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Der Konjunkturanstieg nach der Finanzkrise hat dazu geführt, dass sich das ewige Problem des IT-Fachkräftemangels wieder eklatant zugespitzt hat. Des einen Leid, des anderen Freud: Durch das enorme Manko an Fachkräften werden Rekrutierungsprozesse verstärkt ausgelagert. Dirk Hahn, Vertriebsvorstand (COO) des Personalrekrutierers Hays, gibt im Interview mit Karlheinz Pichler Einblicke in das komplexe Gebiet der IT-Personalbeschaffung.

Laut einer vom Branchenverband Swico kürzlich veröffentlichten Studie steht das Stimmungsbarometer in der Schweizer IT-Branche derzeit auf einem stabilen Hoch. Viele Unternehmen wollen expandieren – auch in personeller Hinsicht. Jedoch monieren die Unternehmen, dass dem Ausbau durch den Mangel an qualifiziertem Personal Grenzen gesetzt werde. Nimmt man beim IT-Personalrekrutierer Hays die Befindlichkeit der Branche in der geschilderten Form auch wahr? Dann müssten Sie als Personalbeschaffer ja regelrecht belagert werden. Wie stellt sich die aktuelle Lage aus Ihrer Sicht dar?

In der Tat werden wir gegenwärtig sehr oft direkt von Unternehmen auf Ressourcen angesprochen. Gerade bei Positionen für Festanstellungen merken wir dies deutlich – wir verzeichnen aktuell mehr Kundenanfragen denn auf dem Markt sofort verfügbare Spezialisten. Dies gilt grundsätzlich für fast alle Positionen, wobei es sicherlich für einige IT-Fachbereiche noch gravierender ist.

Der besagten Swico-Untersuchung zufolge soll die Anzahl vakanter Stellen für IT-Experten sogar noch weiter zunehmen. Spitzenreiter sei dabei das Segment Software mit einem erwarteten Zuwachs vakanter Stellen um durchschnittlich 6.3 Prozent. Das Fehlen der Fachkräfte wird in der Branche daher als eine der grössten Herausforderungen für die kommenden Monate angesehen. Gibt es für Unternehmen wie Hays hier die Möglichkeit, aufkommende Personalengpässe zu entschärfen? Oder umgekehrt gefragt, wie sehen Sie als Vertreter eines Personalvermittlers diese Herausforderungen und gibt es Ihrerseits Strategien, die Herausforderungen bewältigen zu können?

Da wir international aufgestellt sind, können wir sicherlich in verstärktem Mass Kandidaten auch aus dem Ausland rekrutieren. Die Schweiz ist sehr attraktiv und Spezialisten aus dem europäischen Ausland – sicher mit Schwerpunkt aus Deutschland – sind durchaus an Positionen in der Schweiz interessiert.

Hays hat jüngst eine Studie über die Auswirkungen des demografische Wandels auf die Zeitarbeit veröffentlicht. Was für Schlüssse kann man aus dieser Studie ziehen? Müssen sich die Unternehmen allgemein darauf einrichten, künftig mehr zeitlich befristete Arbeitsverträge auszustellen?

Da sind die Unternehmen recht gespalten. Einige meinen, dass der demografische Wandel dafür sorgen wird, dass befristete Arbeitsverhältnisse zunehmen, andere jedoch sehen eine Renaissance der festen Arbeitsverträge. Unserer Meinung nach werden aber gerade die hochqualifizierten Spezialisten eher das „Nomadentum“ bevorzugen und in verschiedenen Projekten in unterschiedlichen Unternehmen arbeiten. Das heisst, die Unternehmen werden gerade bei allem Bedarf die wichtigen Spezialisten eher weniger binden können.

In Ihrer Studie wird auch erläutert, dass die IT eine Sonderrolle spielt?

