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Der promovierte Datenbankspezialist Arno Schmidhauser ist bei der Berner Fachhochschule als Fachbereichsleiter Weiterbildung und Geschäftsleitungsmitglied tätig. Im Gespräch mit ICTkommunikation erläutert er die Möglichkeiten, Aufgaben, Trends und Visionen in der heutigen IT-Aus- und Weiterbildung.

Sie leiten im Departement Technik der Berner Fachhochschule den Bereich Weiterbildung. Was sind Ihre zentralen Aufgaben dabei, - speziell im Hinblick auf die Informatik-Weiterbildung?

Von zentraler unternehmerischer Bedeutung ist das Verfolgen der gemeinsamen Vision aller Programme untereinander. Unsere Vision ist:

  1. Das Departement Technik unterstützt mit seiner Weiterbildung die berufliche Karriere von Personen, die in technologie- oder informatikorientierten Branchen, öffentlichen Institutionen, Firmen, oder Abteilungen als Fachspezialisten oder in Führungspositionen arbeiten. Die Weiterbildung baut auf einer technisch-ingenieurorientierten Grundausbildung auf.
  2. Die Weiterbildung des Departements Technik und Informatik fördert die Karriere seiner Studierenden durch internationale Vernetzung und durch Studiengänge, die auf internationale Tätigkeit ausgerichtet sind.
  3. Die Weiterbildung unterstützt die Vernetzung des Departements mit der Wirtschaft, indem wir Leistungsträger in Projekten und Unternehmen als Studierende ansprechen, oder indem wir Vertreter aus der Wirtschaft und Industrie als Dozierende verpflichten. Dies fördert die Bekanntheit und die Rekrutierung von Studierenden in der Grundausbildung, und auch die Zusammenarbeit in Dienstleistungs- und Forschungs-Projekten.

Das Departement bietet Weiterbildungen in den Bereichen Informatik, Management (Modell BWI der ETH) und Medizintechnik an. Eine zentrale Aufgabe in der Informatik ist das frühzeitige Erkennen der professionellen Weiterbildungsbedürfnisse in der Wirtschaft, insbesondere auch bei den KMU. In den letzten zwei Jahren hat sich an unserem Departement besonders in drei Bereichen eine Nachfrage gezeigt: Requirements-Engineering, Software-Architektur, Business Intelligence. Neu besteht für Cloud Computing ein grosses Interesse. Hier stellt sich für uns aber die Frage, ob es sich ausbildungsmässig um ein eigenständiges Thema, oder eher eine Komposition aus anderen grundlegenden Themen der IT-Governance handelt.

Zu meinen Aufgaben gehört natürlich auch die betriebliche Leitung der Weiterbildung als Business Unit. Die Weiterbildung unterliegt heute engen finanziellen Vorgaben.

Welchen Stellenwert hat die Weiterbildung im Bereich IT generell? Spielt nicht das „Learning on the Job“ in der IT eine wichtigere Rolle als das Schulbankdrücken?

"Updates", das heisst Wissenaktualisierungen, können sich Mitarbeiter während des Jobs oder in kurzen Ausbildungsgängen (Tage bis wenige Wochen) aneignen. Sobald ein grundsätzlich neues Thema erlernt werden muss, sind formale Ausbildungen mit ausreichend Zeit von grossem Vorteil. Formale Weiterbildungen dokumentieren auch den Willen, sich für seine berufliche Karriere einzusetzen. Meistens leisten ja Mitarbeiter selbst einen wesentlichen Anteil an ihre Weiterbildung (Zeit und Geld). Allerdings sind heute praktisch alle Weiterbildungen auf FH-Stufe berufsbegleitend. Bei uns gilt die Richtlinie, dass max 80 Prozent Berufstätigkeit während der Weiterbildung möglich ist.

Welche Schwerpunkte setzt die BFH im Bereich der IT-Weiterbildung?

