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ETH-Forscher durchleuchten mit Röntgentomographie die Elektroden von Lithium-Ionen-Batterien und können die Mikrostruktur hochaufgelöst rekonstruieren. Das hilft, den Entlade-Lade-Vorgang besser zu verstehen und optimierte Elektroden zu entwickeln.

Handy-Akkus, die länger ausreichen, Autobatterien, die ein Elektromobil weiter fahren lassen, Speicher, die viel Energie etwa aus Wind- oder Solargeneratoren aufnehmen: Für viele Anwendungen sind bessere Batterien gefragt. Die Forschung konzentriert sich dabei im Groben auf drei Aspekte. So möchte man die Energiedichte erhöhen, also mehr Energie in einer kleineren Batterie speichern. Die Lade- und Entladegeschwindigkeit möchte man verbessern, indem man Material, Form und Grösse der elektrochemisch aktiven Partikel sowie die Struktur der Batterieelektroden gezielt verändert und kontrolliert. Und schliesslich arbeiten Wissenschaftler an der Langlebigkeit der Batterie im Allgemeinen, indem sie versuchen die Degradationsmechanismen, die das Leben von Batterien verkürzen, verstehen zu lernen.

Martin Ebner, Doktorand aus der Gruppe von Vanessa Wood, Professorin am Departement für Informationstechnologie und Elektrotechnik, setzt bei der Entlade- und Ladegeschwindigkeit an. Um verstehen zu können, was sie beeinflusst, erforscht er die Mikrostruktur der Elektroden von handelsüblichen und selbst hergestellten Lithium-Ionen-Batterien. Kennt man diese, kann man auch den Lade-Entlade-Mechanismus besser verstehen und im Hinblick auf leistungsfähigere Batterien versuchen, optimierte Elektroden herzustellen.

Schwer zugängliche Mikrostruktur gescannt

«Die Mikrostruktur wurde bis anhin in der Batterieforschung vernachlässigt, weil sie experimentell nur schwer zugänglich war», sagt Ebner. Diese Lücke konnte er schliessen, und zwar mithilfe von Röntgentomographie durch Synchrotronstrahlung und der Gruppe von Professor Marco Stampanoni, die auf die Arbeit mit dieser speziellen Strahlung spezialisiert ist.

«Diese Strahlung, die an der ‹Swiss Light Source› am Paul Scherrer Institut erzeugt werden kann, ist sehr hell und spektral rein. Dadurch lässt sie in kurzer Zeit viele hochauflösende Experimente zu», sagt Martin Ebner. Eine Probe zu untersuchen, habe an der Tomcat-Strahllinie nur ungefähr fünf Minuten gedauert, an herkömmlichen Geräten bis zu fünf Stunden. Ebner konnte deshalb damit viele Proben von Elektrodenmaterialien durchleuchten, die unter verschiedenen Bedingungen hergestellt wurden.

Aus den vielen hundert Gigabyte Daten, welche die Röntgentomographie generierte, konnte der Elektroingenieur am Computer schliesslich die dreidimensionale Elektrodenstruktur rekonstruieren. Seine Arbeit wurde vor Kurzem in der Fachzeitschrift «Advanced Energy Materials» veröffentlicht und die Rohdaten der 16 untersuchten Kathoden in einer frei zugänglichen Open-Source-Datenbank hinterlegt.

Kleine Partikel an Grenzschicht

Die Rekonstruktionen am Computer zeigen, dass die Elektroden aus zahlreichen unterschiedlich grossen und verschieden geformten Partikeln zusammengesetzt sind. Am Rand der Kathode herrschen kleinere Partikel vor, im Inneren sind dafür meist grössere vorhanden. Weiter konnte Ebner nachweisen, dass einige Partikel unter dem sehr hohen Druck bei der Herstellung aufbrechen können. Das habe auf die Elektrochemie der Batterie wenig Einfluss, müsse aber berücksichtigt werden, wenn sie am Computer simuliert würde, betont er.

Die Grösse, Verteilung und Anordnung der Partikel hat jedoch einen grossen Einfluss auf die Entlade- und Ladegeschwindigkeit einer Batterie. Kleinere Partikel formen eine kompakte Struktur, während die Struktur bei grossen Partikeln eher lose ist und daher mehr Porenraum bietet. Die Porosität des Materials ist schliesslich massgebend für die Energiedichte der Batterie und die Geschwindigkeit, mit der Lithium-Ionen beim Laden oder Entladen durch die Elektroden sausen.

