Schweiz?

Ja, jede Initiative ist sehr zu begrüssen. Mir gefällt ausserordentlich, dass diese Stiftung durch die Privatwirtschaft ins Leben gerufen worden ist und keine staatliche Organisation ist. Dies demonstriert deutlich, dass die Wirtschaft vorhandene Herausforderungen selber erkennt und auch selber zu handeln imstande ist.

Welche Trends beherrschen die Aus- und Weiterbildung? Was ist bei Ihnen momentan besonders gefragt?

Aus oben genannten Gründen (Cloud-Trend) wird die Systembetreuung weniger nachgefragt als auch schon. Existentiell wichtig sind für viele Firmen IT-Sicherheits-Spezialisten. Die Sicherheit ist sowohl eine technische als auch eine organisatorische Disziplin.
Nach wie vor gefragt ist technisches Detailwissen über Netzwerke und Betriebssysteme, um die Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit von IT-Applikationen nachhaltig sicherzustellen. Ausfälle der IT-Infrastruktur sind weder bei Kunden noch bei Mitarbeitenden beliebt – und schon gar nicht beim Management.
Im weiteren müssen die bestehenden IT-Applikationen gewartet und weiterentwickelt werden. Neue Applikationen kommen hinzu, um neuen Geschäftsanforderungen Rechnung zu tragen. Entwickler-Weiterbildungen sind zurzeit stark gefragt.

Das von Ihnen gegründete ZFI befindet sich im achten Bestandsjahr. Was ist Ihr Rezept, um quasi als „Nischenplayer“ gegen die grossen Anbieter bestehen zu können? Wie grenzt sich das ZFI inhaltlich von anderen Häusern ab?

Der IT-Weiterbildungsmarkt hat sich seit dem Jahrtausendwechsel stark gewandelt. In den neunziger Jahren bestand die Herausforderung darin, die Ausbildungs-Ressourcen laufend an die wachsenden Bedürfnisse anzupassen und zugleich das Qualitätsniveau zu halten. Die um das Jahr 2000 eingetretene Marktsättigung, zusammen mit dem wirtschaftlichen Abschwung im ersten Jahrzehnt des dritten Jahrtausends, bewirken nun, dass die „Qualität“ einen höheren Stellenwert als die „Quantität“ erhält.
Das ZFI ist auf diese Marktsituation ausgerichtet. Die ZFI-Kursleiter sind Spezialisten mit Praxis im unterrichteten Fachgebiet und haben jahrelange Unterrichts-Erfahrung. Zudem ist das ZFI im Technopark Zürich angesiedelt. Dadurch können viele Kontakte mit äusserst innovativen Jungunternehmen hergestellt und genutzt werden. Das ZFI erfüllt im Technopark mittlerweile die Rolle eines Knowhow-Vermittlers aus dem Technopark in die Wirtschaft.

Wie spielt aktuell der Wettbewerb im Schweizer IT Aus- und Weiterbildungsbereich? Ist die Lage nach wie vor angespannt?

Es bestehen nach wie vor Überkapazitäten. Für die Kunden ist das natürlich gut. Die Anbieter müssen sich darauf einstellen.

Eine Untersuchung von IDC ergab, dass in neun von zehn Berufen zukünftig PC-Wissen benötigt wird. Weniger als zehn Prozent aller Jobs werden demnach 2014 ohne IT-Kompetenzen auskommen. Deutet dies nicht darauf hin, dass auf Schulungsanbieter rosige Zeiten zukommen?

