Wendelin Stark (l.) u. Robert Grass (Bild: zVg)

Die beiden ETH-Forscher Robert N. Grass und Wendelin Stark sind vom Europäischen Patentamt (EPA für den Europäischen Erfinderpreis 2021 als Finalisten in der Kategorie "Forschung" nominiert worden. Damit werde ihre Erfindung eines neuartigen Datenspeicherverfahrens gewürdigt, das in DNA-Codes verwandelte Informationen in winzigen Glaskugeln künstlich versteinert und so Daten für Tausende von Jahren auf kleinstem Raum sichert und erhält, heisst es.

Die Erfindung von Grass und Stark ebne den Weg für eine Langzeitdatenspeicherung, die die begrenzte Haltbarkeit von digitalen Speichermedien überwinde, indem sie die DNA-Speicherfähigkeiten von Fossilien nachahme, wird im Communiqué dazu betont. Die beiden Professoren für Chemieingenieurwesen lösten die bisher existierenden Probleme von Datenspeicherung auf Basis synthetischer DNA, die sich ungeschützt schnell zersetzt, indem sie ein Verfahren entwickelten, mit dem Daten im DNA-Format in Glaskügelchen versiegelt und wieder unbeschädigt und ohne Verluste herausgelöst werden können. In einer winzigen Menge von wenigen Gramm synthetischer DNA lassen sich so 400‘000 Terrabyte Daten speichern, das entspricht allen momentan auf Youtube verfügbaren Filmen.

Grass und Stark liessen sich zur Lösung des DNA-Haltbarkeitsproblems von Fossilien inspirieren, in denen die DNA, der älteste Code der Welt, über Hunderttausende von Jahren konserviert ist. "Die Herausforderung war klar: DNA stabil zu machen", erklärt Grass. "Fossilien erwiesen sich als der richtige Weg. Daher untersuchten wir die chemische Struktur von Glasablagerungen auf der DNA, was uns schliesslich zu der Verkapselungstechnologie führte."

Um die Forschungsergebnisse in konkrete Anwendungen zu überführen und auf den Markt zu bringen, haben die beiden Forscher 2016 das ETH Spin-Off-Unternehmen Haelixa gegründet. "Wenn man eine Firma gründen will und möchte, dass eine Universität oder Förderagentur investiert, muss der Schutz des geistigen Eigentums überzeugend dargestellt werden", sagt Grass. "Deshalb ist die Patentanmeldung ein extrem wichtiger Schritt."

Es habe sich zudem herausgestellt, dass die künstlichen Glasfossilien von Haelixa über die Nutzung als Langzeitspeicher hinaus ein äusserst robuster Bar-Code für Tracking-Zwecke sind: Die winzigen, unschädlichen DNA-haltigen Partikel werden dazu auf ein Produkt aufgebracht und später zur Verifizierung ausgelesen. So können zum Beispiel die Lieferkette von Bio-Baumwolle nachvollzogen oder die Herkunft von Edelsteinen überprüft werden.

"Grass und Stark zeigen, dass ein innovativer, disziplinübergreifender Ansatz technologische Fortschritte mit Nutzen für viele zukünftige Generationen hervorbringen kann. Dies gilt insbesondere angesichts der zunehmenden Digitalisierung aller Aspekte der Gesellschaft", erklärte EPA-Präsident António Campinos bei der Bekanntgabe der Finalisten des Europäischen Erfinderpreises 2021. "Der Patentschutz ermöglicht es ihnen, ihre Forschung in eine Unternehmung mit alltagstauglichen Anwendungen zu verwandeln."

Die Gewinner des jährlichen Innovationspreises des EPA werden am 17. Juni ab 19 Uhr im Rahmen einer Preisverleihung bekannt gegeben, die in diesem Jahr als öffentliches digitales Event für ein globales Publikum neu konzipiert wurde.

Der Österreicher Grass und der Schweizer Stark lernten sich 2004 kennen, nachdem Stark zum Assistenzprofessor am Departement Chemie und Angewandte Biowissenschaften der ETH Zürich ernannt worden war. Im selben Jahr wurde Grass einer von Starks ersten Doktoranden. Gemeinsam war den beiden vor allem eine Eigenschaft: ihre ingenieurwissenschaftliche Denkweise, die sie dazu antrieb, neue Technologien zu erforschen und zu konstruieren, die medizinische oder biologische Verfahren für praktische Anwendungen in anderen Bereichen einsatzfähig machen.

Um ihre Technologie bekannt zu machen, haben sie 2018 das Album "Mezzanine" von Massive Attack im DNA-Format neu aufgelegt, indem sie eine 15 MB grosse Datei in Stränge synthetischer DNA kodierten. Auch in der ersten Episode der Netflix-Serie "Biohackers" wurde gezeigt, wie eine 100 MB grosse Videodatei auf DNA-Basis gespeichert wird. Die hohen Kosten für das Schreiben synthetischer DNA schränken den Einsatz derzeit noch ein, aber Grass und Stark arbeiten daran, die Kosten zu senken, indem sie die DNA-Synthese vereinfachen. Grass ist zuversichtlich, dass in den nächsten Jahren DNA-Speicher für nur wenige Euro verfügbar sein werden.

Mit diesem Ziel vor Augen wollen sie weiterforschen. "Wir stellen uns in nicht allzu ferner Zukunft eine Welt vor, in der DNA-Speicher als Alltagstechnologie verfügbar sind", sagt Grass. "In der Welt, in der wir arbeiten, ist das Lesen und Schreiben von DNA so, als würde man einen Stift und Papier nutzen."