Beschrieben wird das Durchflussverhalten der Lithium-Ionen durch die so genannte Tortuosität. Dieser Wert gibt den Grad der Gewundenheit einer Struktur an. Einfach gesagt: Je verschlungener der Weg der Ionen durch die Elektrode ist, desto langsamer wird der Akku entladen respektive geladen, und desto höher ist die Tortuosität.

Graphit-Plättchen erschweren Ionenfluss

Während rundliche bis kartoffelförmige Partikel den Durchfluss meist günstig beeinflussen, bieten plättchenförmige Partikel, wie sie in der Anode, dem negativen Pol, vorkommen, ungünstige Voraussetzungen für einen schnellen Ladungstransport. Die Anode einer Lithium-Ionen-Batterie ist meistens aus Graphit gefertigt. Dieses sehr gut leitende Material besteht aus hauchdünnen Plättchen, die sich wie Dachziegel übereinander lagern. Je nach Richtung, aus der die Ionen auf die Graphit-Plättchen auftreffen, kann die Tortuosität sehr hoch werden. Um die Ziegel zu umfliessen, sind lange Wege nötig, was die Entlade- und Ladegeschwindigkeit massiv senkt. In der Längsrichtung durchqueren die Lithiumionen den Graphit hingegen ohne nennenswerte Umwege. Die Analysen zeigen, dass Graphit Elektroden schon bei einer Porosität von 40 Prozent richtungsabhängige Weglängenunterschiede von über 300 Prozent aufweisen.

Verbessert werden könnte die Tortuosität von Graphitelektroden durch den Einsatz von runden Graphitpartikeln. Der Nachteil dabei ist, dass bei deren Herstellung bis zu 70 Prozent des hochwertigen Rohstoffs als Abfall anfällt. Dieser hohe Ausschuss ist ein Grund, weshalb viele Batteriehersteller nach wie vor plättchenförmigen Graphit als Anodenmaterial einsetzen.

Etablierte Technik optimieren

Lithium-Ionen-Batterien sind sein 1980er Jahren mit mehr oder weniger denselben Basismaterialien im Einsatz. Die Materialien können in grosser Menge industriell verarbeitet werden, und es etablieren sich langsam auch Alternativen, die als Rohstoffe auf der Erde häufig vorkommen. Langfristig will die Forschung verstehen, wie sich die Mikrostruktur der Elektroden bildet und wie man sie positiv beeinflussen kann. Eine Idee ist, auf die Selbstorganisation der verwendeten Materialien zu setzen. Der Massstab ist und bleibt aber, ob das Verfahren für die Industrie mach- und zahlbar ist. «Man darf nicht vergessen, dass eine Batterie ein Massenprodukt ist, welches möglichst günstig in grossen Stückzahlen herstellbar sein sollte», sagt Ebner.

Wie Lithium-Ionen-Batterien funktionieren

In Lithium-Ionen-Batterien ist die Energie in Form von positiv geladenen Lithium-Atomen (Ionen) gespeichert, die sich in der geladenen Batterie am Minus-Pol befinden. Wird der Batterie Energie entnommen, fliessen negativ geladene Elektronen über den externen Stromkreislauf vom Minus- zum Plus-Pol. Zum Ladungsausgleich fliessen positiv geladene Lithium-Ionen ebenfalls vom Minus- zum Plus-Pol. Diese legen den Weg jedoch im Innern der Batterie zurück, in der Elektrolyt-Flüssigkeit. Der Vorgang ist reversibel: Lithium-Ionen-Batterien können mit Strom wiederaufgeladen werden. In den allermeisten heutigen Lithium-Ionen-Batterien besteht der Plus-Pol aus den Übergangsmetalloxiden Kobalt, Nickel und Mangan, der Minus-Pol aus Graphit. In leistungsfähigeren Lithium-Ionen-Batterien der nächsten Generation sollen am Minus-Pol Elemente wie Zinn oder Silizium zum Einsatz kommen.

Literaturhinweis
Ebner M, Geldmacher F, Marone F, Stampanoni M, Wood V. X-Ray Tomography of Porous, Transition Metal Oxide Based Lithium Ion Battery Electrodes. Advanced Energy Materials 2013. Article first published online: 13 MAR 2013. DOI: 10.1002/aenm.201200932



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