Der Schlussbericht der Frey Akademie [ICT-Berufsbildung Schweiz – Qualitative Berufsfeldanalyse – Schlussbericht, 20-Oktober-2010] über die ICT-Berufsbildung nennt acht Faktoren, welche heute die ICT-Berufsbildung beeinflussen:

  • a. Outsourcing
  • b. Cloud Computing
  • c. Serviceorientierung
  • d. Komplexitätssteigerung
  • e. Mobile Devices
  • f. Industrialisierung und Standardisierung
  • g. Innovation
  • h. Gesetze und Vorschriften (Datenschutz)

Diese Faktoren sind auch für uns, die IT-Weiterbildung, von hoher Bedeutung und werden in den Studiengängen aufgenommen. Das Thema 'Mobile Devices' wurde als Studiengang explizit umgesetzt. Outsourcing, Standardisierung und Regulation sind Kernthemen des Studienganges IT-Strategy&-Management. Komplexitätsmanagement ist eine indirekte Grösse. Sie spiegelt sich bei uns vor allem darin, dass die Themen Requirements Engineering, Software-Architektur und auch betriebswirtschaftliche Module stark gefragt sind, welche ja zur Handhabung von Komplexität wesentlich beitragen.

Was für Bereiche des IT-Weiterbildungsangebotes der BFH sind derzeit besonders gefragt?

Dauerbrenner sind einerseits grundlegende und vertiefende Ausbildungen im Bereich des Software-Engineerings, insbesondere auch das Arbeiten mit grossen Frameworks im Opensource-, Java- und .NET-Umfeld.
Für Teilnehmer mit Informatik-Abschluss und längerer Entwicklungserfahrung in der IT sind es häufig auch Themen, welche die Schnittstelle zwischen IT und Business bedienen: Requirements-Engineering, IT-Strategie&Management, BI usw.

Welches sind die Stärken der IT-Weiterbildung der BFH?

Eine der grössten Stärke ist die die Ausrichtung auf bestimmte Berufs- und Jobprofile, sowie die strikte Baukastenorganisation in der Durchführung: Ausbildungsmodule sind thematisch unabhängig, in sich geschlossen und dauern exakt ein halbes Jahr. Damit sind die Teilnehmer völlig frei in ihrer persönlichen Planung. Sie können einzelne Module besuchen und diese später zu einem Weiterbildungsmaster zusammensetzen. Wir als Anbieter können zeitnah neue Themen anbieten, beispielsweise im Bereich Cloud Computing, oder nicht mehr aktuelle Themen aus dem Angebot nehmen.

Wir achten darauf, eine sinnvoll breite Themenpalette anzubieten, um auch Teilnehmer anzusprechen, die neben den Mainstream-Themen speziellere Weiterbildungen benötigen, z.B. im Bereich Virtual Reality. Ausserdem können wir uns mit dem Label SWS (Software-Schule Schweiz) auf dem Markt sehr gut positionieren. Es ist in der Branche weit bekannt, und viele Alumni stehen für unsere Ausbildung ein.

Wenn man die Zeiträume vor, während und nach der grossen Krise vergleicht: spüren Sie da merkliche Veränderungen im Nachfrageverhalten der Studierenden?

Nach unseren Beobachtungen geht der Trend klar in Richtung Ausbildungsmodelle mit flexibler Belastung und inhaltlicher Dynamik. Die meisten Studierenden beabsichtigen, ein MAS oder EMBA Studium zu absolvieren, sind sich aber auch bewusst, dass im Verlauf des Studiengangs geringe Richtungsänderungen oder Pausen notwendig sind. Eine Richtungsänderung kann passieren, wenn plötzlich zu einer fachlichen Funktion auch noch eine Führungsaufgabe dazukommt, oder sich fachliche Schwerpunkte ändern. Eine Weiterbildungspause kann notwendig werden, wenn unvorhergesehene berufliche oder private(!) Projekte Priorität bekommen.

Was für Anforderungen werden seitens der Unternehmen an die Abgänger Ihrer Ausbildungsgänge gestellt?

Unsere Abgänger entwickeln selten grosse, generische Software-Systeme und Algorithmen. Sie setzen industriereife Frameworks, Datenbanken, Methodiken, Technologien in der Praxis ein. Sorgfältig erworbene und trainierte handwerkliche Fähigkeiten, sowie gute Kenntnisse des Kerngeschäftes der Firma sind wichtige Anforderungen.

Mit dem europäischen E-Competence Framework gibt es für die ICT-Berufsbildung ein in der EU gültiges Rahmenwerk für die Beschreibung von IT-Kompetenzen. Wird dieser Rahmen auch von den hiesigen Fachhochschulen berücksichtigt? Was fliesst davon etwa in die BFH ein?

