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Zwei ETH-Forscher vom Institut für Technologie in der Architektur haben mit einem 3D-Drucker einen Raum aus künstlichem Sandstein erschaffen. Zu sehen ist das Werk zurzeit in Orléans.

Egal, ob jemand künstliche Knorpel oder schussfähige Waffen herstellen möchte, 3D-Druck scheint die Produktionsmethode der Zukunft zu sein. Zurzeit schiessen neue Ideen, was Drucker produzieren könnten, wie Pilze aus dem Boden. Ein Wettlauf unter 3D-Druck-Kennern war bislang aber noch nicht entschieden: Wer schafft es als erster, einen ganzen Raum oder gar ein ganzes Haus auszudrucken? Michael Hansmeyer und Benjamin Dillenburger vom Institut für Technologie in der Architektur sind diesem Ziel erstaunlich nahe gekommen.

Den Raum, den die beiden ETH-Forscher geschaffen haben, ist 16 Quadratmeter gross und über drei Meter hoch. Mit seiner organischen, ornamentierten Gestalt erinnert er an die Fassaden von gotischen Kathedralen. Kein Zufall also, dass die Entwickler ihr Projekt «Digital Grotesque» nennen. «Wer Architekturelemente druckt, möchte natürlich nicht Bestehendes nachbilden. Mit diesen filigranen Strukturen zeigen wir, dass die Gestaltungsmöglichkeiten einer digital gefertigten Wand schier unbegrenzt sind», erklärt Benjamin Dillenburger. «Digital Grotesque» verbindet Technik und Natur auf eine ganz neue Art. Einerseits zeigt das Projekt, was digital unterstützte Architektur und Hochpräzisions-Technologie zu leisten vermögen, andererseits greift es in Material und Form auf die Natur zurück. Damit passt das Projekt optimal in die Ausstellung Archilab 2013, die zurzeit im Frac Centre in Orléans zu sehen und ganz dem Thema «Naturaliser l’architecture» gewidmet ist.

Komplexe Geometrie mit Millionen Facetten

Das Projekt wirkt verspielt und leicht, doch beim genaueren Hinsehen ist es weder das eine noch das andere. In «Digital Grotesque» stecken hochkomplexe Algorithmen, die von den ETH-Forschern entwickelt wurden. Eine einfache Ausgangsform wurde mathematisch so verfeinert und geometrisch gefaltet, bis daraus eine komplexe Geometrie mit über 260 Millionen Facetten entstand. Die Details der Oberfläche reichen an die Grenzen von dem, was visuell und haptisch wahrnehmbar ist, denn die Form wurde im Bereich von Mikrometern gestaltet. Der Entwurf konnte nicht per Hand oder Maus gezeichnet werden, sondern entstand ausschliesslich aus den eigens dafür entwickelten Algorithmen.

Während der Zusammenbau nur einen Tag und das Ausdrucken nur einen Monat dauerte, nahm das Entwickeln des Designs über ein Jahr in Anspruch. «Die Schwierigkeit war, mit Hilfe der Algorithmen die Kontrolle über die entstehenden Formen zu behalten, sowie kreative und überraschende Effekte zu gestalten», beschreibt Dillenburger den aufwändigen Prozess. Auch leicht ist «Digital Grotesque» keineswegs. Der Sanddrucker fabrizierte für das Werk über elf Tonnen künstlichen Sandstein. Der Spezialdrucker stellt normalerweise Gussformen zum Beispiel für grosse, komplexe Metallteile wie Motorblöcke her, die dann mit Metall ausgegossen werden. Die ETH-Architekten kamen auf die Idee, den künstlichen Sandstein aus dieser Technik für architektonische Bauteile zu nutzen. Dabei trägt der Drucker eine Schicht Sand auf. Diese wird dort, wo die Form entstehen soll, mit Bindemittel fixiert. So wird Schicht für Schicht aufgetragen, bis der ganze Druckraum des Druckers mit Sand gefüllt ist. Danach wird der überschüssige Sand abgesaugt und das fertige Sandsteinelement gereinigt.

Auf diese Weise produzierten die ETH-Architekten 64 einzelne Blöcke, die sie zu einem Raum zusammenfügten. Obwohl auch dieser – noch experimentelle – Produktionsprozess mit viel Aufwand verbunden ist, glauben Michael Hansmeyer und Benjamin Dillenburger an die Zukunft des neuen Verfahrens. Der digitalisierte Prozesses hat gegenüber der industriellen Massenproduktion, wie sie heute üblich ist, entscheidende Vorteile, davon ist Dillenburger überzeugt: «Das Projekt setzt der Standardisierung in der modernen Architektur eine neue, hochspezifische Architektursprache entgegen. Der 3D-Druck ist hochpräzise und effizient, ermöglicht aber zusätzlich eine individuelle Gestaltung der Bauelemente.»

Das Werk «Digital Grotesque» ist im Frac Centre in Orléans noch bis zum 2. Februar 2014 zu bewundern.