Nein. Die Frage ist bei solchen sogenannten „Untersuchungen“ immer, was unter „PC-Wissen“ verstanden wird. Etwas auf einem Bildschirm ablesen und dann etwas auf einer Tastatur eintippen kann heute jeder, der in einem einigermassen zivilisierten Land aufgewachsen ist.
Die Mehrheit der Berufstätigen geben sich jedoch damit zufrieden, den PC einigermassen im Sinne einer „elektronischen Schreibmaschine“ und als Mail-System zu benützen. Sie möchten gar nicht mehr können, obwohl sie wissen, dass noch viel Potenzial brach liegt. Als Anwender wirklich professionell mit dem PC umgehen können nur die wenigsten. Erstaunlich schlechte PC-Anwender-Fähigkeiten haben Absolventen von Universitäten. Da die Gymnasien fast keine Informatik-Kenntnisse vermitteln, können sich Studenten und Studentinnen bis zum Uni-Abschluss „durchmogeln“, ohne je professionell etwas über stufengerechten Einsatz der PC-Werkzeuge gehört oder gelernt zu haben. Hier besteht Handlungsbedarf. Ausgerechnet bei der „geistigen und intellektuellen Elite“. Bedenklich, aber wahr.

Nach wie vor klafft aber eine grosse Lücke zwischen der IT-Qualifikation von Männern und Frauen. Was können private Schulungsanbieter tun, um Frauen verstärkt in die IT zu holen?

Ich bezweifle sehr stark, ob diese Behauptung so stimmt. Sicher trifft zu, dass Frauen „Informatik“ als Studien- oder Berufs-Richtung weniger oft wählen als Männer. In der Schweiz haben wir aber zum Glück nach wie vor die freie Berufs- und Studien-Wahl. Es ist weder Staatsaufgabe noch Aufgabe von privaten Schulungsanbietern, geschlechter-spezifische Massnahmen zu ergreifen. Schon gar nicht solche, welche Männer benachteiligen. Die vielen sogenannten „Gleichstellungsprogramme“ bewirken genau das. Frauen sollen weiterhin die Freiheit haben, diejenigen Berufs- und Studienrichtungen zu wählen, welche ihnen am ehesten liegen. Ich habe manchmal schon den Eindruck, dass wir in der Schweiz Probleme suchen, die es gar nicht gibt.

Wie sind Sie mit aktuellen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Ihre Branche zufrieden? Was ist gut, was könnte besser sein?

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind soweit gut. Rechtssicherheit ist in der Schweiz einigermassen gewährleistet. Ich kann mich allerdings noch sehr gut an die neunziger Jahre erinnern, wo jahrelange Streitigkeiten mit Gerichten ausgetragen werden mussten über die Frage, ob ein „Freelancer“ ein „selbständig-Erwerbender“ oder ein „Angestellter“ sei. Statt eine klare Regelung zu treffen, hat der Gesetzgeber die Beantwortung dieser Frage ausdrücklich der sich stetig ändernden Beurteilung durch die Gerichte überlassen. Solch unklare Regelungen sind wirtschaftsfeindlich, da die Vertragsfreiheit eines der wichtigsten Fundamente des Geschäftslebens darstellt.

Sehr skeptisch sehe ich dem wohl unvermeidlichen kommenden schweizerischen „Weiterbildungs-Gesetz“ entgegen. Die Weiterbildungs-Landschaft war in der Schweiz bisher geprägt durch grosse unternehmerische Gestaltungs-Freiheiten. Jeder, der sich qualifiziert fühlte, konnte sein Können und Wissen auf dem Markt anbieten. Es blieb den Bürgern überlassen, welche Angebote sie nutzen wollten und welche nicht. Der Markt funktionierte sehr gut. Unnötige Angebote eliminierten sich selber. „Schwarze Schafe“ unter den Anbietern fanden rasch passende Resonanz in den Medien. Wer sich wie weiterbildet, liegt in der Eigenverantwortung der Bürger und Bürgerinnen, dazu brauchen diese kein Gesetz. Der Staat soll zuerst die gravierenden Missstände in der obligatorischen Schule bereinigen statt sich immer weitere Bereiche „unter den Nagel zu reissen“ und mit dem dazugehörigen Beamtenapparat zu beglücken. Die zu erwartende ausufernde staatliche Regulierungs-Dichte des Weiterbildungs-Bereiches wird viele Initiativen unterdrücken und abwürgen, die staatliche Zuständigkeit ausbauen, den Wettbewerb untergraben und durch Subventionen verzerren und somit letztlich der Volkswirtschaft schaden.

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Vollenweider Willy
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Schulungsraum-ZFI-WV.