Das E-Competence Framework ist ein äusserst nützliches Rahmenwerk zur Positionierung des IT-Angebotes. Die "plan-build-run-enable-manage"-Metapher ist sehr intuitiv. Wir sehen unsere Schwerpunkte in den zwei Abschnitten "plan" und "build", sowie bei "run" und "manage".

Sind die Abgänger Ihrer Institution somit reif für internationale Aufgaben?

Die Frage stellt sich vor allem bei den Führungsaufgaben. Wir haben ein EMBA International Management, in dem alle Skills, die im internationalen Umfeld erforderlich sind, gelehrt werden.

Sind Sie mit den politischen Rahmenbedingungen in der IT-Aus- und Weiterbildung zufrieden? Was könnte besser sein?

Die Weiterbildung an den (Fach-)Hochschulen ist gegenwärtig finanziell unter grossem Druck. Die Politik fordert hohe Deckungsbeiträge, teilweise bis zur Vollkostendeckung. Einerseits ist es gerechtfertigt, der Weiterbildung Erträge abzuverlangen, da relativ direkt ein wirtschaftlicher Nutzen aus der IT-Weiterbildung folgt. Andererseits ist ein hochwertiges Angebot an IT-Weiterbildung auf Hochschulstufe ein ganz wichtiges bildungspolitisches und wirtschaftsförderndes Element. Die Weiterbildung muss ausreichend Ressourcen haben, dass sie den Wissenstransfer auch für neueste Wissensgebiete und Erkenntnisse aus der Forschung garantieren kann. Die meisten FH-Absolventen sind stark institutionentreu, sie absolvieren ihre Weiterbildung oft an einer FH, wenn möglich sogar dort, wo sie ursprünglich studiert haben. Die Drehscheibe Weiterbildung (Dozierende und Teilnehmer aus Industrie und Wirtschaft) ist daher ein ganz wichtiger Teil des FH-Leistungsauftrages und führt erfahrungsgemäss immer wieder zu Zusammenarbeitsprojekten.

Wie sehen Sie die künftige Entwicklung der Informatik-Weiterbildung?

Noch vor wenigen Jahren war die IT-Weiterbildung eine 100 prozentige IT-Weiterbildung. Erst einige Jahre nach dem IT-Studium nahmen Teilnehmer z.B. eine betriebswirtschaftliche Weiterbildung (EMBA-Studium) in Angriff. Heute verwischen sich diese zeitlichen Grenzen. Auf der Ebene einzelner Semester-Weiterbildungen (CAS) ist dies kein Problem. Auf der Ebene ganzer Weiterbildungsmaster (2-2.5 Jahre) stellt dies aber eine Gratwanderung zwischen einer klaren fachlichen Ausrichtung und dem Bedienen von verschiedensten Weiterbildungsansprüchen dar. Ich sehe die Entwicklung so, dass Kern-Informatik vielleicht noch etwa 2/3 einer MAS-Ausbildung ausmachen. Der andere Teil sind Domänen-und Branchen-spezifische Ausbildungen (Wirtschaft, Gesellschaft, Gesundheitswesen, Medizin, Kunst, Sport, Life Science, um die Fachgebiete der BFH zu nennen).

ZUR PERSON
Arno Schmidhauser, Jahrgang 1959, ist seit 2007 an der Berner Fachhochschule Technik und Informatik als Leiter Weiterbildung tätig. Dort ist der in physikalischer Chemie Promovierte auch Mitglied des Direktionsstabs und der Geschäftsleitung. Zudem ist Schmidhauser seit 2008 auch Adjunct Professor an der Charles Sturt University (AU). Seine fachlichen Interessen und Vorlesungsthemen sind in den Bereichen Business Intelligence, Data Warehouses, Information Retrieval, Datenmodellierung, Business Object Modeling, Query Languages, Datenbanktechnologie und Transaktionsmanagement angesiedelte. Der Verheiratete und Vater zweier Kinder frönt in seiner Freizeit vor allem dem Sport, insbesondere dem Marathon, Berglauf, Ski, Tennis, Bike, Badminton und Schwimmen.

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Arno Schmiedhauser
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