In der Tat. Die IT ist bei allen Instrumentarien führend, über die Unternehmen ihre Arbeits- und Organisationsstrukturen flexibilisieren. So nutzt die IT am häufigsten externe Spezialisten genauso wie sie am ehesten auslagert oder Teilkompetenzen in Shared Service Center bündelt. Das liegt daran, dass zum einen das Innovationstempo in der IT sehr hoch ist und hier ständig neue Lösungen entwickelt, eingeführt und optimiert werden. Auf der anderen Seite hat die IT bei geschäftsunkritischen Anwendungen oft Kostendruck, dem sie über Auslagerung oder Shared Service Center begegnet.

Was könnte ein Unternehmen tun, um die Fachkräfte längerfristig bei der Stange zu halten?

Das hängt aus unserer Sicht vor allem vom Zielsystem des Mitarbeiters ab. Aber in der IT ist meist die Aufgabe das zentrale Element und nicht nur das Gehalt. Interessante Aufgaben, in denen auch neueste Technologien genutzt oder eingeführt werden, binden die Mitarbeiter.

Auch auf den Einsatz von Freiberuflern und den Ausbau von Shared Service Centern wirkt sich der demografische Wandel Ihrer Untersuchung zufolge aus. Stehen die Freiberufler, nachdem sie sich längere Zeit in einem „Tal der Tränen“ befanden, wieder vor einer Hausse?

Grundsätzlich steigt auch hier die Anfrage an IT-Experten, aber auch für andere Zielgruppen wie Engineering oder Finance. Zu vermerken ist hier speziell der Anstieg im Personalverleih wo temporäre Mitarbeiter zum Einsatz kommen.

In welchen Branchen orten Sie als Personalrekrutierer gegenwärtig die grösste Nachfrage? Im Finanzbereich?

Nein, das ist recht breit gefächert. Und im Bereich Finance haben Unternehmen in den letzten ein, zwei Jahren am wenigstens Spezialisten eingestellt. Für den IT-Sektor suchen viele Branchen derzeit Experten – dies betrifft natürlich den Finanzsektor, aber sehr hoch ist auch die Nachfrage in der Telekommunikationsindustrie.

Und fachlich gesehen: Was für Experten sind im Moment besondere Mangelware?

Es gibt nach wie vor eine sehr hohe Nachfrage nach Spezialisten im Bereich Standardsoftware. Allgemein sind die Ansprüche an den einzelnen Kandidaten sehr hoch. Sie müssen nicht nur im fachlichen Bereich stark sein, sondern auch über hohe kommunikative und soziale Kompetenzen verfügen.

Wie grenzt sich Hays gegenüber anderen IT-Personalrekrutierern ab?

Im Vergleich zu anderen Personalrekrutierern können wir auf der internationalen Bühne rekrutieren, da wir als Unternehmen global vertreten sind und Kandidaten aus etlichen Ländern kennen. Hinzu kommt sicher, dass wir einen Komplettservice in der Rekrutierung von Spezialisten bieten können: Wir finden die passenden Freiberufler genauso wie wir die richtigen Kandidaten für feste Positionen rekrutieren oder als Third-Party-Manager für unsere Kunden die Rekrutierungsprozesse übernehmen. Last not least investieren wir sehr viel in unser Rekrutierungsmanagement und unsere Prozesse. Wir suchen viele Kandidaten proaktiv und halten ihre Daten ständig auf dem neuesten Stand.

Was sind die aktuellen Trends in Ihrem Bereich? Wo geht es also lang und was für Ziele haben Sie sich, respektive Hays mittelfristig gesetzt?

Der Trend geht dahin, stärker mit semantischen Werkzeugen zu arbeiten. Dadurch wird das Matching zwischen den Anforderungen der Unternehmen und den Kompetenzen der Experten weiter verbessert. Zudem werden wir in der Schweiz verstärkt unseren Service als Third-Party-Manager für die Auslagerung von Rekrutierungsprozessen anbieten sowie unsere Services Stück für Stück erweitern.

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Dirk Hahn, Vertriebsvorstand der Hays AG (Foto: Horst Hamann)
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Laut Dirk Hahn binden interessante Tätigkeiten die Mitarbeiter ans Unternehmen (Foto: Horst Hamann))