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Google+ ist angetreten, um mit Facebook zu konkurrieren. Seit fast zwei Jahren besteht das Netzwerk nun, die Bilanz ist durchwachsen. Doch die Plattform bietet aufgrund ihrer direkten Anbindung an Google und einer Reihe interaktiver Funktionen vor allem für Firmen grosses Potenzial. Social-Media-Expertin Natascha Ljubic erläutert im Interview die Vorteile von Google+, das Konkurrenzverhältnis zu Facebook und ob es sich überhaupt lohnt, einen eigenen Mitarbeiter für Social Media abzustellen.

Der Suchgigant hat vor zwei Jahren mit Google+ sein eigenes soziales Netzwerk ins Leben gerufen. Warum?

Google hat gelernt, dass sich Menschen bei der Informationssuche von sozialen Signalen wie Bewertungen, Shares und Kommentaren beeinflussen lassen. Menschen vertrauen also anderen Menschen als Filter bei der Informationssuche. Google kann die Inhalte von Mitbewerbern wie Facebook oder Twitter nicht in den Suchindex aufnehmen. Deshalb hat es ein eigenes soziales Netzwerk gestartet und zieht die Bewertung durch das soziale "Engagement" von Inhalten als Qualitätsfaktor im Ranking der Suchergebnisse heran.

Facebook zählt mittlerweile über eine Mrd. Mitglieder und ist aus dem Internet nicht mehr wegzudenken. Ist da Google+ nicht einfach ein weiteres soziales Netzwerk?

Google+ ist mehr als das. Es ist das "soziale Rückgrat" von Google an sich. Während Facebook die Welt vernetzen will, zielt Google darauf ab, relevante Informationen zu identifizieren und schneller für Menschen auffindbar zu machen. Mehr als 90 Prozent nutzen die Suchmaschine täglich zur Suche von relevanten Inhalten. Durch das Posten von Inhalten bei Google+ kann man durch den "authorship" - qualitätsbasierte Autorenschaft - besser gefunden werden, ohne dafür Werbeanzeigen schalten zu müssen. Will man bei Facebook mehr als die zwei bis sieben Prozent organische Sichtbarkeit haben, muss man dafür bezahlen.

Sie sprechen den Werbenutzen an. Ist es für Unternehmen auf Google+ wirklich einfacher zu werben als auf Facebook?

Grosse Unternehmen kaufen sich Sichtbarkeit durch Werbeanzeigen auf Facebook. Kleine Unternehmen sollten sich eine zweite Präsenz auf Google+ überlegen einzurichten. Wer über einen Google-Map-Eintrag verfügt, wird automatisch zu Google+ hereingeholt und kann dort von Nutzern bewertet werden. Google+-Seiten werden auch in der Google-Suchmaschine im Werbebereich auf der rechten Seite kostenfrei angezeigt. Autoren, die regelmässig Inhalte im Web erstellen, können ihre Online-Reputation als guter Content-Produzent in Verbindung mit einem Google+-Profil erstellen.

Gibt es noch weitere Vorteile?

Es gibt keine Werbung im Netzwerk und keine Spiele-Anfragen. Man kann die Sichtbarkeit von Beiträgen mittels "Kreisen" selbst bestimmen, auf Facebook übernimmt das ein Algorithmus, der nur zwei bis fünf Prozent der Inhalte anzeigt. Hinzu kommt, dass die Listenfunktion nicht so gut wie das Filtern durch die Google+-Kreise funktioniert. Ich finde mittels Hashtags (#Suchwort) weltweit aktuelle Trends in Echtzeit. Auf Google+ kann man sich mit Gleichgesinnten zu einem gemeinsamen Interesse (ohne Freundschaftsanfrage) sofort vernetzen. Ähnlich wie bei Twitter wird das Prinzip des einseitigen Folgens genutzt.

Für eine grosse Anzahl von Firmen spielt Google+ jedoch nach wie vor noch eine sehr unbedeutende Rolle. Fehlt der Mut?

Sehr viele Unternehmen zögern noch. An einer langfristigen Präsenz in der weltgrössten Suchmaschine kommt man jedoch nicht herum.

Welche Zielgruppe lässt sich erreichen? Gibt es spezielle Branchen oder Interessengebiete?

Auf Google+ findet man vor allem technisch affine, neugierige, gut ausgebildete und teilweise noch junge Leute, wie etwa Studenten oder Experten aus der IT-Branche. Diese sollte man anspruchsvoller und anders als auf Facebook ansprechen. Zudem finden sich viele Fotografen, weil sie die Google+-Funktionen für ihre Vermarktung gut nutzen können. Journalisten und Medien, die von den Vorteilen der besseren Auffindbarkeit in der Suchmaschine und der Schnelligkeit der Informationsfindung mittels Hashtags profitieren wollen, sind hier. Gleiche Inhalte auf mehreren Social-Media-Plattformen zu posten, halte ich für den Aufbau von Beziehungen als nicht zielführend.

Auf Jobbörsen findet man immer öfter Stellen für Social-Media-Profis. Lohnt es sich für Unternehmen wirklich einen eigenen Verantwortlichen dafür abzustellen?

Social-Media-Kommunikation ist ein eigener Berufszweig geworden. Ich bin als Ausbilderin zum Social-Media-Manager selbst auch in diesem Bereich tätig. Viele Unternehmen nutzen es zur Kundenakquise oder Kundenbindung, man kann es aber auch im HR-Bereich zum Aufbau einer attraktiven Arbeitgebermarke oder zum Social-Recruitment einsetzen.

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Natascha Ljubic