Der aussergewöhnliche Trolleybus auf Zürichs Strassen ähnelt von aussem einem Tram (Bild: ETH Zürich)

Auf Zürichs Strassen verkehrt seit einiger Zeit ein aussergewöhnlicher Trolleybus. Dabei handelt es sich um einen Elektrobus mit hybri­dem Antriebssystem. Er kann Energie sowohl aus der Strom-Oberleitung als auch aus einem eingebauten Batteriespeicher ziehen. Ausserdem ist der Bus ziemlich smart: Weil eine integrierte Software automatisch Streckeninformationen sammelt, weiss der Bus stets, was als Nächstes passiert – ob es beispielsweise bergab geht oder ob eine Leitung unterbrochen ist.

Dieser intelligente Stadtbus ist das Resultat einer Zusammenarbeit der ETH mit einem KMU. Für den einzigen Schweizer Bushersteller, die Carrosserie Hess aus dem solothurnischen Bellach, hat die ETH eine Software fürs Energiemanagement entwickelt. Diese optimiert anhand von Algorithmen, wann der Bus die Energie aus der Strom-Oberleitung und wann aus dem Batteriespeicher ziehen soll. Beispielsweise ergibt es mehr Sinn, den Speicher zu leeren, wenn der Bus auf einen Hügel fährt – weil die Batterie beim Abwärtsfahren durch Bremsenergie sozusagen "gratis" wieder geladen wird. Auf diese Art und Weise lassen sich bis zu 15 Prozent Energie und ausserdem viel Geld einsparen.

Wettbewerbsvorteile

Die Kooperation bringt für beide Seiten Vorteile. Hess profitiert von einer Innovationskraft, die sie sich ohne Partner nicht leisten könnte. "Wir wären mit unseren Mitteln schlicht nicht in der Lage, ein derart effizientes Energiemanagement zu entwickeln", sagt Martin Widmer, der seitens der Carrosserie Hess für das Projekt zuständig ist. So kann sich die Firma mit rund 260 Mitarbeitenden gegenüber der ungleich grösseren Konkurrenz aus dem Ausland immer wieder Wettbewerbsvorteile verschaffen.

Die ETH-Forscher ihrerseits können ihr theoretisches Know-how in konkrete Projekte überführen. Die wissenschaftlichen Problemstellungen rund um Hybridbusse würden sich gut für Publikationen in wissenschaftlichen Journals eignen, sagt Christopher Onder, Professor am Institut für Dynamische Systeme und Regelungstechnik an der ETH. "Das Projekt ist ein wahrer Magnet für Studierende." Bis dato seien rund 30 Semester-, Bachelor- oder Masterarbeiten im Rahmen der Projekte mit der Firma Hess erstellt worden. Zudem absolvierten bereits mehrere Studierende ein Praktikum bei Hess, andere, wie Martin Widmer, stiegen nach ihrem Abschluss an der ETH fix beim KMU ein.

Wandel in der Praxis

Die Kooperation zwischen der ETH und der Carrosserie Hess besteht seit dem Jahr 2009. Damals experimentierte Hess mit einem Diesel-Hybrid-Bus. Dieser sparte jedoch nicht so viel Energie ein, wie man sich erhofft hatte. Die Verantwortlichen von Hess zeigten sich darum offen, als seitens der ETH die Idee aufkam, im Rahmen einer Doktoratsstelle ein neues Energiemanagement für diesen Bus zu entwickeln. Mit Geldern der KTI (heute Innosuisse) sowie des Bundesamts für Energie konnte das Doktorat finanziert werden.

Bis aber der erste Bus mit ETH-Software bei Hess vom Band rollte, sollte es noch etwas dauern. Aus Sicht der Forschung war das Projekt zwar ein voller Erfolg: Es konnten deutliche Treibstoffeinsparungen erzielt werden. Doch bis die Doktorarbeit fertiggestellt war, waren auf dem Markt nicht mehr Diesel-Hybrid-Busse, sondern vor allem Elektrobusse gefragt. Hier zeigten sich die Herausforderungen einer Partnerschaft zwischen Hochschule und Privatwirtschaft. Die wissenschaftlich exakt, aber langsam mahlenden Mühlen der ETH auf der einen Seite, die den Dynamiken des Marktes ausgesetzte Carrosserie Hess auf der anderen. "Bei uns muss das System nicht theoretisch perfekt sein, aber es muss in der Praxis funktionieren sowie den Vorschriften entsprechen", sagt Widmer. "Und natürlich müssen wir irgendwann Geld damit verdienen."

Das Projekt wächst mit

Beim Nachfolgeprojekt mit dem neusten Elektrobus von Hess – dem "Swiss Trolley Plus" – haben die Partner aus den Erfahrungen gelernt. Wiederum entwickelt seitens der ETH ein Doktorand eine Software für ein effizientes Energiemanagement. Im Gegensatz zum ersten Projekt ist mit der Berner Fachhochschule aber nicht nur eine zweite Forschungsinstitution, sondern mit den Verkehrsbetrieben Zürich (VBZ) auch erstmals ein Betreiber eingebunden. Dies bedeutet, dass die ETH-Forscher die Software praktisch live vor der Haustüre analysieren können – anhand des Pilot-Busses, der seit rund einem Jahr im Zürcher ­Li­nienverkehr eingesetzt wird.

Noch ist der intelligente Zürcher Pilot-Bus der einzige seiner Art. Doch das wird sich bald ändern. Ab Herbst sollen drei zusätzliche Doppelgelenkbusse mit der gleichen Technik im Linienbetrieb eingesetzt werden. Widmer von der Carrosserie Hess rechnet fest damit, dass weitere Betreiber dazukommen werden. "Wir haben einige Interessenten", sagt er.

Kommendes Jahr wird das zweite gemeinsame Doktoratsprojekt auslaufen. Gut möglich aber, dass dies noch nicht das Ende der Zusammenarbeit von ETH und Hess bedeutet. Denn je länger die Kooperation dauert, desto mehr Problemstellungen werden erkannt, die am besten gemeinsam gelöst werden können. "Analog zum Fahrbetrieb könnte eine Software auch helfen, bei Heizung und Kühlung Energie einzusparen", so Widmer. ETH-Professor Onder gefällt der Vorschlag: "Wissenschaftlich ist das eine interessante und relevante Fragestellung." https://www.ethz.ch



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